Pianist und Kopf des Kölner Jazz-Trios „The Keys Project“

Holger Dieffendahl im Interview

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Der vielseitige Keyboarder und Komponist Holger Dieffendahl ist in der deutschen Jazz-Szene längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. KEYBOARDS traf den sympathischen Musiker im Rahmen eines Tour-Abschlusskonzerts mit seinem Trio „The Keys Project“ im schönen Kölner Stadtteil Ehrenfeld.

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(Bild: Archiv)

Mit dem Anfang des Jahres veröffentlichten Album „Klangbild“ treffen Holger Dieffendahl und sein Trio „The Keys Project“ zielgenau den Zeitgeist des europäischen Avantgarde-Jazz. Zusammen mit Kenn Hartwig am Kontrabass und Thomas Esch an den Drums überzeugt die Dreierformation auch live durch ihr hochkreatives sowie dynamisch-energetisches Zusammenspiel, welches im Stande ist, auch den letzten Zuhörer innerhalb kürzester Zeit Teil der Spannung werden zu lassen.

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Wir trafen Holger im Rahmen eines großartigen Tourabschluss-Konzerts von „The Keys Project“ in Kölns beliebter Live-Location „Loft“ im Stadtteil Ehrenfeld zu einem ausgedehnten Gespräch über musikalische Wegweiser, Inspiration und ein sich konstituierendes Streichquartett.

Du hast schon recht früh mit der Musik begonnen, aber wann hat dich schließlich der Jazz infiziert?

Das war so mit 16, als die Sache mit dem Improvisieren anfing. Ich hab erst mal in Rockbands gespielt, wo wir so Doors-Zeug gecovert haben. Dabei ging es um diese ewigen Orgelsoli – da war ich mit meiner Klassikausbildung relativ schnell am Ende. Ich konnte lediglich so ein bisschen Pentatonik. Mein Klavierlehrer damals war auch ein Klassiker und konnte mir Improvisation nicht so richtig vermitteln. Natürlich kannte ich Oscar Peterson, Keith Jarrett und Chick Corea, aber irgendwie wusste ich trotzdem nicht so richtig, wie ich da drankommen sollte.

Dann hab ich mit 19 die Aufnahmeprüfung am International College Freiburg (ehemalige „Jazz und Rock Schule“) im Schwarzwald gemacht, vier Jahre dort studiert und dann mit 23 abgeschlossen. Nach zwei weiteren Jahren in Freiburg hat es mich dann aber 2007 wieder ins Rheinland gezogen.


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Du spielst heute Abend mit deinem aktuellen Trio. Verfolgst du daneben noch andere größere Projekte?

Zurzeit habe ich auch noch ein Engagement beim Palazzo Dinner Varieté – das ist das größte Dinner-Varieté in Europa, und die haben immer in mehreren Städten massive „Zeltgebäude“ stehen. Dort kochen dann Sterneköche und dazu gibt‘s eine dreieinhalbstündige Varieté-Show mit Artisten, Künstlern, Moderation, Comedy, Zauberei.

Das volle Programm …

Genau! Wir sind da auch mit einer sechsköpfigen Band am Start, und da habe ich vor zwei Jahren das Angebot als Bandleader und Pianist in Nürnberg für sechs Monate bekommen. Danach kam Stuttgart – das war letztes Jahr –, und im Herbst geht’s nach Wien! Ich bin dann immer von Herbst bis März mit dem Palazzo unterwegs. Pro Saison ein Spielort.

Das heißt, auf lange Sicht kommt man damit auch ein bisschen herum.

Genau, das ist das Schöne.

Machst du als Bandleader in diesem Fall dann auch mehr als Koordination? Hast du auch mit der Programmauswahl oder den Arrangements zu tun?

Ja, auch wenn wir noch MDs dabei haben, die hierarchisch über mir stehen. Und die haben die Hauptkommunikation mit dem Regisseur, der die entsprechende Show macht. In der ersten Show wurde mir dann beispielsweise alles gegeben, und dann haben wir das geprobt. In der ersten Woche waren die Musik-Direktoren auch noch dabei. Wenn dann in den folgenden fünf Monaten musikalische Fragen auftauchten – sei es, weil jemand ausfällt, etwas verschoben werden muss oder für Sylvester extra Songs gespielt werden sollen –, war ich dann bereits der Ansprechpartner.

Jetzt wo’s nach Wien geht, bin ich tatsächlich auch immer mehr an der Songauswahl beteiligt. Was ich mir dann letztendlich mit dem Musical-Director teile. Super!

Das klingt nach spannender und vielseitiger Arbeit.

Ja, das macht auch richtig Spaß! Ist halt total anders als „The Keys Project“. Letzteres ist ebenso ein echtes Herzensding, wie bei allen Jazz-Sachen – mehr Hobby als Geld verdienen! (lacht)

Mit unserem aktuellen Album „Klangbild“ sind wir jetzt beim Label „Fuhrwerk Musik“ untergekommen, worüber wir uns wirklich riesig freuen. Der Support durch Wolfgang (Fuhr – Saxofonist und Labelbetreiber) ist wirklich erstklassig.

Wo würdest du dich musikalisch momentan positionieren, und was hat dich auf dem Weg am meisten beeinflusst?

Das ist schwierig zu sagen. Wenn ich nur allein die letzten acht Jahre betrachte, so ist da schon so einiges an kreativer Entwicklung passiert. Zum einen habe ich in dieser Zeit The Keys Project vorangetrieben. Daneben lief die Produktion einer Deutschrockplatte mit dem Titel Ein Sommer lang. Die war schon so richtig – im positiven Sinne – klischeehaft Deutschrock, aber immer in einem Rahmen, den ich vor mir voll und ganz vertreten kann. Beeinflusst hat mich hier auf jeden Fall auch John Mayer, den ich als Songwriter einfach unfassbar gut finde.

2010 habe ich dann noch das Electro-Pop-Projekt „I can fly“ ins Leben gerufen. Mit diesem entsteht sehr akkurates und straightes Zeug, in dem sich auf jeden Fall auch Einflüsse von De-Phazz finden. Insgesamt sehr entspannte Musik aus dem Rechner, ergänzt um die Mitwirkung des einen oder anderen Gastmusikers. Mein Trio ist schon sehr stark durch – den leider viel zu früh verstorbenen – Esbjörn Svensson inspiriert. Daneben war Chick Corea auch immer schon ein sehr starker Einfluss.

September dieses Jahres werde ich das erste Mal mit einem Streichquartett, bestehend aus Violine, Bratsche, Cello und Kontrabass, aufnehmen – also einer nicht klassischen Besetzung plus Klavier. Die Kompositionen dafür gehen dabei schon sehr in Richtung Filmmusik mit viel Raum und Atmosphäre. Das ist für mich auch schon wieder mal ein komplett anderer Ansatz, den ich sehr spannend finde. Ich habe zwar früher auch schon viel für Streicher geschrieben, es aber noch nie aufgeführt.

Was hat dich für dieses Projekt besonders an Streichern gereizt?

Ich glaube, ich bin einfach ein großer Filmmusik-Fan und habe aus diesem Grund auch schon viel in dieser Richtung ausprobiert und komponiert. Ich habe in diesem Rahmen auch versucht, erste Orchester- Sachen umzusetzen – aber das ist zurzeit noch nicht wirklich spielreif. Für dieses Jahr habe ich mir dann schließlich vorgenommen, zunächst einmal gezielt Leute für das Quartett anzusprechen – auf die Gefahr hin, mir als bunte Sneakers tragender Jazzer eine Schelle einzufangen … (lacht)

Ich habe dann erst mal eine befreundete Geigerin angerufen, die diesbezüglich erfreulicherweise direkt total offen war. Denn obwohl sie eigentlich aus der Klassik kommt, beschäftigt sie sich auch mit Jazz und Improvisation – obgleich bei meinen Sachen da jetzt alles ausnotiert ist. Da ich persönlich leider gar nicht so viele Streicher kenne, hat sie dann für mich noch einen Bratschisten und eine Cellistin aus ihrem Jazz-Kurs angesprochen, die ebenfalls direkt zugesagt haben. Kontrabass spielt dann noch Stefan Rey, der eigentlich auch Jazzer ist, aber auch „klassisch“ sehr gut intoniert und ein wirklich netter Typ ist.

Wir hatten bereits eine vielversprechende gemeinsame Probe, und jetzt bin ich sehr gespannt auf die Aufnahmen!

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Das aktuelle Album von Holger Dieffendahls „The Keys Project“: Klangbild, Label: Fuhrwerk

Hast du schon Pläne, wie es nach dem Streichquartett-Projekt weitergeht?

Mit The Keys Project wird es auf jeden Fall auch in absehbarer Zeit mit einer neuen Platte weitergehen – ich tippe da mal auf Anfang 2015.

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