Modular-Kolumne mit Martha

Vom Modularen Kaninchenbau

Anzeige
Panic_Girl Martha Bahr
Martha Bahr aka. Panic Girl

Der modulare Kaninchenbau lockt verheißungsvoll mit dem Traum eines maßgeschneiderten Systems. Eines, das einzigartig in der Zusammenstellung seiner Module ist, das einem alle akustischen Wünsche von den Lippen abliest und unbegrenzt Inspirationen liefert. Ein Synthesizer, den man beliebig erweitern kann, bis einem der Platz im Studioraum ausgeht (außer man dehnt seinen Wirkungsbereich natürlich auf andere Räumlichkeiten wie Küche oder Flur aus, mit etwas Fantasie lässt sich da einiges machen), den man aber auch genauso gut umbauen oder modulweise ersetzen kann, wenn man denn seine musikalische Gangart ändern möchte. Ein Instrument, dessen Einzelteile man beliebig neu puzzeln kann, indem man die Module immer wieder neu anordnet und verkabelt, mit dem sich ewig experimentieren lässt und das sich bei jedem Patch als Instrument neu definiert.

Ist so ein Modularsynthesizer denn jemals »fertig«? In dem Sinne wie auch ein Nord Lead, ein Minimoog oder ein Prophet »fertig« ist, die sich nicht mehr in ihre Einzelteile zerlegen lassen und eine definierte Klangcharakteristik mit sich bringen? Oder wie eine Violine, ein Piano, eine Gitarre etwa, die man durch regelmäßige Praxis zu spielen lernt, wie Vangelis beispielsweise auch seinen CS-80 als vollwertiges Instrument verstand, das man durch tägliche Übung in und auswendig beherrschen kann? Bei all den Möglichkeiten in der Welt der Modularsynthesizer wäre ich versucht, ein schnelles »Nein« loszufeuern. Warum sollte man sich auch auf einen Status Quo beschränken, wenn man sein System ewig neu erfinden kann?

Anzeige

Es sei denn, man käme auf die Idee, sich ein Konzept zu überlegen, was genau man denn mit seinem Modular musikalisch umsetzen möchte, sich ein entsprechendes Case und Module zu besorgen und alles zu verkabeln, um anschließend sowohl die Anordnung der Module als auch den Patch selbst nicht mehr anzurühren und »nur noch« wie ein normales Instrument zu spielen.

Verrückt! Ich selbst wäre auf so eine Idee ehrlich gesagt nicht gekommen, denn die offene Struktur eines Modularsynthesizers, es jederzeit den eigenen Ansprüchen entsprechend umbauen zu können, es mit einem wachsen und mit all seinen Verästelungen reifen zu lassen, war für mich von jeher eines der schlagenden Argumente im Vergleich zu anderen Instrumenten.

Auf diesen, vorerst absurd erscheinenden Gedanken stieß ich erstmals, als ich (wieder einmal) auf dem Video-Channel von Schneidersladen gestöbert und mir den Workshop mit Surgeon angesehen hatte. Wer ihn nicht kennen sollte: Surgeon ist ein renommierter Techno-Produzent aus UK, der riesige Hallen füllt und sich auf der Bühne nun seit geraumer Zeit auf Eurorack-Gear fokussiert. Um sein Equipment auf Flügen nicht abgeben zu müssen, beschränkt er sich dabei auf eine kompakte Größe, die er im Handgepäck mitnehmen kann: ein 208 HP Case, einen Octatrack, den er lediglich als Looper nutzt, und ein Reverb-Pedal. Beeindruckend ist vor allem, wie viele Sounds und Variationen er aus diesem doch recht kleinen Setup herausholt, wie gut durchdacht der Patch ist, den er auch nicht mehr abändert, und vor allem: dass er seinen Modular als Instrument begreift, das er zu performen lernt, wie man auch das Violinenspiel erlernen muss. Warum eigentlich auch nicht?

Er benutzt beispielsweise eine Turing Machine mit einem nachgeschalteten Quantizer als Melodiengenerator und lässt sich demzufolge auf der Bühne überraschen. Mutig und spannend allemal! Wenn ihm eine Melodie gefällt, nimmt er sie mit dem Octatrack-internen Looper auf und hat folglich die Module wieder für andere Melodien frei. Nun kann er beispielsweise die Clock, die in die Turing Machine gepatcht ist, halbieren, um Padähnliche Sounds zu bauen. Es lassen sich einige solcher Tricks mit etwas vorab investierter Zeit in die Planung seines Systems realisieren, je nachdem, was man klanglich und kompositorisch umsetzen möchte.

Inspiriert von diesem Konzept werde ich es selbst auch auf einen Versuch ankommen lassen und mir einen Patch überlegen, mit dem ich meine Vorstellungen hinsichtlich Sound und Performance umsetzen kann. Das Schöne an der riesigen Vielfalt an Modulen ist ja, dass man selbst nicht zwingend so eine riesige Vielfalt braucht, um sich musikalisch ausdrücken zu können. In diesem Sinne, ich geh dann mal patchen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.