Für die Bühne gemacht

Workstations, Stagepianos & Controller-Keyboards

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Piano und Strings − das ist wohl das Keyboarder-Klischee schlechthin. Und doch scheinen diese Sounds kein bisschen abgenutzt, denn einzeln oder als Layer gespielt gehören sie zum Standard-Soundset − dabei gibt es so viel mehr zu entdecken …

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Das rockt! Pianotasten und viele gute Sounds für kleines Budget: Roland Juno-DS88 (Bild: Dieter Stork, Archiv)

Stagepianos − diese in den 60er-Jahren mit Fender Rhodes & Co begonnene Idee wurde in den 80ern von Digitalpianos fortgesetzt. Dabei versteht sich ein Stagepiano als bühnentaugliche Variante eines Digitalpianos. Also: Kein edler Wohnzimmerlook mit Wohlklang, sondern eine robuste Verarbeitung von Gehäuse und Bedienelementen ist ebenso gefragt wie kräftige Sounds, die sich im Live-Sound einer Band durchsetzen können. Spätestens seit dem Durchbruch der Korg M1 in den 80ern darf man brauchbare Pianosounds auch in einer Workstation erwarten.

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Die Ausstattungen und Ausrichtungen der Instrumente wurden immer weiter differenziert, sodass wir heute Stagepianos und Workstations kaum noch unterscheiden können: Mehr oder weniger gut können sie alle Piano, Strings und Orgel, und wenn es sein muss, auch Dudelsack und Nylon-Klampfe. Wozu all das? Anscheinend gehen eine Menge der Hersteller davon aus, Keyboarder seien kühle Rechner, die beim Kauf eines Instruments mehr auf das Feature/PreisVerhältnis schauen als auf den Klang zu hören. Komisch allerdings, dass gerade in der Hochzeit solcher Alleskönner besonders Instrumente mit klar fokussiertem Leistungsspektrum − die meisten dieser Geräte sind auch heute noch rot lackiert − das Rennen gemacht haben. Sei’s drum − auch heute begeistern uns Workstations gerade wegen ihres riesigen Leistungsspektrums live on stage ebenso wie im Recording- und Home-Studio oder wo auch immer so ein Teil den Weg aufs Keyboardstativ schafft.

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(Bild: Dieter Stork, Archiv)

61, 76, 88 − die Standardgrößen.

Da der Pianosound der M1 damals von so vielen Keyboardern live zu hören war, wurde in der nachfolgenden Serie das Portfolio sogleich erweitert: die 01/W gab es wahlweise mit 61er- oder 76er-Synthi-Tastatur, und es zierte als 88er-Version mit Pianotasten die Setups vieler stolzer Homestudio-Besitzer. Fett! Das sieht doch mal aus wie eine richtige Workstation.

Diese Tastaturvariationen setzen sich fort bis sogar in aktuelle Masterkeyboard-Serien, die eigentlich mit kleineren Tastaturen ihren Schwerpunkt im Desktop-Recording haben. Da aber der Rechner schon längst in Live-Setups eingezogen ist − warum nicht also auch vernünftige 88er-Masterkeyboards mit ordentlich vielen Controllern und Reglern?

ROM-Sampler

…oder auf 80er-Keyboardisch »Rompler« wäre die Bezeichnung für die meisten der Instrumente, was sagen will, dass die Klangerzeugungen auf Basis fest gespeicherter Samples arbeiten. War eine M1 noch 16-fach polyfon und bezog ihre Sounds aus einer Handvoll Megabytes an Speicher, darf man heute getrost noch ein paar Kollegen zu Hilfe holen, um die bis zu 200-stimmig polyfonen Instrumente vollgriffig aus ihren Reserven zu locken. Und die Wave-ROMs enthalten Tonnen an Sounds aus der elektronischen und akustischen Welt. Manche Instrumente können über Expansions erweitert werden, andere ermöglichen den Import eigener Samples oder bieten sogar integrierte Sampling-Möglichkeiten.


№2/3 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • Mit Mark Forster auf Tour
  • MANDO DIAO IM INTERVIEW
  • Amy Lives: Xanthoné Blacq
  • Ströme− Eurorack Clubbing
  • MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
  • Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
  • NONLINEAR LABS C15
  • AKAI MPC LIVE
  • GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Okay … und wo bitte ist ganz oben?

Eine der oder sagen wir besser die Top-Workstation ist der Korg Kronos. Warum? Ganz einfach: Hier versammelt sich aktuelle Sampling-Streaming-Technologie mit den unterschiedlichsten Synthese-Techniken. Aus Keyboarder-Sicht ist das State of the Art! Aber kann man das überhaupt noch bedienen? Klar kann man, aber man braucht eben Geduld, da sich der Umgang mit dem Touchdisplay etwas friemelig gesteltet − so könnte man die millionenfachen Möglichkeiten dieses Wunderapparats kurz zusammenfassen.

Aber bleiben wir beim Thema Piano: In diesem Punkt überragt der Kronos jeden Mitbewerber um Längen, denn die hier vorhandenen Pianos stehen in Sampling-Länge und Detailreichtum den aufwendigen Software-Pianos in nichts nach − sogar das Spielen im Una-Corda-Pedal wird mit einem eigenen Sample berücksichtigt. Möglich macht dies eine Solid-State-Disk, von welcher der Kronos seine Sampling-Instrumente streamt. Damit hat Korg ganz nebenbei die Li mitierung von ROM geknackt und bietet gesampelte Klaviere von erstklassiger Klangqualität. Tolle Flügel mit breitem, transparentem und warmem Klang inklusive Resonanzen und subtiler Klangdetails. Einfach ein bisschen am Reverb drehen, eine wohlig warme Fläche vom virtuellen Polysix drunter, und in den 80ern hätten wir jetzt schon »G-E-I-L!!!« geschrien. Heute rühren wir mit dem Joystick vielleicht noch etwas Gewavesequenztes drunter, sprühen von links etwas gebitcrusherten Glitzerkram, schließen die Augen und fliegen einfach nur noch weg. Für Elektropianisten, die alles wollen: Den Kronos empfehlen wir in den Versionen 73 oder 88, denn die haben Pianotasten und spielen sich sogar richtig gut.

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Kompaktklasse Für den Heimgebrauch und unterwegs: Eine praktische und zugleich preiswerte Lösung ist das neue Kawai ES8: gute Tastatur mit Ivory-Touch und tolle Pianosounds. (Bild: Dieter Stork, Archiv)

Und ganz unten?

Das gibt’s komischerweise aus dem gleichen Hause: Korg Kross ist eine Mini-Workstation, die aber mit dem Kronos nix mehr zu tun hat − uns hat das Teil bei seiner Markteinführung nicht so gefallen, aber der Kross ist extrem günstig, selbst als 88er-Keyboard (ca. 800,− Euro). Am besten mal antesten, und dann bitte nach Möglichkeit mit dem Korg Krome vergleichen. Der ist zwar doppelt so teuer, aber immer noch in der unteren bis mittleren Preisklasse − und dort bietet er viele gute Sounds sowie prima Verarbeitung von Gehäuse und Tastatur fürs Geld. Als Stagepiano macht der Krome auf jeden Fall eine gute Figur.

Gleiches lässt sich auch über den Yamaha MOXF 8 sagen, der die beliebten Sounds der Motif-Serie mitbringt und sogar noch etwas günstiger zu haben ist als der Korg Krome. Dabei setzt Yamaha in puncto Funktionalität noch eins drauf, denn der MOFX integriert sich via USB als Audio/MIDI-Interface und DAW-Controller in das mitgelieferte Steinberg Cubase AI. Super Sache für Keyboarder, die einen Audio-Rechner in ihrem Setup nutzen.

Ab durch die Mitte:

Roland Juno-DS88!

Ganz frisch in den Läden steht gerade Rolands Antwort auf Krome und MOXF. Und genau in diesem Segment setzt der neue Roland frische Akzente − und das nicht nur mit einem deutlich günstigeren Preis (ca. 1.090,− Euro). Wer ein Stagepiano sucht, das mehr kann, sollte sich den Juno-DS88 unbedingt näher anschauen, denn er kann mit neuen Pianosounds und einer guten Tastatur punkten. Die Ivory-Touch-Tastatur mit spielt sich schön griffig, aber ist dabei nicht zu schwergängig − genau das wünscht man sich für den Live-Einsatz. Es handelt sich hier offensichtlich um eine Leichtbauweise der Ivory-Touch-Tastatur, denn der Juno-DS88 ist erfreulich leicht zu transportieren. Trotzdem muss man nicht auf das Spielgefühl einer Hammermechanik verzichten. Top!

Die Pianosounds sind vielleicht nicht ganz so ausgefeilt wie bei einem waschechten Stagepiano, aber sie spielen sich sehr gut. Der Flügelsound gefällt mit seinem kräftigen, breiten und warmen Sound − ganz typisch Roland. Worauf man verzichten muss − das gilt im Prinzip für alle Budget-Workstations dieser Preisklasse −, sind Saitenresonanzen und die typischen Finessen eines Stagepianos. Mit den akustischen Pianos begleiten und Solo spielen klappt auf jeden Fall!

Dafür bietet der Juno-DS88 aber eine Menge Features, die man von Synthesizern und Workstations kennt − alles hat jedoch eine klare Ausrichtung: Der Juno-DS88 will gespielt werden − ein echtes Performer-Teil mit über 1.000 Sounds für die angesagten Musikstile in Pop, Rock, Soul, Dance. Eine tolle Sache ist der 8-Spur-Pattern-Sequenzer. Im Non-Stop-Loop-Verfahren kann man immer mehr Tracks übereinander spielen und damit selber eine Performance aufbauen.

Ideal auch für den spontanen Gig um die Ecke, denn mit Batteriefach und Mikrofonanschluss kann man mit der Piano/Vocal-Performance gleich loslegen, wobei für den Mikrofonkanal viele angesagte Pitch- und Vocoder-Effekte zur Verfügung stehen. Überhaupt gefällt der Juno-DS88 mit seinem rundum modernen Sound, wobei aber die klassischen Keyboarder-Sounds keineswegs zu kurz kommen − vom traumhaften Piano-Layer für spacige Intros über aggressives Rock- und smoothes E-Pianos bis zu Pads und Synthis mitsamt gut klingender Effekte ist alles an Bord.

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Komplete-Bedienung Brandneu in Native Instruments’ ControllerKeyboard-Serie: Das Komplete S88 verbindet eine 88er-Hammermechanik- Klaviatur mit der vollen Kontroller des Mega-Software- Pakets Komplete. Außerdem integrieren die KompleteKeyboards nun auch Software- Instrumente anderer Hersteller. (Bild: Dieter Stork, Archiv)

Oder doch lieber ein Stagepiano?

Wer in erster Linie auf gute Pianosounds mit all ihren Klangdetails und Ausdrucksmöglichkeiten setzen will, sollte sich auf jeden Fall ein Stagepiano anschaffen. Einige Instrumente − vor allem die in der unteren Preisklasse − sind mit vielen Sounds vollgestopft. Aber: Hier sollte man wirklich nicht zu viel erwarten, denn meistens entpuppen sich diese Sounds dann eben doch als »Beiwerk«, will sagen: für daheim zum Komponieren und Arrangieren okay, aber beim Gig mal einen fetten Synthsound zaubern … wohl kaum.

Ein sehr gutes und dabei preiswertes Stagepiano mit dem gewissen Mehr ist das Kawai MP7. Für ca. 1.600,− Euro ist es ein waschechtes Stagepiano mit hervorragender Tastatur, das trotz seines Schwerpunkts bei guten und ausdrucksstarken Pianosounds auch jede Menge zusätzliche Sounds in ansprechender Qualität zu bieten hat. Außerdem bietet das MP7 mit seinen flexiblen Masterkeyboard-Funktionen alles, was man braucht, um ein Live-Setup in den Griff zu bekommen. Unsere Empfehlung: Das Kawai MP7 und darauf einen Solisten − z. B. einen der analogen Synthis oder auch einen virtuell-analogen. Damit hätte man ein leistungsstarkes und kompaktes LiveSetup zusammengestellt: Das Kawai MP7 liefert immer eine perfekte Basis − vom klassischen Piano über (sehr gute) Rhodes- und Wurlitzer-Sounds, Soundlayer und fette MIDI-Stacks, der zusätzliche Synth kommt zum Einsatz, wenn spezielle Sounds, Arpeggios, Solo- oder vom Piano unabhängige Pad-Sounds gebraucht werden oder es einfach mal laut und fies klingen soll.

Der Klassiker: Kurzweil.

Gesampeltes Klavier, Strings und mehr für Bühne − das gab’s zum ersten Mal mit dem legendären K250 (ab S. 22). Der Name Kurzweil zieht daher noch heute einen Goldschweif hinter sich her und kann sich am Markt mit grundsoliden Instrumenten behaupten. Unsere Empfehlung: das 2013 erschienene Kurzweil Forte. Vor allem das aufwendig gesampelte »9ft Grand«, ein Steinway-D-Flügel, ist eine echte Freude! Es klingt nicht nur voller und voluminöser als das Artis-Pendant, sondern begeistert besonders im Ausklang.

Die E-Pianos sind nochmals gelungener als schon im Artis. Sie legen den Fokus erneut auf realistische Rhodes-, Wurlitzer-, CP-70/80- und DX7-artige Sounds − die amtlichen Effekte und Amp-Simulationen inklusive. Die Wurlitzer-Pianos, die an Digitalpianos häufig schwächeln, sind hier sogar richtig herausragend − hinter diesen Kurzweil-Sounds sitzt ein richtiges Pfund.

Controller-Keyboard plus Software-Klavier.

Wer beim Klavier höchste Ansprüche an Klangdetails stellt oder ganz einfach nun mal mit dem Laptop unterwegs sein will, hat eine riesige Auswahl an Software-Instrumenten. Passend dazu gibt es auch für Elektro-Pianöre USB-Masterkeyboards mit den passenden Tasten dran. Die Qualität der Tastatur variiert hier sehr, wobei natürlich auch das Budget eine Rolle spielt. Im Unterschied zum Masterkeyboard der 80er haben die USB-Geräte heute eine andere Ausrichtung. War es damals innovativ und erstrebenswert, meterhohe Racks von MIDI-Expandern zu großen Klängen zu türmen, ist man heute deutlich smarter unterwegs: Mehrere MIDI-Outs und Zonen-Verwaltung spielen eine absolut untergeordnete Rolle bzw. finden gar nicht mehr statt. Alles übernimmt das Universaltool Audiorechner, das eine Vielzahl an Klangerzeugern, Effekten, Player-Möglichkeiten und die Einbindung externer MIDI- Instrumente möglich macht. Inzwischen haben auch die Sequenzer-Programme gelernt, dass Keyboarder Sounds layern und überblenden wollen. Bitwig Studio und auch Presonus Studio One sind da gute Beispiele − übrigens auch bezüglich der Integration von Masterkeyboards.

Interessant erschienen uns vor allem drei 88er- Geräte, das Nektar Impact LX88 allein wegen seines Budgetpreises. Für knapp unter 300,− Euro findet man reichlich Controller-Funktionalität vor, die extrem leichtgängige Tastatur aber ist zum Pianospielen auf der Bühne vielleicht nicht das Richtige − Spielspaß auf der Bühne fühlt sich deutlich anders an. Bei dem Preis darf man aber auch keine Wunder erwarten. Wer für den Heimgebrauch am Musik-Laptop viele Tasten für ganz kleines Geld braucht, sollte ruhig mal einen Blick auf das LX88 werfen.

Schon deutlich robuster ist das Arturia KeyLab 88, und auf der Tastatur fühlt man sich als Pianospieler auch gleich zu Hause. Es ist mit knapp 800,− Euro noch immer recht preiswert und wird mit Arturias Softsynth-Sammlung Analog Lab und damit tausenden Sounds geliefert. Und Obacht: Auch eine UVI-Sound-Library und die Stage-Version von Modartt Pianoteq ist dabei. Aktuell erweiterte auch Native Instruments die Komplete-S-Reihe nach oben mit einem 88er-Masterkeyboard.

Besonderheit hier ist die Ausrichtung an der hauseigenen Sound-Library bei vorbildlicher Integration, die das NI Komplete S88 zum leistungsstarken Produktionstool macht. Apropos Integration: Hier hat NI gerade mit dem aktuellen Update der Komplete-Software deutlich aufgebohrt und unterstützt die Software-Instrumente vieler Hersteller.

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