Sounddesign-Tutorial

Sounddesign: Die Retro-Rechteckwelle – Wir bauen einen NES/Game-Boy-Leadsound

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Wenn ihr diesen Artikel lest, dürften wir uns gerade auf dem Weg in die kalte Jahreszeit befinden, oder wir sind vielleicht schon mitten darin angekommen. Da macht man es sich doch gerne im Warmen auf dem Sofa gemütlich und genießt neben Glühwein und Plätzchen das eine oder andere Videospiel. Dabei werden – zumindest bei mir – immer wieder die Kindheitserinnerungen wach, und ich denke an viele Zocksessions vor meinem guten, alten NES zurück.

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Die meisten von uns, die in den 70ern oder 80ern geboren wurden, dürften sicherlich mal mit Nintendos allseits beliebtem Entertainment System, kurz NES, oder seinem tragbaren Cousin, dem Game Boy, in Kontakt gekommen sein. Und sicherlich können sich viele von euch auch noch an den sehr charakteristischen Sound dieser Geräte und die ohrwurmigen Melodien der zugehörigen Spiele erinnern. Dabei traf man in vielen Spielen immer wieder auf die gleichen oder sehr ähnlichen Sounds. Das ist der Tatsache geschuldet, dass der Soundchip des NES sehr limitiert ist: Er verfügt über fünf Kanäle, von denen zwei lediglich Rechteckwellen mit vier unterschiedlichen Pulsweiten ausgeben können. Ein weiterer Kanal erzeugt eine Dreieckswelle, einer erzeugt Noise, und der fünfte Kanal ermöglich minimales Sampleplayback – wird jedoch selten genutzt. Der Soundchip des Game Boys ist dem des NES sehr ähnlich – er verzichtet auf die Dreickswelle und bietet dafür ein paar andere Kleinigkeiten, die uns an dieser Stelle jedoch nicht interessieren müssen.

Wir sehen also, dass durch die eingeschränkten Möglichkeiten die Soundvarianz nicht allzu hoch sein konnte. Außerdem kommt noch erschwerend hinzu, dass man mit den  Leadsound, sondern gegebenenfalls auch einen Bass oder Drums erzeugen möchte. Wenn diese Sounds gleichzeitig erklingen sollen, gehen da also schon so einige Kanäle flöten. Eine beliebte Aufteilung war daher oft die, dass die beiden Rechteck-Kanäle den Leadsound erzeugen, der Dreieck-Kanal den Bass und der Noise-Kanal die Drums bzw. Percussion.

Die Basics

Wir müssen uns bei unserem Sound glücklicherweise nicht sklavisch an dieses Setup halten, aber dennoch werden zwei Rechteckwellen die Hauptarbeit leisten und einen Klang bilden, den viele sicherlich wiedererkennen werden. Der Sound dürfte sich übrigens mit so ziemlich jedem Synthesizer erstellen lassen, der über zwei Oszillatoren mit

Rechteckwellenformen verfügt. Ich verwende in diesem Artikel Vital, den sich jeder unter https://vital.audio kostenlos herunterladen kann.

Wir aktivieren also zwei Oszillatoren und stellen beide auf eine Rechtseckwelle mit 50 % Pulsweite. Osc 2 stimmen wir eine Oktave nach oben und detunen ihn um 6 Cent. Außerdem reduzieren wir die Lautstärke von Oszillator 2, sodass sie nur noch ca. 50 % der von Oszillator 1 entspricht. Voilà: Der Sound ist in seinem Grundsetup schon fast fertig und dürfte bereits klar erkennbar sein.

Um den Retro-Charakter zu verfeinern, aktivieren wir außerdem den Noise-Generator und mischen dem Klang dezentes Weißes Rauschen hinzu. Sobald der Sound dadurch etwas brillanter und krisseliger erscheint, haben wir ein passendes Level erreicht.

Vitals Modulatoren, hier angepasst an unser Preset, sind sehr flexibel. So können die LFOs auch als Multi-Stage-Envelopes fungieren.

Modulationen

Unser Sound verfügt über zwei sehr einfache Modulationen. Zunächst passen wir die Amp-Hüllkurve so an, dass Sustain auf 0 und die Decay-Zeit auf ca. 3 Sekunden stehen. Release und Attack können wir auf kurzen Default-Werten belassen. Mit diesem Setting können wir den Sound sowohl sanft ausklingen als auch staccatoartig stoppen lassen.

Zudem brauchen wir für den typischen Sound noch ein dezentes Vibrato. Wir verwenden einen LFO mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 6,5 Hertz (ca. 153 ms in Vital) und einer Dreieckwellenform und modulieren damit den Tune-Parameter beider Oszillatoren leicht unterschiedlich mit einer Intensity von ca. 0,14 und 0,12.

Damit ist unser Sound prinzipiell fertig, und wir können ihn noch mit einigen Effekten abrunden.

Effekte

Auch wenn weder NES noch Game Boy über klassische Effekte verfügen, hält uns das nicht von ihrer Anwendung ab. Generell profitiert unser Sound von etwas Reverb oder Delay. Um zusätzliche Breite und Schwebungen hinzuzufügen, können wir außerdem einen dezenten Chorus beimischen. Wer außerdem den Retro- und Chiptune-Charakter stärker betonen will, kann sich an verschiedenen Bitcrusher-Einstellungen versuchen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, weil der Sound auch schnell zu kaputt wirken kann. Ein Bitcrusher mit einstellbarem Mixanteil ist daher für diese Aufgabe am besten geeignet.

Viel Spaß beim Experimentieren!

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