Musik zur Einheit

Kosmonautenmusik – Berliner Elektroprojekt Pond

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(Bild: M. Nachtigall)

Auch in der ehemaligen DDR produzierte man elektronische Musik. Als Stars der zugegebenermaßen überschaubaren Szene gelten Pond, das musikalische Baby des Berliners Paule Fuchs. Im Frühjahr 2018 feierten Pond mit einer Reihe spektakulärer Konzerte den 40. Geburtstag.

Pond werden gerne als »Tangerine Dream aus Ost-Berlin« bezeichnet. Mastermind Paule Fuchs hat damit kein Problem. Der Vergleich hinkt jedoch ein wenig: Zwar zählen beide Bands in ihrem jeweiligen Wirkungskreis zu den ersten populären Nutzern elektronischer Instrumente, und beide sind noch immer aktiv. Allerdings startete Paule zunächst als Drummer und Pond als waschechte Prog-Rock-Band. Erst später vollzog sich der Wandel zu rein elektronisch produzierten Sounds. Darüber hinaus bestand für Pond zumindest bis 1989 die Notwendigkeit, sich mit gewissen Gegebenheiten anzufreunden, die ein Künstlerleben in der DDR zwangsläufig mit sich brachte.

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Die »Wende« erforderte schließlich einen künstlerischen und konzeptionellen Neustart mit viel Improvisationstalent. Glücklicherweise hat Pond alle Hürden und Systemwechsel (die großen und die kleinen) überstanden und seinen Vierzigsten mit einer Reihe hoch interessanter Konzerte gefeiert. Als Locations wählte Paule Fuchs u. a. die Kulturkirche in Stralsund, das Ernst Barlach Theater in Güstrow sowie das Zeiss-Planetarium Berlin Prenzlauer Berg. Letzteres zählt weltweit zu den größten und modernsten Einrichtungen seiner Art – ein wahrhaft passender Ort, um Ponds »Kosmonautenmusik« akustisch und visuell adäquat zu präsentieren. Im Anschluss trafen wir Paule Fuchs, um mit ihm über das Gesamtkunstwerk Pond zu plaudern.

Pond werden gerne als »Tangerine Dream aus Ost-Berlin« bezeichnet …

Das ist vollkommen ok für mich – als großer Fan fühle mich dadurch sogar geehrt. Der Bezug ist ja wirklich vorhanden, wenn auch nicht so vordergründig wie manchmal dargestellt. Ich bewundere T.D. und hatte 2007 sogar Gelegenheit, mit Edgar Froese zusammen zu spielen. Unser drittes Album Maschinenmensch haben wir 1990 teilweise bei Chris Franke aufgenommen.

Man sagt, der Kunst- und Musikbetrieb in der DDR unterlag einer strengen staatlichen Kontrolle. Wie seid ihr mit einer solchen Bevormundung umgegangen?

Man kam an diesen Dingen nicht vorbei und musste  damit leben. Wirklich problematisch konnte die Sache erst dann werden, wenn man mit Texten gearbeitet hatte. Da musste man sich einiges einfallen lassen, um eine möglicherweise kritische Message passend zu verpacken. Bei Pond war das unproblematisch, denn es gab ja keine Texte. Somit habe ich mich auch nicht wirklich künstlerisch eingeschränkt gefühlt.

Wesentlich nerviger war die Tatsache, dass man dem Staat sein »Können« unter Beweis stellen musste, um die Möglichkeit zu erhalten, professionell Musik zu machen. Dazu musste jeder angehende Profi ein Musikstudium absolvieren. Im Nachhinein konnte ich dieses Wissen jedoch sehr gut nutzen.

Hatte man den Status eines Berufsmusikers erreicht, wurde man unterstützt?

Eigentlich nur, wenn auch Erfolge zu verzeichnen waren. Also dann, wenn die Musik beim Publikum gut ankam. Man bekam dann die Möglichkeit, eine Reihe von eigenen Titeln im Studio des Rundfunks zu produzieren. Unsere beiden ersten Alben produzierten wir somit im Studio 4 des legendären Berliner Funkhauses. Dabei entstand 1982 auch unser bislang größter Hit Planetenwind.

Hättest du andere Musik gemacht, wenn du in Westberlin zu Hause gewesen wärst?

Gute Frage … Vielleicht hätte ich ja etwas vollkommen anderes gemacht …? Nein, ich glaube, meine Musik wäre mehr oder weniger dieselbe gewesen. Neben Drums und Prog-Rock waren Keyboards und Elektronik einfach mein Ding. Als ich Tangerine Dream im Radio gehört habe und das berühmte Foto von Klaus Schulze sah – wie er zwischen seinen Synthies auf dem Fußboden sitzt –, war ich infiziert und hatte als größten Wunsch, so etwas auch zu machen. Das hätte im Westen sicher auch nicht viel anders passieren können.

Bekanntermaßen konnte man elektronische Instrumente in der DDR nicht so einfach kaufen. Wie bist du an dein Equipment gekommen?

Stimmt – kaufen konnte man manchmal Akkordeons. Schon bei Gitarrensaiten wurde es schwierig. (lacht) Man musste Beziehungen aufbauen und nutzen. Also Leute finden, die einem das Zeug aus dem Westen mitbrachten. Hatte man diese Hürde genommen, mussten die Instrumente finanziert werden. Auf den Westpreis musste man das Vier- bis Achtfache draufrechnen. Das hieß auftreten, auftreten, auftreten, sparen, sparen, sparen, Geld leihen, Kredite usw. Glücklicherweise waren die Lebenshaltungskosten damals nicht so hoch.

Hattet ihr den westlichen Synth-Markt auf dem Schirm?

Auf jeden Fall. Ich habe so oft wie möglich das Fachblatt-Magazin gelesen – vor allem die Kleinanzeigen. Wir wussten schon, was es gab. Wir kamen nur sehr selten dran.

Welcher war dein erster Synth?

Ein Roland SH-2000. Danach kam ein ARP Odyssey, noch heute mein Lieblingssynth. Weiter ging es mit Roland Promars, einem System 104 Sequencer, und sogar einen VP-330 Vocoder konnte ich finden. Der Promars samt Sequencer war dann oft der Bass-Synth, auf dem Odyssey habe ich die Melodien gespielt. Drums habe ich mit den MFB-»Keksdosen« (frühe MFB-Geräte mit Dosen-ähnlichem Plastikgehäuse; Anm.d.Red.) gemacht.

Hast du diese Synths gezielt aussuchen können?

Nee, das waren zunächst alles Zufallstreffer. Man nahm, was man bekommen und halbwegs bezahlen konnte. Mein Polymoog gehörte zuerst Tangerine Dream. Die hatten ihn bei ihrem legendären Gig im Palast der Republik dabei. Über einige Umwege ist er etwas später in meinen Besitz übergegangen. Der klang toll, war aber sehr anfällig und schwer. Deshalb musste er leider irgendwann gegen einen Korg Poly-61 ausgetauscht werden. Das ständige Touren hat einen gewissen Pragmatismus erfordert.

In der DDR gab es Vermona, und auch in der UdSSR wurden Synths gebaut. Wären die nicht die erste Wahl gewesen?

Dass Vermona einen Synthesizer gebaut hatte, habe ich erst lange nach der Wende mitbekommen. Und von den russischen Teilen hatte ich auch nichts auf dem Schirm. Insofern war das keine Alternative. Zudem war es viel cooler, »West-Instrumente« zu verwenden. Dagegen konnte kein Vermona anstinken – auch wenn der eigentlich sehr gut klang …

Du warst zwangsläufig in der Auswahl deiner Produktionsmittel eingeschränkt. Heute steht dir fast alles zur Verfügung. Ist das ein Vorteil?

Es ist natürlich schon toll, wenn man sich seine Instrumente fast nach Lust und Laune aussuchen kann. Aber letztlich beschränkt man sich doch auf eine bestimmte Auswahl und arbeitet damit intensiv. Heute sind das im Wesentlichen meine vier Roland MIDI-Expander (2x XV-3080, XV-2080, Integra-7; Anm.d. Red.). Damit habe ich eine Unzahl von sehr guten Sounds zur Verfügung. Gibt es zu viele Auswahlmöglichkeiten, verzettelt man sich. Außerdem bestünde dann die Gefahr, die Stücke zu selbstverliebt zu gestalten. Hier noch ein Sound mehr und da noch einer … Und das will dann keiner hören.

Deine vier Pond-Geburtstagskonzerte fanden allesamt an interessanten Orten statt. Wie kommst du an solche Locations?

Wir hatten schon immer einen Draht zu außergewöhnlichen Auftrittsorten. Wir haben in einem Stahlwerk gespielt und auch einmal unter Tage in einem Besucherbergwerk im Erzgebirge. Das hatte eine geile Atmosphäre, war aber eine ziemlich feuchte Angelegenheit. Wir hatten echt Angst um das Equipment … In Planetarien hatten wir schon mehrfach gespielt. Da lag es nahe, auch dort wieder aufzutreten.

Eure Lightshow ist seit Langem etwas Besonderes …

Ich fand das immer sehr wichtig, eine solche Musik auch optisch passend zu inszenieren. Wir hatten uns dazu seinerzeit etwa 300 Dias von einem Fotografen aus Halle anfertigen lassen. Die konnten wir mit drei Projektoren überblenden. Und wir hatten einen Laser! Ich habe das Teil etwa 1980 gegen ein Commodore Floppy-Laufwerk getauscht. (lacht) Wir hatten uns dazu auf einem Brett eine Anordnung aus Zahnarztspiegeln und Glasscheiben gebaut und konnten so einige Muster erzeugen. Im Saal musste es dazu stockdunkel sein, sonst hätte man den Laser nicht gesehen. Heute hat jeder Taschenlaser mehr Power, aber damals war das ein Knaller! Heute nutzen wir, zumindest bei den Gigs in den Planetarien, möglichst viel von der dort installierten Showtechnik.

Welche Pläne hast du für die kommenden 40 Jahre?

Als Nächstes erscheint die DVD Die Pond-Story mit altem Bild- und Tonmaterial. Dazu erscheinen alle Pond-Alben im Schuber als Der Pond-Cube. Danach sehen wir weiter …

www.pond.de

40 Jahre Pond

Zum vierzigjährigen Bestehen von Pond erschien im vergangenen Jahr eine CD/DVD mit den Konzert-Highlights der gesamten Pond-Geschichte. Parallel erschien das äußerst unterhaltsame Pond-Buch mit zahllosen Infos und Anekdoten des »staatlich geprüften Rockmusikers« Wolfgang »Paule« Fuchs. Nicht nur für Pond-Fans ein echtes Muss!

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