Good Vibrations

Elektronische Musikinstrumente im Musikinstrumenten-Museum Berlin PK

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Üblicherweise sind elektronische Musikinstrumente in staatlichen Museen noch immer unterrepräsentiert. Nicht so in Berlin: Neben Saiten und Luftsäulen schwingen hier derzeit auch Oszillatoren und Lautsprechermembranen. Good Vibrations – Ein Rundgang: In Sieben Abteilungen vermittelt die Ausstellung eine Vorstellung von der Vielfalt elektronischer Musikinstrumente – Seite an Seite finden sich Kuriositäten aus der Frühzeit der Elektrophone, klassische Synthesizer und Sampler sowie alternative Controller und schließlich Musik-Software. 

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Seit dem 25. März widmet sich das Berliner Musikinstrumenten-Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einer Sonder-Show der elektronischen Klangerzeugung. Auf über 300 m2 vermitteln 70 Exponate und eine Konzertreihe die Welt von Sägezahn, Rechteck, Samples und Co. Dabei dreht es sich nicht ausschließlich um Synthesizer. Auch ein lückenloser historischer Überblick ist nicht das erklärte Ziel der Kuratoren − vielmehr vermitteln sieben Abteilungen die Vielfalt der Elektrophone vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

2 In der Synthesizer-Abteilung finden sich Klassiker von Moog, Buchla, EMS, Sequential Circuits und Yamaha neben Raritäten wie Frank Zappas EMU-Modularsystem und einer Steim Black Box. Besonders interessant sind die Instrumente aus der Frühzeit der E-Technik wie das Ondes Martenot (1930), das Volks-Trautonium (1932) und Clavioline (1950).


Beim Rundgang durch die Ausstellung entdeckt der Besucher zunächst strombetriebene Klangerzeuger aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dazu zählen etwa  Theremin, Ondes Martenot, Hammond-Orgel und (Mixtur-)Trautonium. Parallel dazu finden sich klassische Synthesizer. Das Spektrum reicht vom Modular-System bis zum DX7. Die Abteilung »Aufnahme und Wiedergabe« präsentiert Tape-basierte Instrumente wie das Mellotron, mehrere Sampler und sogar ein DJ-Setup mit zwei Technics-Plattenspielern und MPC2000. Eine weitere Abteilung zeigt Rhythmusmaschinen. Der Wurlitzer Sideman von 1959 ist ebenso vertreten wie TR-808, Linndrum und NI Maschine. Auch ein Simmons-Drumset fehlt nicht.

»Alternative Controller« vermittelt Ideen zur Instrumenten-Steuerung jenseits der traditionellen Tastatur. Man denke an Lyricon, MIDI-Blaswandler und verschiedenste Sensoren. Zum Thema »Software« finden sich antike Rechner wie Atari ST und Yamaha CX5M mit entsprechender Software, aber auch moderne Tools für Tablet und Smartphone. »Werkstatt« schließlich zeigt Instrumente und Controller, die im Rahmen von Hochschulprojekten entwickelt wurden.

1 Infotexte, Audioguides und Streams geleiten den Besucher durch die Ausstellung. Im Hintergrund das Mixturtrautonium.

In jeder Abteilung findet sich zumindest ein für den Besucher spielbares Instrument. Neben einer kurzen Beschreibung lassen sich weitere Informationen über einen Audio-Guide oder über die »Shoutr.Boxx« beziehen. Letztere erlaubt während des Rundgangs den Stream von weiterführenden Infos, Fotos und Sound-Demos auf das Smartphone oder Tablet. Der ansprechend gestaltete Ausstellungskatalog mit CD ist im Museum und im Buchhandel erhältlich. Auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist diese Ausstellung in Form und Umfang derzeit einzigartig. Keine öffentlich zugängliche Sammlung bietet mehr Exponate aus dem Bereich der elektronischen Musikinstrumente als Good Vibrations. Unbedingt erwähnenswert sind zudem die begleitenden Konzerte, Workshops und Führungen − ein Muss für Fans!

Die Auswahl reicht von Fairlight bis Technics 1210 und MPC2000. Kurios: Der »Special Purpose Tape Recorder« von 1961 ähnelt einer »Studioversion« des Mellotrons. Er spielt zehn Tonbandschleifen simultan ab und wurde vom Kanadier Hugh Le Caine insgesamt viermal in unterschiedlich komplexen Varianten gebaut.

Mehr Infos unter:
www.mim-berlin.de
www.facebook.com/GoodVibrationsMiMPK


№2/3 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • Mit Mark Forster auf Tour
  • MANDO DIAO IM INTERVIEW
  • Amy Lives: Xanthoné Blacq
  • Ströme− Eurorack Clubbing
  • MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
  • Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
  • NONLINEAR LABS C15
  • AKAI MPC LIVE
  • GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Kurator Benedikt Brilmayer über die Entstehung von Good Vibrations

Benedikt, wie kam die Ausstellung zustande?

Als ich 2015 meine Assistentenstelle im Museum antrat, gärte die Idee schon länger. Als großer Fan der frühen Elektrophone wie etwa Theremin, Ondes Martenot und Trautonium lag es nahe, diese Idee aufzugreifen. Zusammen mit meiner Kollegin und Co-Kuratorin Sarah Indriyati-Hardjowirogo − sie ist Expertin für aktuellere elektronische Instrumente − war es nun möglich, ein Konzept zu erarbeiten. Mitte 2016 erhielten wir eine Zusage, und die eigentliche Arbeit konnte starten.

Wie stellt sich das Ausstellungskonzept dar?

Wir wollten keine lückenlose historisch-technische Übersicht liefern, sondern die Vielfalt der elektronischen Instrumente erfahrbar machen. »Was gab und gibt es?«, ist die zentrale Fragestellung.

Wie und wo habt ihr die Exponate aufgetrieben?

Da gibt es im Wesentlichen drei Quellen: Die museumseigene Sammlung − in den Lagerräumen schlummert so einiges, was nicht in der Dauerausstellung zu sehen ist. Dazu kommen andere Museen weltweit und schließlich private Leihgeber. Vor allem durch die Kontakte zu Letzteren haben sich viele Optionen ergeben − sogar so viele, dass man eigentlich gleich eine neue und größere Ausstellung planen könnte.

Warum liefern nur einzelne Exponate Klangbeispiele?

Den Exponaten Klänge zu entlocken, ist tatsächlich kompliziert. Gerade bei eingelagerten Instrumenten und Leihgaben von anderen Museen ist der technische Zustand oftmals völlig unklar. Wir dürfen jedoch aus rechtlichen Gründen ihren gegenwärtigen Zustand nicht verändern. Wir dürfen sie nicht einmal einschalten. Auch Songs, in denen bestimmte Instrumente zu hören sind, können wir nicht in unseren Audio-Guide einbinden − da macht uns leider die GEMA einen Strich durch die Rechnung. Wo es mit vertretbarem Aufwand möglich war, haben wir die Instrumente hörbar gemacht.

Welches sind deine Lieblings-Exponate?

Als großer Fan der frühen Elektrophone fasziniert mich besonders das Theremin. Es vereint Instrument und »alternativen Controller«. Das Ondes Martenot halte ich für das schönste Exemplar der Ausstellung − ein handwerklich-technisches Meisterwerk. Buchlas Music Easel und der DX7 sind sehr spannende Synthesizer. Der DX7 wird immer einen »Aha-Effekt« auslösen. Der »Special Purpose Tape-Recorder« zählt sicher zu den interessantesten Kuriositäten der Ausstellung.

Wie ist bisher die Akzeptanz des Publikums?

Good Vibrations dürfte zu den Highlights unter den bisherigen Ausstellungen des Musikinstrumenten-Museums zählen. Nicht zuletzt durch die Superbooth fanden sich vor allem im April auch zahlreiche internationale Besucher sowie prominente Musiker und Instrumentenentwickler hier ein.

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Benedikt Brilmayer ist Kurator der Ausstellung »Good Vibrations«. Der studierte Musikwissenschaftler, Kulturmanager und Psychologe ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter des Musikinstrumenten-Museums Berliner PK und arbeitet zudem als Dozent an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart sowie an der Universität der Künste Berlin. Seine Doktorarbeit schrieb er über das Trautonium.

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