In der Zeitmaschine

Moog System 15

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Als Moog Music im Frühjahr 2014 fünf Rekreationen von Keith Emersons Monster-Moog zum Kauf anbot, dachte man zunächst an einen Aprilscherz. Zwei Jahre später ist die Welt tatsächlich um 245 Modular-Moogs reicher. So original und echt wie nur irgend möglich … sagt Moog. Was steckt drin im neuen Modular-Moog?

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Für zahllose Synthie-Fans ist ein klassischer Modular-Moog noch immer der Synthesizer schlechthin. Allerdings ein nahezu unerfüllbarer Traum − sind doch die Originale rar und immer seltener auf dem Gebrauchtmarkt anzutreffen. Es gibt zwar Nachbauten, aber die befriedigen den echten Connaisseur üblicherweise nur unvollständig. Und nun also Moogs Neu – auflage. Wir nehmen das System 15, das kleinste Modell von Moogs Modularen – das aber schon stolze 10.000 Dollar kostet – stellvertretend für alle drei Modellreihen unter die Lupe.

Sehen und Fühlen

Dieser »kleine« Modular-Moog wirkt überraschend groß und bringt mit seinem Tolex-bezogenen Spanplattengehäuse spürbar mehr auf die Waage als beispielsweise sein damaliger Konkurrent ARP 2600. Hochwertige Patch- und Cinch/ Jones-Kabel (Switch-Trigger) werden reichlich mitgeliefert. Zum Lieferumfang gehört ebenso ein gebundenes Handbuch im Original-Layout mit leicht gelblichem Papier − sehr authentisch …

Noch bevor der erste Ton erklingt, wird man sich bewusst, etwas Besonderes vor sich zu haben. Das Ding sieht wirklich aus, wie mit der Zeitmaschine angereist: Von der feinen Beschriftung auf den Alu-Frontplatten über die anachronistischen Cinch/Jones-Trigger-Buchsen bis hin zur Netz-Glühlampe ist jedes Detail perfekt und vom Vintage-Instrument auch bei genauester Betrachtung nicht zu unterscheiden. Gleiches gilt für die unvergleichliche Haptik: Schalter, Drehschalter und Regler fühlen sich absolut erstklassig an − fester Sitz und genau der richtige Drehwiderstand. Die Patch-Buchsen saugen die Stecker förmlich ein.

Der unfreiwillige Blindtest auf dem diesjährigen Moog Superbooth- und Musikmesse-Stand spricht für sich: Auch dem Autor dieser Zeilen blieb zunächst verborgen, dass es sich beim dort ausgestellten System 15 um ein Vintage-Exemplar handelte. Erst ein entsprechender Hinweis sorgte für Aufklärung.

Hören und Fühlen

Sahnig weich und abgrundtief schieben sich die Sounds aus den Lautsprechern − »Moouug« macht’s und lässt die umliegende Bausubstanz erzittern … Auch Mitten und Höhen klingen seidig und präzise. Richtig »fiese« FM-Sounds werden in allen Lagen ohne unangenehme Schärfe erzeugt. Die Skalierung der Hüllkurven scheint im Zusammenspiel mit den beiden VCA-Betriebsmodi zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig. Mit etwas Feingefühl liefern die ADSRs jedoch genau das, was man von einem echten Moog so gerne hören möchte: knackigen und präzisen Wumms.

Das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Oberliga-Instrument ist die Tatsache, dass es quasi komplett den Specs aus den 70er-Jahren entspricht. An diesen Sound kommen auch Reissues wie der Minitaur oder Taurus 3 aus gleichem Hause nicht heran.

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“Noch bevor der erste Ton erklingt, wird man sich bewusst, etwas besonderes vor sich zu haben.” (Bild: Matthias Fuchs, Archiv)

Moog System 15

Zwischen 1973 und 1981 gebaut, war das System 15 die transportable Variante des legendären Moog-Monstrums. Tatsächlich setzten zahlreiche Musiker das System auch live ein − darunter Jan Hammer (mit obligatorischem Umhänge-Keyboard), »Mr. Synergy« Larry Fast oder der Uriah-Heep-Keyboarder Ken Hensley. Den wahrscheinlich prominentesten Auftritt verdankt das System 15 Harold Faltermeyer − 1988 spielte er damit die Bassline von Axel F aus dem »Beverly Hills Cop«- Soundtrack ein.


Über Hintergründe und Produktion der neuen alten Systeme sprachen wir mit Trent Thompson von Moog

Trent, die wohl am heißesten diskutierte Frage zu den neuen Moog Modular-Systemen lautet sicher: Wie »echt« sind die neuen Systeme? Was ist darin wirklich alt? Was ist neu, was »New Old Stock«?

Wir bauen die neuen Moog Modulars exakt nach den Standards und Spezifikationen aus den 1970er-Jahren. Dazu hat Brian Kehew (Synthesizer-Guru und Mitglied bei »The Moog Cookbook«; Anm.d.Red.) in fast zweijähriger Detektivarbeit nahezu sämtliche Original-Unterlagen aufgestöbert. Wirklich alles wird danach per Hand gefertigt − exakt wie damals. Wir arbeiten mit den Originalfilmen zur Herstellung der Platinen. Die Frontplatten fertigen wir mit Original- Maschinen. Die waren noch vorhanden und ließen sich tatsächlich wieder einsatzbereit machen.

Die Bauteile haben wir unter der obersten Vorgabe ausgewählt, den Klangcharakter der Originalmodule so exakt wie nur möglich zu treffen. Wo es machbar und technisch sinnvoll ist, nehmen wir NOS (New Old Stock)-Teile. Bei bestimmten Funktionsgruppen ist jedoch die Verwendung von Bauteilen aus aktueller Fertigung durchaus sinnvoll: Dank geringerer Toleranzen dürften die neuen Module somit wirklich dem entsprechen, was sich Bob seinerzeit beim Entwurf der Schaltungen vorgestellt hat, aber aufgrund mangelnder Bauteilpräzision zu Lebzeiten nie ganz erreichen konnte − ein interessanter Aspekt, wie wir finden.

Wie geht ihr vor, wenn Spezialteile erforderlich sind − etwa die Spulen in den Festfilter-Bänken?

Die lassen wir beim Spulen-Spezialisten Cinemag von Hand wickeln. Auch hier kommen die Ergebnisse den Original-Spezifikationen näher, als das die Bauteile in den Vintage-Modulen jemals vermochten.

Was für eine Art von Netzteil verwenden die neuen Systeme?

Wir haben uns für moderne Linear-Netzteile entschieden, die etwa 30 bis 50% über den notwendigen Spezifikationen liegen. Sie sind wesentlich zuverlässiger als die Originale und ermöglichen zudem einen problemlosen Betrieb weltweit.

Wie viel Zeit nimmt die Fertigung eines Systems in Anspruch?

Momentan benötigt ein eingespieltes und hoch qualifiziertes Team von sechs Mitarbeitern einen ganzen Monat (mit 40 Wochenstunden), um fünfzehn 15er-Systeme herzustellen. In der gleichen Zeit lassen sich drei Systeme 35 oder zwei Systeme 55 fertigstellen. Für die Montage eines 921- Oszillators benötigt ein Kollege fünf Stunden, für ein 960er-Sequenzer-Modul sogar ganze fünf Arbeitstage. Das erklärt die langen Lieferzeiten der Systeme.

Warum hat sich gerade Moog so lange Zeit gelassen, um im aktuellen Modular-Boom mitzuspielen?

Haben wir das wirklich? Die Arbeit an den neuen Systemen begann vor immerhin fünf Jahren. Und wenn Moog Music so etwas anfängt, dann richtig, und nicht, um auf die Schnelle Trends zu befriedigen. Wir wollten es »richtig« machen, und ich glaube, das ist uns rundum gelungen.

Könnten die Rekreationen der klassischen Moog ModularSysteme ein Teaser für zukünftige, neue Module sein?

Dazu kann ich momentan wenig sagen. Nur so viel: Wir versuchen, sehr genau auf unsere Kundenwünsche zu hören.


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KEYBOARDS 4/2016

Das sind die Themen dieser Ausgabe:

  • Sampletalk mit And.Ypsilon (Die fantastischen Vier)
  • Tobias Enhus spricht über sein Synclavier
  • Die Groove-Mutter: Yamaha RS7000
  • Real Samples – Historische Tasteninstrumente digitalisiert
  • Software-Sampler am Rande der Wahrnehmung
  • Korg DSS-1 als Hardware-Plug-in
  • Cinematique Instruments – Filmreife Sample-Instrumente
  • Groovesampler in der Praxis
  • Die Mellotron-Story
  • Vintage Park: Fairlight CMI
  • Transkription – Ten Sharp: You

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