Der kompakte Guide für Musiker:innen – elektrisch korrekt, musikalisch sinnvoll, praxisnah.
Warum die Wahl des Eingangs deinen Sound macht
Mic, Line oder Hi‑Z? Viele Probleme in Homerecording‑Setups entstehen nicht durch Plugins, sondern durch die erste Entscheidung: An welche Buchse schließe ich an? Ein Mikrofon liefert extrem kleine Spannungen und braucht Vorverstärkung; ein Synthesizer kommt bereits auf Gerätestandard; eine passive E‑Gitarre erwartet eine hochohmige Last. Wer diese Unterschiede beachtet, verhindert Rauschen, Verzerrung und Höhenverluste – und gewinnt Headroom, Klarheit und Spielgefühl.
Grundlagen kompakt: Pegel, Impedanz, Symmetrie
Pegel. In Studios gilt +4 dBu (1,228 V RMS) als Referenz; Consumer‑Geräte arbeiten oft bei −10 dBV (0,316 V RMS). Mikrofone liefern hingegen −60 bis −40 dBu, also winzige Spannungen, weshalb ein Preamp 20–60 dB sauberes Gain bereitstellt. Passive Instrumente bewegen sich je nach Anschlag zwischen einigen zehn und einigen hundert Millivolt.
Impedanz. Für saubere Übertragung gilt „Bridging“: Die Eingangsimpedanz sollte deutlich höher sein als die Quellimpedanz. Mic‑Quellen haben ca. 150–300 Ω, Mic‑Inputs meist 1,5–3 kΩ oder mehr. Line‑Inputs liegen bei 10–50 kΩ. Hi‑Z‑Inputs bieten 1–10 MΩ, ideal für Pickups und Piezos. Die Last beeinflusst den Resonanzkreis passiver Tonabnehmer und damit Brillanz, Biss und Attack.
Symmetrie. Symmetrische Leitungen (XLR, TRS) übertragen Störungen als Gleichtakt und heben sie am Eingang auf; sie eignen sich für lange Wege. Unsymmetrische Leitungen (TS, Cinch) sind empfindlicher und sollten kurz gehalten werden. Viele Line‑Verbindungen im Pro‑Bereich sind symmetrisch, Gitarrenpickups dagegen nie.
Mic‑Eingang: feinfühlig, rauscharm, formbar
Der Mic‑Eingang nimmt kleinste Spannungen entgegen und hebt sie auf Arbeitsniveau. Er bietet oft schaltbare Phantomspeisung (+48 V) für Kondensatormikrofone, ein Pad (z. B. −20 dB) für laute Quellen und manchmal ein Hochpassfilter gegen Trittschall. Dynamische Mics lieben rauscharmes, kräftiges Gain; Kondensatoren benötigen Phantom; passive Bändchen verlangen viel, aber sanftes Gain und eine sichere, fehlerfreie Verkabelung ohne Phantom auf wackeligen Adaptern.
Musikalisch wirkt der Preamp als klangbildender Schritt: Neutralität sorgt für Transparenz, charaktervolle Stufen liefern feine Sättigung und Grip. In 24‑Bit‑Setups ist konservatives Einpegeln klug: Lege den Arbeitsmittelpunkt bei etwa −18 dBFS, gib Peaks Luft und nutze das Pad, wenn nötig.
Line‑Eingang: transparenter Teamplayer für Gerätesignale
Line‑Inputs erwarten „fertige“ Pegel. Im Pro‑Bereich kommen sie symmetrisch bei +4 dBu, im Consumer‑Umfeld unsymmetrisch bei −10 dBV. Viele Interfaces lassen sich darauf umschalten; andernfalls trimmt man so, dass in der DAW wieder −18 dBFS als nominaler Mittelpunkt anliegt. Synthesizer, Drum‑Machines, Sampler, Outboard‑Preamps oder Mischpultausgänge gehören hierher. Für Stereo nutzt du zwei Line‑Kanäle links/rechts; halte unsymmetrische Kabel kurz. Phono‑Plattenspieler brauchen zuerst einen RIAA‑Phono‑Pre, erst dann geht es per Line ins Interface.
Musikalisch steht Line für Klarheit, definierte Transienten, stabile Breite. Du hörst exakt, was die Quelle liefert – ohne unnötige Färbung durch zusätzliche Vorverstärkung.
Hi‑Z/Instrument‑Eingang: das Zuhause passiver Pickups
Hi‑Z bedeutet hohe Eingangsimpedanz, meist 1 MΩ oder mehr. Das sieht ein passiver Tonabnehmer gerne, denn so bleibt seine Resonanzspitze erhalten; wird die Last zu niedrig (Line‑In), verschwinden Präsenz und Höhenluft. Aktive Pickups besitzen bereits einen Impedanzwandler, sind niederohmiger und funktionieren häufig auch am Line‑Eingang. Piezos profitieren von sehr hohen Impedanzen (5–10 MΩ); eine aktive DI oder ein Akustik‑Pre vorm Mic‑Preamp ist hier oft klanglich überlegen.
Musikalisch entscheidet Hi‑Z über Spielgefühl, Attack und Authentizität – vor allem, wenn Amp‑Simulationen gefüttert werden oder später Re‑amping geplant ist.
DI‑Box, Reamp‑Box & kreative Umwege
Die DI‑Box wandelt hochohmig/unsymmetrisch (Instrument) in niederohmig/symmetrisch (Mic). Passive DIs mit Übertrager dämpfen heiße Quellen elegant; aktive DIs bieten extrem hohe Eingangsimpedanzen – ideal für Piezo. So kann man lange Strecken störarm übertragen und den gewünschten Mic‑Preamp als Klangformer nutzen. Die Reamp‑Box kehrt den Weg um: Line‑Pegel aus der DAW werden auf Pickup‑Level und passende Impedanz gebracht, damit Amps und Pedale korrekt angesteuert werden.
Kreativ darf man Regeln brechen: Eine Drum‑Machine leicht in einen charaktervollen Mic‑Pre mit Pad fahren, um Körnung zu gewinnen; eine Gitarre bewusst über Line abdunkeln; eine Trafo‑DI als subtilen Klebstoff nutzen. Entscheidend ist, dass man diese Effekte absichtlich und reproduzierbar einsetzt.
Phantomspeisung: Sicherheit zuerst
+48 V gehört ausschließlich an den Mic‑Eingang und nur dann, wenn ein geeignetes Gerät angeschlossen ist. Passive Bändchen und Gitarren am XLR mit Phantom sind ein Risiko – also erst abschalten, dann umstecken, danach wieder einschalten. Auf Line‑ oder Hi‑Z‑Buchsen hat Phantom nichts zu suchen.
Gain‑Staging: vom Eingang bis zur DAW
Arbeite mit Reserve statt am Limit. −18 dBFS als digitales „0 VU“ hat sich bewährt; mit 24 Bit geht Qualität nicht verloren, wenn du Headroom lässt. Pads verhindern Übersteuerung an sehr heißen Quellen. Ein sinnvoll gesetzter Hochpass räumt unnötige Sub‑Energie auf und verschafft dem Preamp Luft. Beobachte die Meter in Interface‑Software und DAW, damit du nicht an zwei Stellen zu heiß fährst.
Praxisfälle: die schnelle Zuordnung
Gesang mit Kondensator: Mic‑In mit Phantom, ggf. Hochpass und Pad für laute Stellen. Schreigesang mit Dynamiker: Mic‑In, viel Gain, Pop‑Schutz und Abstand. Akustikgitarre mit Piezo: am besten aktive DI oder Akustik‑Pre → Mic‑In; alternativ Hi‑Z, wenn es schnell gehen muss. E‑Gitarre für Amp‑Sims: Hi‑Z für Attack und realistische Resonanz; DI‑Spur sichert Re‑amp‑Optionen. E‑Bass: Kombination aus aktiver DI und/oder Hi‑Z bewährt, je nach gewünschter Farbe. Analoge Synths/Drum‑Machines: Line‑In, möglichst symmetrisch; Stereo mit zwei Kanälen; bei Brummen kurze Wege oder DI. Outboard‑Preamp/Channel‑Strip/Compressor: deren Ausgang in Line‑In, nicht in den Mic‑Pre.
Mic, Line oder Hi‑Z – Fehlersuche: drei schnelle Checks
Dumpfer Gitarrensound trotz frischer Saiten? Wahrscheinlich am Line‑In statt am Hi‑Z. Unerwartete Verzerrung schon bei kleinem Gain? Vermutlich Line‑Signal im Mic‑Eingang. Brummen im Setup? Symmetrische Verbindung prüfen, Ground‑Lift an der DI testen, Kabellänge reduzieren.
Kaufkriterien fürs Interface
Achte auf rauscharm‑kräftige Mic‑Preamps, ausreichend Gain, Headroom, sinnvolle Pads und Hochpässe. Gute Line‑Stufen sollten symmetrisch arbeiten und saubere Trims erlauben. Ein echter Hi‑Z mit mindestens 1 MΩ, gerne mehr, macht Gitarrist:innen glücklich; wer viele Piezos aufnimmt, profitiert von sehr hohen Impedanzen oder externer aktiver DI. Prüfe die interne Schaltlogik: Wird Line wirklich vor dem Preamp abgegriffen? Klarer Metering‑Komfort spart Zeit im Alltag.
FAQ knapp beantwortet
Mic für Mikrofone und aktive DIs; Line für Synths, Drum‑Machines, Outboard und nachgelagerte Preamps; Hi‑Z für passive Gitarren/Bässe und viele Pickups. +4 dBu entspricht 1,228 V RMS, −10 dBV 0,316 V RMS. Passive Pickups brauchen Hi‑Z für Brillanz; aktive Pickups funktionieren oft auch an Line. Piezos mögen 5–10 MΩ Eingangsimpedanz. Phantom nur am Mic‑Port und nur bei passender Last.
Mic, Line oder Hi‑Z: Fazit
„Mic, Line oder Hi‑Z?“ ist keine Formalie, sondern eine klangprägende Weiche. Respektiere Pegel, Impedanzen und Symmetrie, und entscheide musikalisch: Mic als formbarer Verstärker, Line als transparenter Übersetzer, Hi‑Z als Garant für Spielgefühl. So startest du mit gesundem Headroom, ehrlicher Quelle und einem Sound, der sich leichter mischen lässt – heute und morgen.
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