Vermona Synthesizer, ein DDR-Synth mit Kultstatus
Der Vermona Synthesizer – von vielen liebevoll „Zonenmoog“ genannt – ist der wohl bekannteste Analogsynthesizer aus der späten Phase des „real existierenden Sozialismus“. Gebaut in der DDR, aber überwiegend in die sozialistischen Bruderländer, allen voran die UdSSR, exportiert, ist er heute ein spannendes Stück Synth-Geschichte für Vintage-Fans und Sammler.
Der Markenname Vermona steht ursprünglich für die VEReinigten HarMONikawerke KlingenthAl. Aus dieser Zeit stammen weitere Klassiker wie der DRM-Drumcomputer (1986), das Piano-String-Keyboard (1980) oder die Transistororgel ET 6-2, die später u. a. durch Barbara Morgenstern neue Aufmerksamkeit bekam.
Entstehungsgeschichte: Vom Heimprojekt zum Serienmodell
Die Entstehung des Vermona Synthesizers ist eng mit Bernd Haller verknüpft. Schon während seines Wehrdienstes bastelte er in seiner knappen Freizeit an einem eigenen Analogsynthesizer. Mitte der 70er-Jahre wurde er Teil des Vermona-Entwicklungsteams und schlug einen monofonen, subtraktiven Analogsynthesizer nach Vorbild des Minimoog vor – zunächst ohne Erfolg.
Erst als Haller in Heimarbeit Synthesizer für ostdeutsche Musiker baute und diese große Begeisterung auslösten, erkannten die Verantwortlichen den Bedarf und gaben grünes Licht für ein Serienmodell. Typisch Planwirtschaft dauerte der Weg zur Serienreife allerdings seine Zeit: Erst 1983 kam der Vermona Synthesizer auf den Markt – pünktlich zum Beginn der DX7-Ära im Westen.
Mit einem Einführungspreis von 4.350 Ostmark war der Synthesizer alles andere als ein Schnäppchen. Bei einem durchschnittlichen DDR-Monatslohn von rund 800 Ostmark war der Vermona eher ein Traum für Profis und ambitionierte Studiobetreiber als ein Masseninstrument.
DDR-Bedingungen: Knappheit macht kreativ
Die späte Geburt des einzigen ostdeutschen monofonen Synths lag auch an der Bauteilknappheit. Bewährte Curtis- oder SSM-Chips für Oszillatoren, Filter und Hüllkurven standen nicht zur Verfügung; Komponenten aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ durften wegen Devisenmangel nicht importiert werden.
Trotz bürokratischer Hürden und strenger Materialvorgaben gelang Haller und seinem Team ein respektabler Wurf: ein hochwertiger, voll analoger Synthesizer, der klanglich keineswegs nur eine Ost-Kopie westlicher Vorbilder ist.

Bis etwa 1998 wurden rund 1.000 Geräte gebaut, davon etwa 700 für den Export. Parallel war Haller an weiteren Projekten beteiligt – etwa dem polyfonen Analogsynthesizer Mephisto mit Motorfadern, der es allerdings nie über den Prototypenstatus hinaus schaffte. Erfolgreicher wurde der mehrkanalige analoge Drumsynth DRM1, zunächst von „Touched By Sound“ vertrieben und später wieder unter der Vermona-Marke – heute in aktueller Version immer noch ein beliebtes Studio-Werkzeug.
Auch nach der Wiedervereinigung blieb Vermona (heute im Vogtland ansässig) aktiv und brachte mit Geräten wie dem Mono Lancet oder Kick Lancet moderne, aber klar analog geprägte „Mini-Monster“ auf den Markt.
Vermona-User: Von DDR-Rock bis New Wave
Der Vermona Synthesizer war nicht nur bei DDR-Bands im Einsatz. Zu den bekannten Nutzern zählen Karat und die Puhdys, ebenso wie Bands aus den neuen Bundesländern, etwa Los Banditos oder Favorit. Spannend für Vintage-Fans: Auch englische Musiker wie Nick Rhodes (Duran Duran) und Tim Friese-Greene (Talk Talk) sollen den Ost-Synth im Studio gehabt haben.
Design & Bedienung: Ost-Bauhaus trifft Seventies-Charme
Mit seinen rund 9,5 kg wirkt der Vermona Synthesizer kompakt, aber wertig. Optisch strahlt er eine Mischung aus nüchterner, optimistischer Sachlichkeit und leicht psychedelischem Retro-Charme aus:
farbige Potikappen, kleine Knöpfe, dazu abgerundete Holzseitenteile – ein Look irgendwo zwischen spätem Bauhaus und 70s-Heimstudio.

Die Bedienoberfläche ist logisch strukturiert, alle Regler sind gut erreichbar. Schon auf den ersten Blick wird klar: Hier wurde an Performancetauglichkeit gedacht, nicht nur an Laborästhetik.
Ein echter Schwachpunkt ist allerdings die Tastatur. Die 3½-Oktaven-Klaviatur ist leicht verkleinert, fühlt sich etwas „klebrig“ an und verdient den liebevoll-spöttischen Spitznamen „Wet Noodle Keyboard“. Spielbar ist sie trotzdem, aber wer verwöhnt ist von hochwertigen Fatar-Keybeds, wird sich umgewöhnen müssen. Die generelle Verarbeitung des Geräts ist dagegen solide und roadtauglich.
Zu den Spielhilfen gehören zwei Schalter für verzögerten Vibrato-Einsatz und Portamento, plus zwei Räder für Pitch und Modulation – mit einem Twist: Das Pitchwheel sitzt links, das Modulationsrad rechts, also genau entgegengesetzt zu vielen westlichen Synth-Klassikern.
Anschlüsse & Modifikationen
Rückseitig ist der Vermona Synthesizer eher minimalistisch ausgestattet:
ein Monoausgang, ein als fünfpolige DIN-Buchse ausgeführter Kopfhörerausgang („Würfelstecker“), eine Pedalbuchse für die Modulationsstärke und der Netzkabelanschluss.

Spannend für heutige Besitzer: Viele Geräte wurden nachträglich modifiziert. Das Testexemplar im Originaltext wurde vom Kölner Synth-Spezialisten Jürgen Kristkeitz mit CV/Gate-Anschlüssen und einem Eingang zur externen Steuerung der Filter-Cutoff-Frequenz ausgestattet. Ein Kippschalter auf der Vorderseite aktiviert die Modifikation, das interne Keyboard wird dann deaktiviert – perfekt, um den Vermona in ein modernes Modular- oder DAW-Setup zu integrieren.
Klangerzeugung: Klassische Subtraktiv-Synthese mit DDR-Twist
Der Vermona Synthesizer ist ein monofoner, subtraktiver Analogsynthesizer mit zwei spannungsgesteuerten Oszillatoren (VCOs). Die Architektur ist klassisch, aber mit ein paar charmanten Eigenheiten.
Technische Daten (Kurzüberblick)
- Baujahr: ab 1983
- Typ: monofoner, analoger Synthesizer
- Synthese: subtraktiv
- Oszillatoren: 2 × VCO mit je 5 Fußlagen
- Wellenformen: Puls, Rechteck, Sägezahn, White Noise (nur VCO1)
- Filter: 24 dB/Okt. Tiefpass, Resonanz, Filter-Presets inkl. Bandpass
- Hüllkurve: 1 × ADSR für VCF und VCA, mit Preset-Schaltern
- LFO: Sinus, moduliert Tonhöhe und Filter
- Zusatzfunktionen: Glide, Filter- und Envelope-Presets, Vibrato-Delay, Portamento
- Tastatur: 3½ Oktaven, leicht verkleinerte Tasten
- Gewicht: ca. 9,5 kg
Die beiden VCOs decken dank der fünf Fußlagen einen großzügigen Frequenzbereich ab. Die gewünschten Wellenformen werden per Schalter aktiviert; durch gleichzeitiges Drücken lassen sich Mischwellen realisieren. Sogar zwei Fußlagen lassen sich gleichzeitig anwählen, was das Klangspektrum deutlich erweitert. Ein Mixer für die Oszillatorpegel fehlt leider – hier ist man auf die sinnvolle Vorab-Auslegung der Entwickler angewiesen.
Im Filter arbeitet ein vierpoliger Tiefpass mit Resonanz. Ein Highlight sind die Filter-Presets: Per Knopfdruck lassen sich fünf feste Filtereinstellungen anwählen, darunter sogar eine Bandpass-Variante. Eine einzelne ADSR-Hüllkurve steuert sowohl VCA als auch VCF; auch hier gibt es Presets, die sich per Schalter direkt abrufen lassen.
Damit wird deutlich: Der Vermona Synthesizer ist zwar puristisch ausgestattet, aber extrem live-tauglich. Über Presets für Filter und Hüllkurve lässt sich der Sound mit wenigen Handgriffen drastisch umregistrieren – ideal auf der Bühne.
Ist ein Filterpreset aktiv, sind die Cutoff- und Resonanzregler zwar deaktiviert, aber über ein praktisches „Brillanz“-Poti auf der linken Seite lässt sich die Eckfrequenz trotzdem noch anpassen. Dazu kommen eine Glide-Funktion und ein LFO mit Sinuswelle, der wahlweise die Tonhöhe oder die Filterfrequenz moduliert.
Sound: Warm, eigenständig und erstaunlich musikalisch
Klanglich ist der Vermona Synthesizer ein echter Charakterkopf. Er klingt warm, druckvoll und eigenständig – kein direkter Minimoog-Klon, sondern ein Instrument mit eigener Stimme.
- Bässe: Besonders mit Rechteckwellen liefert der Vermona kräftige, runde Bässe mit schönem Fundament.
- Leads: Singende Leads, knurrende Soli und simple Arpeggios gelingen mühelos.
- Sequencer-Sounds: In Verbindung mit externem CV/Gate lassen sich auch leicht „acidige“ Sequenzersounds erzeugen, auch wenn kein klassischer Sync oder Ringmodulator vorhanden ist.
Die Oszillatoren zeigen selbst nach einer Aufwärmphase noch eine gewisse Drift – das ist kein Bug, sondern trägt maßgeblich zum lebendigen, organischen Charakter des Synths bei. Wer sterile Präzision sucht, ist hier falsch; wer schwebende, leicht wabernde Sounds liebt, wird glücklich.
Das Filter wirkt im Vergleich zu einem typischen Moog-Ladder-Filter etwas neutraler und zurückhaltender. Die Resonanz geht nicht ganz bis zur Selbstoszillation, fügt sich aber musikalisch gut ein. Eine Pulsbreitenmodulation gibt es nicht, doch die Schwebungen der beiden VCOs kompensieren diesen Verzicht sehr überzeugend.
Insgesamt wirkt der Vermona Synthesizer eher wie ein freundlicher Geselle, der fast „von selbst“ gut klingt. Extrem experimentelle, harsche oder brachiale Sounds sind weniger seine Stärke – dazu fehlen Features wie Oszillatorsync oder Ringmodulation. Mit Modifikationen wie der externen Filtersteuerung à la Kristkeitz lässt sich aber auch in diese Richtung einiges herauskitzeln.
Vermona Synthesizer gebraucht kaufen
Auf dem Gebrauchtmarkt taucht der Vermona Synthesizer hierzulande nur noch selten auf. Wenn du gezielt nach einem Exemplar suchst, lohnt sich geduldiges Stöbern – insbesondere in Richtung Osteuropa und ehemalige Sowjetrepubliken. Viele Geräte wurden exportiert und später dort genutzt, verkauft oder eingelagert.
Wichtig beim Kauf:
- Tastaturzustand checken
- Netzteil- und Spannungsfragen klären
- Modifikationen (CV/Gate, Audio-Mods) bewusst mitbewerten – sie können den Praxiswert deutlich erhöhen.
Fazit: Vermona Synthesizer, Ost-Synth mit Herz und Charakter
Der Vermona Synthesizer ist kein Alleskönner, sondern ein spezialisiertes Instrument mit klarer Identität. Er kombiniert:
- eigenständigen, warmen Analog-Sound
- clevere, live-taugliche Preset-Funktionen
- charmantes DDR-Industriedesign
Mit seinem freundlichen, musikalischen Klang ist er perfekt für Bässe, Leads und klassische Analogsynth-Sounds, weniger für extreme Klangexperimente. Wer sich für Vintage-Synthesizer, Ost-Elektronik und kultige Monosynths interessiert, findet im Vermona Synthesizer ein spannendes, seltenes Stück Musikgeschichte, das auch heute noch erstaunlich inspirierend klingen kann.
Herstellerlink: VERMONA – Home
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