Behringer 1273 Dual Mic Preamp im Test – britischer Mojo

Test: Behringer 1273 Mikrofon Preamp

Im Test mit Neve 1073 SPX und BAE 1073: Kann Behringer 1273 für rund 550 Euro echten Studio-Zauber liefern?

Behringer 1273 Test: Der Behringer 1273 Dual Mic Pre ist kein 1:1-Klon des Neve 1073, sondern eine moderne Hommage mit eigenem Sound. Er klingt etwas heller und technischer als die großen Vorbilder, bringt aber klar hörbare analoge Wärme, ordentlich Punch und einen musikalischen EQ in ein Preisfeld, in dem sonst sterile Interface-Preamps dominieren.

Wer britischen Studiosound à la Neve 1073 sucht, aber nicht bereit ist, mehrere Tausend Euro zu investieren, findet hier einen sehr interessanten Einstieg – mit zwei Kanälen, praxisnaher Ausstattung und ernstzunehmendem Klang.


Überblick: Neve-Style-Sound fürs Homestudio?

Es gibt Geräte, die mehr tun, als nur Signale zu verstärken. Der legendäre Neve 1073 gehört genau in diese Kategorie. Seine Class-A-Schaltung und die eisenhaltigen Carnhill-Übertrager verleihen Stimmen und Instrumenten seit über fünfzig Jahren eine dichte, warme Präsenz – den typischen „britischen Sound“.

Eine Vocalspur klingt über einen guten 1073-Preamp oft schon „halb fertig“: mehr Fokus, mehr Dichte, mehr Mix-Tauglichkeit – ohne Plug-ins, ohne Kompressor, nur durch das Verhalten des Preamps und seine Sättigung.

Der neue Behringer 1273 Dual Mic Pre will genau diesen Mythos ins Homestudio holen. Er bietet zwei Kanäle mit integrierter EQ-Sektion, Class-A-ähnlichen Verstärkerstufen und das Ganze in einem Preisbereich um die 550 Euro.

Zum Vergleich: Ein Neve 1073 SPX liegt bei etwa 1.800 Euro pro Kanal, ein BAE 1073 bewegt sich je nach Ausführung zwischen 3.500 und 4.000 Euro für zwei Kanäle auf einer Höheneinheit – und das meist ohne vollwertige EQ-Sektion.

Die Frage ist also klar:
Kann ein Preamp für 550 Euro wirklich in die Neve-Liga mitspielen – oder ist das nur Marketing?


Behringer 1273 Test: Erster Eindruck & Verarbeitung

Optisch kommt der Behringer 1273 in einem dunklen, leicht grün-bläulichen Metallton daher, der ein bisschen an Rupert Neve Designs erinnert, aber etwas technischer wirkt. Die Frontplatte ist sauber verschraubt, die Beschriftung ist klar, insgesamt wirkt das Gerät stabil und überraschend hochwertig.

Bedienlayout

Das Layout folgt einem klassischen Studioaufbau: Links sitzen die Mic/Line-Inputs, daneben reihen sich die Funktionsschalter für 48 V Phantompower, Phasenumkehr, Line-Betrieb, Instrumenten-Input (Hi-Z), Insert-Schaltung und der „Tone“-Schalter zur Impedanzanpassung. Rechts daneben befindet sich die EQ-Sektion mit eigenem In/Out-Schalter.

Ein Instrumenteneingang an der Front erlaubt es, DI-Bass oder Gitarre direkt in den Preamp zu fahren. Für Singer-Songwriter, Homerecording und Double-Tracking ist das ein echter Pluspunkt: zwei vollwertige Kanäle in einem Gerät, das kaum mehr kostet als ein größeres Plug-in-Bundle.

EQ-Besonderheit gegenüber Neve & BAE

Bei Neve 1073 und BAE 1073 ist der High-Shelf-EQ fest auf 12 kHz gelegt – es gibt keinen eigenen Stellring für diese Frequenz. Der Behringer setzt hier ein kleines Ausrufezeichen, denn der High-Shelf lässt sich wahlweise unterhalb von 10 kHz ansetzen oder bis 16 kHz und leicht darüber hinaus verschieben. In der Praxis bedeutet das deutlich mehr Flexibilität, um entweder seidigen Air-Bereich, präsente Höhen oder eine Mischung aus beidem hervorzuheben – ein subtiler, aber durchaus spürbarer Vorteil gegenüber den großen Vorbildern.


Haptik & Verarbeitung im Detail

Die Regler fühlen sich insgesamt solide an, auch wenn der rote Gain-Knopf mit seiner durchsichtigen Kappe etwas „plastisch“ wirkt. Solange man keine brachialen Drehorgien veranstaltet, ist alles zuverlässig bedienbar; sehr grobe, hektische Bewegungen könnten allerdings dazu führen, dass einzelne Potis mechanisch überstrapaziert werden. Mit etwas Gefühl an der Frontplatte gearbeitet, bleibt alles an seinem Platz.

In dunklem Studio-Licht kann man sich an der Position des Gain-Knopfs leicht vertun – hier wäre ein klassischer Zeiger- oder „Hahn“-Regler ergonomisch im Vorteil.

Die EQ-Potis hinterlassen dafür einen sehr guten Eindruck: Sie sind griffig, angenehm gerastert und bieten eine klar lesbare Skalierung, sodass man Einstellungen gut reproduzieren kann.

Eine spannende Besonderheit ist der Low-Cut-Schalter. Er arbeitet nicht wie ein steriler, digitaler Hochpass, sondern erzeugt im Übergangsbereich einen kleinen Bump in den unteren Mitten. Das wirkt zunächst ungewohnt, entpuppt sich aber gerade bei Vocals oder Gitarren als charmant, weil etwas Fundament erhalten bleibt, statt den Sound einfach nur auszudünnen.


Behringer 1273 Test: Technik unter der Haube

Im Inneren setzt Behringer auf moderne SMD-Technik und diskrete Verstärkerstufen mit bis zu 80 dB Gain. Die Stromversorgung liefert stabile 48 V Phantompower, die Übertrager sind laut Hersteller „nach Carnhill-Vorbild“ gefertigt. Der Rauschabstand liegt bei rund –120 dBu, der Headroom bei +24 dBu – Werte, die klar im Profi-Bereich spielen.

In der Praxis bleibt das Gerät kühl, brummfrei und auch bei längeren Sessions akustisch unauffällig. Insgesamt wirkt die interne Umsetzung durchdacht und solide.

Behringer 1273 Mikrofon Preamp Rückseite Anschlüsse
Behringer 1273 Rückseite

Klangvergleich: Behringer 1273 vs. BAE 1073

Für den Klangvergleich habe ich Material über einen BAE 1073 und den Behringer 1273 geschickt, soweit möglich unter vergleichbaren Bedingungen. Ergänzend dazu kamen Audiobeispiele und Tonmaterial von BAE-Produktionen zum Einsatz, um den Klangcharakter einordnen zu können.

Drums

Bei den Drums liefen identische Spuren parallel durch den BAE 1073 und den Behringer 1273, beide mit deaktiviertem EQ. Der BAE 1073 liefert sofort den typischen „britischen Chew“: Der Sound wirkt cremig, kompakt und leicht gesättigt, Kick und Snare scheinen zusammenzukleben und trotzdem klar nach vorne zu treten.

Der Behringer 1273 braucht im direkten Vergleich etwas mehr Input-Drive, um denselben Grad an Punch zu erzeugen. Dreht man den Eingang höher auf, setzt eine sanfte, angenehme Sättigung ein und vor allem die Snare kommt deutlich nach vorne. Insgesamt präsentiert sich der Charakter des Behringer etwas heller und direkter und weniger „schmelzend“ als beim BAE, bleibt aber erstaunlich druckvoll und gut in den Mix integrierbar.

Bass

Beim Bass ist der erste Eindruck eher neutral: Ohne Tone-Boost liefert der Behringer ein sauberes, definiertes und modern wirkendes Signal. Sobald man jedoch den „Tone“-Schalter aktiviert und den Drive erhöht, wird der Bass runder und kräftiger, ohne dass er in übermäßige Verzerrung kippt.

Wer echte Vintage-Zerrung im Stil eines hart gefahrenen Neve erwartet, müsste wahrscheinlich noch ein Drive- oder Saturation-Pedal davor schalten. Positiv bleibt dabei, dass der Bass sehr gut ortbar ist und sich im Mix angenehm durchsetzt – besonders in modernen Produktionen ein Pluspunkt.

Vocals

Bei Vocals musste der Behringer deutlich mehr Gain bzw. Drive bekommen, um die gewünschte Dichte und Präsenz zu erreichen. Das Ergebnis kann sich hören lassen: Die Sättigung bleibt subtil, sorgt für einen angenehmen Biss in den oberen Mitten und bringt die Stimme nach vorne, ohne unangenehm zu zischeln. Anschließend musste der Output-Level entsprechend reduziert werden, um das Gain-Staging sauber zu halten.

Beim klassischen Neve hat man dagegen häufig das Gefühl, dass der Preamp einem „Pegel schenkt“ und schon früh sehr dicht klingt. Klanglich positioniert sich der Behringer 1273 zwischen Neve und BAE: Er klingt etwas heller und transparenter, mit einer feineren Körnung in der Sättigung. Man merkt zwar, dass der extreme „Eisen-Schmelz“ der Originale nicht komplett erreicht wird, aber der analoge Charakter ist unverkennbar vorhanden.


Behringer 1273 Test: EQ-Charakter des Behringer 1273

Der EQ des Behringer 1273 arbeitet musikalisch und gut vorhersagbar und fühlt sich eher wie ein kreativer Sound-Shaper als ein rein technisches Korrekturwerkzeug an. Der Low Shelf bei 60 Hz ermöglicht einen satten, sauberen Bass-Boost ohne unangenehmen Mulm – ideal für Kick und Bass. Das Mittenband im Bereich von etwa 1,6 bis 3,2 kHz ist wie gemacht, um Vocals präsenter zu machen und sie im Mix klar nach vorne zu schieben, wirkt dabei allerdings etwas härter als beim klassischen Neve-1073-Sound.

Der High-Shelf, dessen Frequenz wahlweise um 12 kHz und darüber angesetzt werden kann, klingt offen, luftig und tendenziell leicht „Hi-Fi“. Durch die wählbaren Frequenzen erhält man in der Praxis spürbaren Spielraum, um entweder mehr seidige Luft, mehr Präsenz oder eine Kombination daraus zu formen. Insgesamt klingt der EQ nicht identisch zum Original, aber sehr gut einsetzbar – und mit dem bereits erwähnten Low-Cut-Bump bringt er sogar einen eigenen, wiedererkennbaren Charakterzug mit.

bedienoberfläche des Mic Pre von Behringer
Behringer 1273 im Test

Im Mix: Wie setzt sich der 1273 durch?

Im fertigen Mix macht der Behringer 1273 Dual Mic Pre eine sehr gute Figur. Drums bleiben transparent und durchsetzungsfähig, Vocals sitzen vorne im Stereobild, ohne zu aggressiv zu werden, und der Bass bleibt definiert und druckvoll. Der Preamp verleiht vielen Spuren eine natürliche Tiefe, die sich klar von rein digitalen Preamps und Plug-in-Simulationen abhebt – es fühlt sich nach echter analoger Schaltung und Reaktion an, nicht nur nach einem aufgesetzten Effekt.

Gleichzeitig zeigt sich, dass man meist ein bis zwei Plug-ins – etwa einen sanften Kompressor oder eine Bandsättigung – ergänzen sollte, um den letzten „Vocal-Upfront-Glanz“ zu erreichen, den man von teuren Neve-Ketten gewohnt ist. Der Behringer liefert ein starkes, charaktervolles Grundmaterial, der Feinschliff passiert anschließend in der DAW.


Behringer 1273 Test: Praxis & Workflow

Der Dual-Aufbau macht den 1273 zu einem echten Arbeitstier im Studioalltag. Stereo-Akustikgitarren, Drums-Overheads, Raum-Mikrofone oder parallele Klangexperimente lassen sich schnell und intuitiv umsetzen, ohne dass man mehrere Einzelgeräte verkabeln muss.

Im Betrieb zeigt sich der Preamp angenehm unauffällig: Er entwickelt keine übermäßige Wärme, arbeitet lüfterlos und damit geräuschlos, und die robuste EQ-Sektion mit ihren stabilen Stellringen steckt häufiges Nachregeln problemlos weg. Der Sweet Spot ist schnell gefunden – man dreht den Drive nach oben, reduziert den Output und erhält einen musikalisch reagierenden Preamp, wie man ihn von einem Charakter-Gerät erwartet. Über Output-Regler und „Tone“-Impedanz kann man sehr gezielt formen, wie sich das Signal im Mix anfühlt und wie stark es sich in den Vordergrund schiebt.

Durch moderne Insert-, Send- und Return-Möglichkeiten lässt sich der 1273 zudem flexibel in bestehende DAW-Workflows integrieren – sowohl als Tracking-Front-End als auch als analoger Sweetener in der Mischung.


Historie: Der Zauber des Neve 1073

Der Neve 1073 war ursprünglich nicht als „Charakter-Preamp“ im heutigen Sinne gedacht. Rupert Neve wollte schlicht den bestklingenden, rauschärmsten Verstärker seiner Zeit bauen. Die berühmte Magie entstand quasi als Nebenprodukt: Der leichte „Eisen-Kuss“ der Übertrager, die organische Mikro-Sättigung und die dreidimensionale Tiefe machten den 1073 zum Dauerbrenner der Studiogeschichte.

Von Elton John über Steely Dan bis hin zu den Foo Fighters – in nahezu jeder goldenen Ära der Pop- und Rockproduktion sind Spuren über Neve-Module gelaufen. Dass Behringer nun für rund 550 Euro eine Hommage an dieses Konzept auf den Markt bringt, wirkt fast ein wenig romantisch und öffnet vielen Homestudios den Zugang zu dieser Klangästhetik, die früher nur in großen Studios zu finden war.


Fazit: Für wen lohnt sich der Behringer 1273 Dual Mic Pre?

Der Behringer 1273 Dual Mic Pre ist kein 1:1-Neve-Klon, sondern eine moderne Interpretation des 1073-Prinzips. Er trifft den Geist des Originals überraschend gut, setzt ihn jedoch auf eine etwas hellere, technischere und zugleich moderne Weise um. Der Sound vereint analoge Wärme, Tiefenstaffelung und definierte Transienten mit einer Prise „britischem Flair“.

Im Preissegment um 550 Euro sticht der 1273 klar heraus, weil hier ansonsten vor allem nüchterne Interface-Preamps dominieren. Er eignet sich für alle, die ihren Spuren Charakter und Mojo verleihen wollen, mit einem analogen Frontend arbeiten möchten und Drums, Bass, Vocals, Gitarren oder Keys mit mehr Tiefe und Farbe aufnehmen wollen – ohne das Budget für echte Neve- oder BAE-Hardware zu haben.

Meist verlangt der Behringer 1273 nach etwas Feinschliff in der DAW, um den letzten Hauch „Vocal-Glanz“ herauszukitzeln, aber das Ausgangsmaterial, das aus dem Gerät kommt, ist inspirierend und deutlich über dem typischen Interface-Level. Kurz gesagt: Der Behringer 1273 ist kein Neve 1073, aber ein verdammt guter Einstieg in dessen Klangwelt – mit eigenem Charme, eigenem Sound und einem Preis, der angesichts Leistung und Ausstattung fast absurd niedrig wirkt.


Pro & Contra

Pro:

  • ✅ Zwei Kanäle mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis

  • ✅ Musikalischer, transparenter Sound mit analogem Charakter

  • ✅ Flexibler EQ mit eigenem Charakter (inkl. variabler High-Shelf-Frequenz)

  • ✅ Rauscharm, brummfrei, praxisnahes Layout

  • ✅ Ideal als Neve-Style-Einstieg fürs Homestudio

Contra:

  • ❌ Gain-Regler ist ergonomisch nicht ideal

  • ❌ Potis insgesamt nicht auf High-End-Niveau, könnten stabiler geführt sein

  • ❌ Kein voll ausgeprägter „Eisen-Schmelz“ wie bei teuren Neve-/BAE-Originalen


Bewertung

⭐️⭐️⭐️⭐️ – 3,9 von 5 Sternen

Ein moderner, zweikanaliger Mikrofonvorverstärker mit Vintage-Spirit, ehrlichem Charakter und sehr guter Alltagstauglichkeit – zugänglich, musikalisch und preislich äußerst attraktiv.


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