Warum viele analoge Synthesizer keine Presets haben – Vor- und Nachteile für Musiker

Warum haben analoge Synths keine Presets

Warum haben viele analoge Synthesizer keine speicherbaren Presets – und was bedeutet das für Musiker:innen?

In der Welt der Synthesizer stoßen viele Musiker:innen früher oder später auf ein spannendes Phänomen: Während digitale Synths oft über tausende speicherbare Presets verfügen, lassen sich bei klassischen analogen Geräten wie dem Minimoog, Korg MS-20 oder Oberheim SEM oft keine Sounds speichern. Aber warum ist das so – und ist das ein Nachteil oder vielleicht sogar ein kreativer Vorteil?


⚙️ Technischer Hintergrund: Warum es keine Speicherfunktion gibt

Analoge Synthesizer basieren auf diskreter analoger Elektronik – spannungsgesteuerte Oszillatoren (VCOs), Filter (VCFs) und Verstärker (VCAs), die rein physikalisch über Potentiometer gesteuert werden. Diese Regler erzeugen direkt Spannungen, die den Klang formen. Ein „Preset“ wäre nichts anderes als eine bestimmte Kombination aller Reglerpositionen.

In digitalen oder hybriden Synths übernimmt hingegen ein Mikrocontroller die Parameterverwaltung. Er kann Reglerstellungen digital erfassen, speichern und wieder abrufen – meist in Form von Zahlenwerten. In einem rein analogen System fehlt diese digitale Steuerlogik komplett.


Vorteile analoger Synths ohne Presets

Ein großer Vorteil analoger Synthesizer ohne speicherbare Presets liegt in ihrer unmittelbaren Bedienung. Da jede Veränderung am Regler direkt den Klang beeinflusst, entsteht ein besonders direkter und intuitiver Zugang zum Instrument. Diese haptische Verbindung fördert einen fokussierten kreativen Prozess, bei dem man im Hier und Jetzt arbeitet, anstatt sich durch endlose Preset-Bänke zu scrollen. Gerade weil es keine Ablenkung durch gespeicherte Klänge gibt, konzentriert man sich stärker auf die Klanggestaltung mit eigenen Händen. Das Ergebnis ist oft ein einzigartiger, individueller Sound, der nicht reproduzierbar aus dem Speicher stammt, sondern aktiv und bewusst erzeugt wurde. Auch im Live-Kontext schätzen viele Musiker:innen die Übersichtlichkeit: Alle Regler zeigen auf einen Blick den aktuellen Klangzustand – ganz ohne Menüführung oder Displayanzeige.


Nachteile & Herausforderungen

Allerdings bringt der Verzicht auf Presets auch klare Nachteile mit sich. Der offensichtlichste ist die fehlende Wiederholbarkeit von Sounds. Hat man einmal einen großartigen Klang gefunden, muss man ihn entweder fotografieren oder auf sogenannten Patch-Sheets notieren – andernfalls ist er unter Umständen unwiederbringlich verloren. Das kann besonders im Studio problematisch sein, wenn Projekte über Wochen hinweg bearbeitet oder wieder geöffnet werden müssen. Auch für Live-Performer kann der manuelle Wechsel zwischen Sounds stressig und fehleranfällig sein, da komplexe Klangveränderungen nicht per Knopfdruck abrufbar sind. Der Workflow ist dadurch insgesamt weniger flexibel, insbesondere im Vergleich zu digitalen oder hybrid gesteuerten Synthesizern, bei denen Preset-Management zum Standard gehört.


🔄 Hybride Lösungen & Workarounds

Es gibt durchaus analoge Synths mit digitaler Steuerung, z. B. der Sequential Prophet-6 oder Moog Subsequent 37. Diese speichern zwar Presets, erzeugen aber den Klang weiterhin rein analog. Auch CV/Gate-Matrix-Systeme oder MIDI-to-CV-Interfaces können helfen, komplexe Patches reproduzierbar zu machen.


🎛️ Fazit

Keine Presets zu haben ist nicht einfach ein technischer Mangel – es ist oft eine bewusste Designentscheidung. Für viele Synth-Enthusiasten gehört gerade das Nicht-Speichern-Können zur Essenz analoger Klanggestaltung. Es fordert dazu auf, Klang im Moment zu erleben, anstatt ihn zu archivieren. Trotzdem: Wer einen zuverlässigen Studio-Workflow oder Live-Einsatz mit wechselnden Sounds braucht, wird früher oder später Hybridlösungen oder digitale Begleiter in Betracht ziehen.

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