Tutorial: Einstieg ins Eurorack 3 – Digitale Oszillatoren
Nachdem wir in der letzten Folge unseres Tutorials “Der Einstieg ins Eurorack” einen Überblick über analoge VCOs gegeben haben, wollen wir uns diesmal den digitalen Oszillatoren zuwenden. Lange Zeit galten Modularsysteme als rein analoge Bastionen, in denen Digitaltechnik nichts zu suchen hatte. Diese dogmatische Sichtweise hat sich glücklicherweise geändert. Inzwischen gehen diskrete Schaltungen, digitale Lösungen und DSP-Technik Hand in Hand.
Digitale Oszillatoren sind ein sehr weites Feld. Sie bieten im Eurorack Zugang zu verschiedenen Syntheseformen und decken damit ein breites Spektrum an Klangfarben ab. Der größte Vorteil ist, dass die meisten Konzepte eine dynamische Veränderung des Klangs innerhalb des Oszillators ermöglichen, noch bevor das Signal in ein Filter, einen Wavefolder oder ein anderes klangformendes Modul geht.
Wavetable-Oszillatoren
Bei einem Wavetable-Oszillator gibt es einen großen Pool von einzelnen zyklischen Waves (Wellenformen), die in mehreren bestimmten Reihenfolgen angeordnet sind. Die einzelnen Waves klingen zunächst unspektakulär, sogar steril. Ein solcher Wavetable kann aber “durchfahren” werden, d.h. Waves werden nacheinander abgerufen. Dieser Vorgang kann nicht nur manuell mit einem Regler, sondern auch mit einer Hüllkurve oder einem LFO durchgeführt werden.
Die Konzepte variieren hier von Modul zu Modul. Es gibt Wavetables mit nur wenigen Waves, zwischen denen gemorpht wird. Dadurch entstehen fließende Verläufe mit weichen Übergängen. Andere Oszillatoren arbeiten mit vielen Waves pro Table, die sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Die Übergänge können von soft bis abrupt eingestellt werden, sodass die Klangveränderungen sehr markant ausfallen können.
Einige Wavetable-Oszillatoren verwenden bewusst Signale mit niedriger Auflösung von 12 oder sogar 8 Bit. Dadurch entstehen digitale Artefakte und Aliasing-Geräusche, die eigentlich Fehler sind, aber von vielen Usern als “Charakterelemente” gerne in Kauf genommen werden. In Kombination mit einem rund klingendem, analogen Filter lassen sich auf diesem Weg großartige Bass- und Lead-Sounds erzeugen.
Macro – Alles unter einem Dach
Für Module, die mehrere Syntheseformen in sich vereinen, hat sich vor einigen Jahren der Begriff Macro-Oszillator etabliert. Vor allem das Open-Source-Projekt Braids (und sein Nachfolger Plaits) hat diesem Konzept den Weg geebnet. Inzwischen haben mehrere Hersteller Plaits in einer eigenen oder erweiterten Version herausgebracht.
Häufig anzutreffende Syntheseformen sind Physical Modeling, z. B. mit Karplus Strong, Modal- oder Comb-Filter, unter anderem zur Simulation von Saiten und Röhren, Virtual-Analog (z. B. für Supersaw), einfache Wavetables und FM / PD, additive Synthese, spezielle Drums usw.
Da Macro-Oszillatoren diese Vielfalt in sich vereinen und mit dem gleichen Set an Reglern bedienbar machen müssen, sind die Eingriffsmöglichkeiten auf wenige, aber meist sehr effektiv gewählte Funktionen beschränkt. Ein Macro-Oszillator ist eine sinnvolle Ergänzung zu einem VCO-Paar, um einem soliden analogen Fundament verschiedenste Klangfarben hinzufügen zu können.
Wer tiefer in die digitale Synthese einsteigen möchte, findet auch spezialisierte Oszillatoren für FM, KSS, VA, PM etc. Hier ist eine detailliertere Bearbeitung für noch individuellere Klänge möglich.
Vector-Synthese
Man mag sich streiten, ob die sogenannte Vector-Synthese überhaupt eine richtige Syntheseform ist. Denn schließlich werden hier lediglich drei oder vier digitale Spektren gemischt. Da diese Mischung jedoch dynamisch sein kann, also durch eine Hüllkurve oder manuell mit einem Joystick gesteuert wird, lassen sich schöne Klangverläufe erzeugen. Der Vorteil dieses Konzeptes liegt in der sehr einfachen Handhabung, mit der schnell und effektiv vielfältige Ergebnisse erzielt werden können.
FM-Synthese
Bei der von John Chowning entwickelten FM-Synthese werden Sinus-Oszillatoren und Steuerelemente zu Operatoren kombiniert. Dies ist zwar prinzipiell auch mit analogen VCOs möglich, benötigt aber die Stabilität einer digitalen Schaltung, um ein sauberes Ergebnis zu erzielen. Die kleinste Einheit besteht aus zwei Operatoren und wird 2 OP-FM genannt. Auch mit dieser simplen Form sind sehr dynamische und geräuschhafte Klänge möglich und es wird oft für Drums und Percussion eingesetzt.
Vier und mehr Operatoren werden für komplexere Klänge verwendet, die aus mehreren Elementen oder Phasen bestehen. Damit lassen sich schöne Flächen, Orgeln und E-Pianos erzeugen, die allerdings eher im polyphonen Einsatz sinnvoll sind. Auch steigt die Schwierigkeit der Bedienung mit der Anzahl der Operatoren stark an. Ansonsten zeichnet sich FM auch durch harte Bässe, perkussive Sequenzersounds, unechte Instrumentenimitate mit eigenem Charme und chaotischen Krach aus.
Eine Auswahl an analogen und digitalen Oszillatoren könnt ihr bei unserem Partner MUSIC STORE finden.
Und unter diesen Links könnt die bisherigen Teile unserer Tutorial-Reihe nachlesen:
Einstieg ins Eurorack 2 – der VCO
Einstieg ins Eurorack 1 – die erste Entscheidung