Wavetable-Synthese: So formst du lebendige Klänge
Die Wavetable-Synthese bei Synthesizer ist der logische nächste Schritt nach klassischer subtraktiver Synthese. In Folge 2 unserer Reihe über Synthesen schauen wir uns an, warum Wavetables so spannend sind, wie sie technisch funktionieren und wie du sie im Studio oder auf der Bühne kreativ einsetzt. Außerdem lernst du einige Synthesizer mit Wavetable-Synthese kennen, die dir den Einstieg besonders leicht machen.
Synthesizersynthesen, Folge 2: Was ist Wavetable-Synthese überhaupt?
Während ein klassischer subtraktiver Synthesizer meist mit wenigen festen Wellenformen wie Sägezahn, Rechteck oder Dreieck arbeitet, geht die Wavetable-Synthese einen entscheidenden Schritt weiter. Statt nur eine statische Wellenform zu nutzen, arbeitet sie mit einer ganzen Sammlung von Einzelwellenformen, die in einer Art Tabelle, eben einer „Wavetable“, abgelegt sind.
Du kannst dir eine Wavetable wie ein durchblätterbares Bilderbuch aus Wellenformen vorstellen. Jede Seite ist ein Schnappschuss einer bestimmten Klangfarbe. Die eigentliche Magie entsteht jedoch erst, wenn du durch dieses Buch blätterst – langsam, schnell, rhythmisch oder chaotisch. Dadurch verändert sich der Klang stetig, ohne dass du neue Noten spielen musst. Genau diese Bewegung ist der Kern der Wavetable-Synthese.
Vom statischen Oszillator zur lebendigen Wellenform
Bei einem klassischen Synthesizer wählst du einen Oszillator, stellst die Wellenform ein und formst den Klang anschließend mit Filter und Hüllkurven. Die Wellenform selbst bleibt jedoch gleich. Bei der Wavetable-Synthese ist der Oszillator dagegen dynamisch.
Der Oszillator liest immer wieder kleine Ausschnitte aus der Wavetable. Je nachdem, an welcher Position er sich befindet, klingt die Wellenform anders. Wenn du nun diese Position mit einem Regler, einem LFO, einem Envelope oder sogar mit Anschlagstärke steuerst, entsteht eine bewegte, organische Klangentwicklung. So entstehen typische morphende Pads, schmatzende Bässe oder metallische Digital-Leads, die ständig in Bewegung bleiben.
So funktioniert das Blättern durch Wavetables
Um die Möglichkeiten der Wavetable-Synthese besser zu verstehen, lohnt es sich, das „Blättern“ genauer anzuschauen. Normalerweise gibt es einen zentralen Parameter, der häufig „Wavetable Position“, „Wave Index“ oder ähnlich heißt. Er bestimmt, welcher Ausschnitt der Tabelle gerade gespielt wird.
Wenn du diesen Parameter:
- langsam moduliert, erhältst du schwebende, sich stetig verändernde Klanglandschaften.
- schnell modulierst, entstehen sehr komplexe Spektren, die an FM- oder Formant-Synthese erinnern.
- rhythmisch ansteuerst, zum Beispiel über Step-LFO oder Sequencer, entstehen perkussive oder glitchige Klangmuster.
Wichtig ist dabei, dass viele moderne Wavetable-Synthesizer die Übergänge zwischen den einzelnen Wellenformen weich interpolieren. Dadurch wirken die Klangbewegungen flüssig und musikalisch, statt in hörbaren Sprüngen zu zerfallen.
Klanggestaltung mit Wavetable-Synthese in der Praxis
Die Möglichkeiten der Wavetable-Synthese entfalten sich erst richtig, wenn du sie mit den vertrauten Werkzeugen kombinierst, die du von anderen Synthesizern bereits kennst. Filter, Hüllkurven und LFOs sind auch hier zentrale Bausteine, werden aber in einen neuen Kontext gesetzt.
Zunächst legst du eine passende Wavetable fest. Viele Synthesizer bieten dafür Kategorien wie „Analog“, „Formant“, „Metallic“, „Vocal“ oder „Digital“. Schon an dieser Stelle definierst du die grundlegende Charakteristik des Sounds. Wähle für Bässe beispielsweise Wavetables mit viel Grundton und Obertönen, für atmosphärische Pads eher komplexere, flächige Spektren.
Anschließend bestimmst du, wie stark sich die Wavetable im Verlauf einer Note verändern soll. Eine typische Technik besteht darin, die Wavetable-Position an eine Hüllkurve zu koppeln. Dadurch „fährt“ der Klang beim Anschlag durch einen bestimmten Abschnitt der Tabelle und bleibt dann an einem Punkt stehen oder kehrt zurück. So entstehen sehr ausdrucksstarke Attack-Phasen, die deutlich charaktervoller sind als bei einfachen Oszillatoren.
Modulation: Das Herz der Wavetable-Synthese
Besonders spannend wird es, wenn du mehrere Modulationsquellen kombinierst. Ein LFO kann langsam durch die Wavetable fahren, während eine Hüllkurve den Filter öffnet und ein weiterer LFO die Pulsbreite des Signals verändert oder Effekte moduliert. Obwohl du vielleicht nur einen gehaltenen Akkord spielst, wirkt der Sound dadurch permanent lebendig.
Auch die Spielhilfen vieler moderner Synthesizer – etwa MPE, Aftertouch oder Mod-Wheel – lassen sich ideal nutzen. Wenn du zum Beispiel Aftertouch auf die Wavetable-Position legst, kannst du mit mehr Druck auf der Tastatur zusätzliche Obertöne hinzumischen oder die Klangfarbe in eine aggressivere Richtung schieben. So entsteht eine direkte Verbindung zwischen Finger und Klang, die gerade bei expressiven Performances enorm hilft.
Typische Einsatzgebiete der Wavetable-Synthese
Die Wavetable-Synthese für Musiker ist extrem vielseitig. Dennoch haben sich im Laufe der Zeit einige typische Einsatzbereiche herauskristallisiert. Sehr beliebt sind zum Beispiel dichte, moderne Bässe, wie man sie aus elektronischen Genres oder modernen Pop-Produktionen kennt. Durch das Morphen der Wavetable wirkt ein Bass nicht nur fett, sondern auch beweglich und kann sich im Mix besser durchsetzen.
Ebenso charakteristisch sind schneidende, digitale Leads, die oft mit viel Resonanz und schnellen Modulationsbewegungen arbeiten. Hier zeigt sich die „digitale“ Seite der Wavetable-Synthese besonders deutlich, denn sie kann Klänge erzeugen, die mit rein analoger Technik nur schwer nachzubilden sind.
Außerdem eignet sie sich hervorragend für atmosphärische Pads und Soundscapes. Wenn du langsam durch komplexe Spektren fährst und zusätzlich Reverb, Delay und vielleicht etwas Chorus einsetzt, entsteht ein breiter, filmischer Sound, der sich besonders für Ambient, Sounddesign oder Game- und Filmmusik anbietet.
Beliebte Synthesizer mit Wavetable-Synthese (Hardware)
Damit du die Theorie direkt in der Praxis umsetzen kannst, lohnt sich ein Blick auf einige Synthesizer mit Wavetable-Synthese, die im Studioalltag häufig anzutreffen sind.
Sehr bekannt ist etwa die Waldorf-Familie, die historisch direkt auf die PPG-Wave-Idee zurückgeht. Instrumente wie der Waldorf Blofeld oder moderne Vertreter wie Waldorf M, Waldorf Iridium oder Quantum gelten als Klassiker, wenn es um Wavetables mit tiefen Klangformungsmöglichkeiten geht. Sie verbinden oft mehrere Oszillator-Modelle, sodass du Wavetables mit klassischen analog anmutenden Wellenformen oder Samples kombinieren kannst.
Einen modernen Zugang liefern außerdem Synthesizer wie der Korg Modwave, der speziell auf Wavetable-Synthese und Performance ausgelegt ist. Mit seinem Motion-Sequencing, umfangreichen Modulationsmöglichkeiten und einer großen Auswahl an Wavetables spricht er vor allem Producer an, die mit komplexen, rhythmisch bewegten Sounds arbeiten möchten.
Auch der Modal Argon8 ist ein interessantes Beispiel. Er kombiniert eine moderne, klare Wavetable-Engine mit einem intuitiven Bedienkonzept. Dadurch eignet er sich sowohl für Einsteiger in die Wavetable-Welt als auch für Fortgeschrittene, die tiefer in Modulation und Sounddesign eintauchen wollen.
Hinzu kommen Synthesizer wie der ASM Hydrasynth, der Wavetables mit flexiblen Modulationsmöglichkeiten und einem leistungsfähigen „Mod-Matrix“-Ansatz verbindet. Hier kannst du fast jede denkbare Quelle auf nahezu jeden Parameter routen, was die Möglichkeiten der Wavetable-Synthese praktisch grenzenlos erscheinen lässt. Als naher Clone zum PPG gilt der Behringer Wave, den wir bereist in einem Testbericht auf unseren Tisch hatten.
Beliebte Wavetable-Synthesizer als Software-Plugins
Natürlich findet die Wavetable-Synthese für Musiker nicht nur in Hardware statt. In der DAW-Welt sind Plug-ins wie Xfer Serum oder Native Instruments Massive X zu Standards geworden, wenn es um moderne elektronische Sounds geht. Sie bieten nicht nur umfangreiche Wavetables, sondern ermöglichen auch das eigene Erstellen und Importieren von Wellenformen. So kannst du beispielsweise aus Samples neue Wavetables generieren und deine persönliche Klangbibliothek aufbauen.
Auch Synthesizer wie Ableton Wavetable oder Arturia Pigments (zum Testbericht) zeigen, wie nahtlos Wavetable-Synthese in moderne Produktions-Workflows integriert werden kann. Sie lassen sich tief in Automation, Modulation und Effekte deiner DAW einbinden, wodurch du sehr komplexe Bewegungen erzeugen kannst, ohne dich im Hardware-Menü-Dschungel zu verlieren.
Wenn du ohnehin bereits mit einer DAW arbeitest, ist ein Software-Synth mit Wavetable-Engine eine hervorragende und oft kostengünstige Möglichkeit, diese Syntheseform intensiv kennenzulernen, bevor du eventuell in Hardware investierst.
Fazit: Wavetable-Synthese kreativ nutzen
Die Wavetable-Synthese für Musiker schließt die Lücke zwischen klassisch-analogen Klangwelten und moderner digitaler Soundästhetik. Sie bietet dir die Möglichkeit, lebendige, sich ständig verändernde Klänge zu erschaffen, ohne dass du dafür komplizierte Patchstrukturen oder extreme Effektroutings brauchst. Indem du Wavetables geschickt modulierst, Filter und Hüllkurven einsetzt und vielleicht noch expressive Spielhilfen integrierst, erhältst du Sounds, die sich im modernen Mix durchsetzen und trotzdem musikalisch bleiben.
In dieser zweiten Folge unserer Reihe über Synthesizersynthesen hast du gesehen, wie die Wavetable-Synthese funktioniert, welche kreativen Wege sie eröffnet und welche Synthesizer mit Wavetable-Synthese sich in der Praxis bewährt haben. In den nächsten Teilen der Serie kannst du diese Erkenntnisse weiter vertiefen und andere Syntheseformen damit vergleichen. So baust du dir Schritt für Schritt dein eigenes, fundiertes Klangverständnis auf – und deine Produktionen werden hörbar davon profitieren.
Empfehlung der Redaktion: Aktuelle Synthesizer mit Wavetable-Synthese


Leitender Redakteur – keyboards.de
Multiinstrumentalist • Audio Engineer • Kreativer Tüftler • Familienvater • Pen-&-Paper-Enthusiast

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