Syntheseformen #1: Subtraktive Synthese – der Klassiker für fette, formbare Sounds
Wer an Synthesizer denkt, hört oft zuerst die Ergebnisse der subtraktiven Synthese: warme Bässe, singende Leads, breite Pads, schnippische Plucks. Das Prinzip ist so einfach wie musikalisch: Man startet mit obertonreichen Wellenformen und nimmt anschließend mit einem Filter gezielt Frequenzanteile weg. Dadurch lässt sich der Klang in wenigen Handgriffen präzise formen – schnell genug für die Bühne, tief genug für ausgefeiltes Sound‑Design.
Was bedeutet „subtraktiv“ – und wie fließt das Signal?
Am Anfang stehen Oszillatoren, die Sägezahn‑, Rechteck‑/Puls‑, Dreieck‑ oder Sinuswellen erzeugen; Rauschen liefert Körnung für Drums und Effekte. Diese Quellen landen im Mixer, werden dort im Verhältnis justiert und anschließend durch das Filter geschickt – meist ein Tiefpass mit regelbarer Cutoff‑Frequenz und Resonanz. Am Ende sitzt der VCA (Verstärker), der die Lautstärke über die Zeit steuert. Gesteuert wird das Ganze von Hüllkurven (ADSR) und LFOs. In Kurzform: Oszillator → Mixer → Filter → VCA, moduliert von Hüllkurven und LFOs. Schon diese Abfolge erklärt, warum subtraktiv so direkt und berechenbar klingt: Jeder Schritt verändert den Klang an einer klar definierten Stelle. Subtraktive Synthese bedeutet letztlich auch, dass man vom Startklang (Synthesizerwellenformen) etwas wegnimmt (Filter).
Die entscheidenden Parameter – praxisnah erklärt
Ein Oszillator mit Sägezahn liefert viele Obertöne und damit den idealen Rohstoff für kräftige Bässe und Strings; Rechteck/Puls klingt hohler und eignet sich mit Pulse‑Width‑Modulation hervorragend für singende Leads; Dreieck ist weicher, Sinus nahezu obertonfrei und deshalb super, wenn du gezielt Tiefe hinzufügen möchtest – etwa als Sub‑Oszillator. Stimmungen (Oktave, Feintuning) entscheiden über Größe und Breite; leichte Verstimmungen erzeugen sofort einen chorartigen Schimmer.
Das Filter ist das Herz der subtraktiven Klangformung. Mit der Cutoff legst du fest, bis wohin Obertöne passieren dürfen; die Resonanz hebt den Randbereich an und kann bei hohen Werten pfeifen – ein Effekt, der perkussive Plucks schärft und Acid‑Lines lebendig macht. Flankensteilheiten (12 oder 24 dB pro Oktave) bestimmen, wie resolut das Filter eingreift; 24 dB wirkt prägnant und fett, 12 dB lässt mehr Luft. Key‑Tracking sorgt dafür, dass die Cutoff auf der Tastatur „mitwandert“ und der Sound in hohen Lagen nicht dumpf wird. Viele moderne Instrumente bieten zusätzlich Drive oder Sättigung im Filter, was den berüchtigten „Analog‑Griff“ erzeugt.
Hüllkurven (ADSR) formen Zeitverläufe. Eine kurze Attack und ein mittleres Decay im Filter‑Envelope ergeben den ikonischen „Biss“ beim Bass; lange Attack‑ und Release‑Zeiten im Amp‑Envelope öffnen die Tür für schwebende Pads. LFOs bringen Bewegung: langsames Vibrato auf die Tonhöhe, sanftes Wabern auf die Cutoff oder ein dezentes Tremolo auf den VCA. In vielen Synths weist du Modulationen über eine Mod‑Matrix flexibel zu – etwa Aftertouch → Cutoff oder Modwheel → Vibrato –, wodurch Spieltechnik unmittelbar zum Klangparameter wird.
So klingt’s in der Praxis
Für einen Moog‑artigen Bass mischst du zwei Sägezähne mit einem leisen Sub hinzu, setzt das 24 dB‑Tiefpass tief an und gibst der Filterhüllkurve ein kurzes Decay ohne Sustain. Der Attack im Amp bleibt sehr kurz, damit der Ton sofort steht. Ein Lead profitiert oft von Rechteck‑Wellen mit lebendiger Pulsbreite, moderatem Filter‑Drive und etwas Portamento, damit Noten geschmeidig ineinander gleiten. Pads gewinnen Breite durch mehrere leicht verstimmte Sägezähne, langsame Hüllkurven und – wenn verfügbar – einen klassischen Chorus. Für Arpeggios und Plucks genügt häufig ein Sägezahn in ein 12 dB‑Tiefpass oder Bandpass mit kurzer Filterhüllkurve; ein synchrones Delay setzt rhythmische Akzente. Selbst Drums sind möglich: Rauschen plus Hochpass und extrem kurze Hüllkurven ergeben scharfe Hi‑Hats, während eine resonante Filterspitze das „Ping“ für Toms und Kicks liefert.
Subtraktive Synthese: Ein kurzer Blick in die Geschichte
Die subtraktive Synthese prägt seit den 1960er‑Jahren das Bild elektronischer Klangerzeugung. Frühe Modularsysteme und monophone Klassiker von Moog, ARP oder EMS machten das Prinzip populär; in den späten 70ern und 80ern zogen polyphone Instrumente nach – etwa Sequential Prophet‑5, Roland Jupiter‑8 oder Korg Polysix – und öffneten die Welt für flächige Akkordteppiche. In den 1990ern brachte die digitale Virtual‑Analog‑Welle (z. B. Clavia Nord Lead, Access Virus, Roland JP‑8000) den Sound in erschwingliche, roadtaugliche Geräte und DAWs. Heute findest du subtraktive Engines in kompakten Desktop‑Synths, in großen Workstations und in beinahe jeder Software‑Suite – vom edlen Plug‑in bis zum freien Open‑Source‑Instrument.
Warum subtraktiv lernen?
Weil die Methode unmittelbar belohnt. Du hörst jede Entscheidung sofort, trainierst dein Ohr für Filterbewegung, Hüllkurven und Modulation und legst damit ein Fundament, das dir später bei FM‑, Wavetable‑, additiver oder granularer Synthese hilft. Außerdem ist die Klangpalette weit größer, als viele vermuten: Von erdigen House‑Bässen über sphärische Ambient‑Flächen bis zu aggressiven Techno‑Leads – subtraktiv liefert schnell produktionstaugliche Ergebnisse.
Wo findest du subtraktive Synthese?
In der Hardware‑Welt reicht das Spektrum von modernen Analogen wie Moog Subsequent, Korg minilogue/prologue oder Arturia MiniBrute bis zu Hybriden wie Novation Peak/Summit und unzähligen Re‑Issues klassischer Konzepte. Software‑seitig sind u‑he Diva, die Arturia V Collection, TAL‑U‑No‑LX, diverse Cherry‑Audio‑Emulationen und das freie Surge XT bewährte Anlaufstellen – dazu kommen leistungsfähige DAW‑eigene Synths, die den Einstieg praktisch ohne Zusatzkosten ermöglichen.
Häufige Stolpersteine – und schnelle Lösungswege
Wenn ein Bass „matschig“ wirkt, sitzt die Cutoff oft zu hoch oder die Resonanz überzeichnet die Transienten; drehe die Cutoff herunter, dosiere den Sub‑Anteil behutsam und setze gegebenenfalls einen sanften Hochpass knapp über dem Sub‑Bereich. Klingen Leads flach, fehlt es selten an Qualität der Oszillatoren, sondern an Performance‑Modulation: Weisen Modwheel oder Aftertouch der Cutoff oder der Tonhöhe zu und gib dem Sound Lebendigkeit. Dünne Pads profitieren von mehreren, minimal verstimmten Stimmen, langsamer LFO‑Bewegung und einer Prise Sättigung. Und wenn Effekte alles „zukleistern“, lohnt sauberes Gain‑Staging: erst Klang formen, dann Effekte in moderaten Dosen.
Leitender Redakteur – keyboards.de
Multiinstrumentalist • Audio Engineer • Kreativer Tüftler • Familienvater • Pen-&-Paper-Enthusiast

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