Realistic Concertmate MG-1 (1982): Unbekannter Moog Synthesizer

Realistic Concertmate MG-1 analoger Synthesizer

Der Realistic Concertmate MG-1 wurde oft als „Moog des armen Mannes“ abgetan. Das wird ihm nicht gerecht. Hinter dem Realistic-Logo steckt ein echter Moog-Abkömmling: analog, warm, druckvoll – und mit ein paar Eigenheiten, die ihn heute zu einem Vintage-Geheimtipp machen.

Historie: Tandy, Radio Shack & Moog

Realistic war die Hausmarke von Radio Shack (Tandy Corporation) aus Texas. Das Unternehmen startete in den 1920ern, wurde in den 60ern Teil von Tandy und machte weltweit mit Elektronik auf sich aufmerksam – in Deutschland u. a. mit Tandy-Filialen in den 70ern. Neben Computern wie dem TRS-80 engagierte sich Radio Shack auch im Musikelektronik-Segment.
Frühe 80er: In Kooperation mit Moog erscheint der Realistic Concertmate MG-1. Moog baute ihn, vertrieben wurde er ausschließlich über Radio-Shack-Läden. Der Einstiegspreis lag bei rund 600 DM (1982). Prominente Nutzer wie Peter Gabriel, The High Llamas, 808 State, KMFDM oder No Doubt zeigen, dass der Kleine mehr kann, als sein Preisschild vermuten lässt.

Äußeres & Anschlüsse des Realistic Concertmate MG-1

Kompakt und unprätentiös: ein robustes Kunststoffgehäuse, 2½-Oktaven-Tastatur ohne Anschlagdynamik, Kopfhöreranschluss rechts vom Keyboard. Moog-typische Wheels fehlen; die meisten Bedienelemente sind Fader oder Schalter, ergänzt um Lautstärke- und Tune-Potis.
Hinten fallen RCA-Ein- und Ausgänge auf. „Stereo“ ist hier Marketing: Links und rechts führen dasselbe Signal – gedacht für die Stereoanlage im Wohnzimmer. Der Stereo-Eingang wird schlicht zum Ausgang durchgeschleift, ohne die Klangerzeugung zu passieren.
Wichtig fürs Studio: CV/Gate ist an Bord – CV mit 1 V/Oktave für die Tonhöhe und S-Trigger für die Gate-Steuerung. Damit lässt sich der MG-1 sauber in analoges Setup oder moderne MIDI-CV-Umgebungen integrieren.

Anschlüsse des Realistic MG-1
Foto: Bernhard Loesener

Klangerzeugung & Architektur

Der MG-1 bietet zwei VCOs:
VCO 1: Sägezahn, Rechteck
VCO 2: Dreieck, Puls
Beide lassen sich fein verstimmen und per dreistufigem Oktavschalter setzen; VCO 1 reicht eine Oktave tiefer als VCO 2. Es gibt Oszillatorsynchronisation sowie eine Ringmod-ähnliche Kreuzmodulation („Bell-Tone“) und Pink-Noise als dritte Klangquelle. Portamento ist ebenfalls vorhanden.
Besonderheit: eine achtstimmige Poly-Sektion auf Basis von Frequenzteilern (Rechteck-Charakter). Sie durchläuft das gemeinsame Moog-Tiefpassfilter, besitzt jedoch eine fixe, orgelartige Hüllkurve. Die Filterhüllkurve triggert global – jede neue Taste retriggert das eine Filter. Einschränkung? Ja. Kreativfaktor? Ebenfalls ja.
Der LFO liefert Dreieck, Puls und Random bis ca. 30 Hz. Das 24 dB/Okt. Ladder-Filter mit zweistufigem Key-Follow klingt klassisch fett. Die Envelopes erinnern an den Minimoog: Decay und Release teilen sich ein Poti, per Schalter wird Release fest oder auf Decay-Wert gelegt. Für Spaß sorgt Auto-Trigger: Die Hüllkurve wird im LFO-Tempo automatisch getriggert – ideal für simple Sequenzen und rhythmische Filterfahrten.

Klang & Praxis des Realistic Concertmate MG-1

Klanglich ist der MG-1 eindeutig Moog-Familie: warm, organisch, mit satter Low-End-Präsenz. Die VCOs liefern einen starken Grundton, das Ladder-Filter verleiht Cremigkeit und Durchsetzung.
Wer Minimoog-Breitband-Bass erwartet, landet nicht eins zu eins dort. Ein Grund: die auf Stimmstabilität („Heated Chip Technology“) optimierten Oszillatoren, die weniger driftig und damit etwas „strammer“ wirken. Dafür spielt der MG-1 Stärken aus, die der Minimoog so nicht bietet: metallische Spektren über Ringmod-ähnliche Klänge, scharfe Sync-Leads und die polyfone Sektion für orgelartige Layer – besonders lebendig mit LFO-modulierter Cutoff.
Tipp: Alle Klangquellen mischen (inkl. Poly-Sektion) und moderat am Filter anfahren – das ergibt dichte, „spiel fertige“ Sounds zwischen Indie-Pop, Electronica und Vintage-Score.

Bedienung & Studio-Workflow

Die Mixer-Sektion mischt VCO 1, VCO 2, Noise, Ringmod-Signal und Poly-Sektion stufenlos. Dank CV/S-Trig lässt sich der MG-1 flüssig extern sequenzieren. Die RCA-Ausgänge sind im Studio kein Deal-Breaker, aber viele Besitzer rüsten auf Klinke um. Für Live-Jams funktionieren Auto-Trigger-Grooves prima: LFO-Tempo leicht übertrieben, Cutoff in Bewegung – fertig ist die hypnotische Linie.

Realistic MG-1 Bedienfeld
Foto: Bernhard Loesener

Mods & Wartung (das Wichtige zuerst)

Öffnen lohnt sich – aus gutem Grund: Unter dem Panel sitzt oft schwarzer Schaumstoff, der mit den Jahren chemisch zerfällt („Black Goo“) und Fader verklebt. Schnell entfernen (fachgerecht) und ggf. Fader reinigen/ersetzen.
Beliebte, unkomplizierte Modifikationen:

  • RCA auf Klinke (Ausgänge/Eingang)
  • Externer Audio-In ins Filter
  • VCF-CV-Eingang für Cutoff-Modulation
  • MIDI-Retrofit via externem Interface oder Kit (häufige Anbieter/Anleitungen sind in der Szene bekannt)

Kurzfazit Realistic Concertmate MG-1:

Der Realistic Concertmate MG-1 ist mehr Vintage-Moog als sein Name vermuten lässt. Zwei VCOs, klassisches Ladder-Filter, clevere Poly-Sektion und Sync/Ringmod-Spielereien machen ihn zum vielseitigen Studio-Werkzeug – von warmen Bässen bis zu experimentellen Texturen. Wer einen charaktervollen, kompakten Analogsynth mit echter Moog-DNA sucht, findet im MG-1 einen preiswerten Klassiker mit Charme.

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