Die Geschichte des 19″-Standards

19" Rack im Tonstudio

Die Geschichte des 19″-Standards: Vom Technikrack zur Software-Emulation

Der 19″-Standard ist aus der Welt der Musik- und Veranstaltungstechnik nicht mehr wegzudenken. Ob im Tonstudio, auf der Live-Bühne oder sogar im IT-Bereich – Geräte im 19″-Format haben seit Jahrzehnten einen festen Platz. Doch woher kommt dieses Maß eigentlich, warum hat es sich durchgesetzt, und welche Rolle spielt es heute, wo Software viele Aufgaben von Hardware übernommen hat? Ein Blick in die Geschichte zeigt, warum der 19″-Standard zu einer globalen Erfolgsgeschichte wurde.


Die Anfänge des 19″-Formats

Die Ursprünge des 19″-Standards reichen bis in die 1920er Jahre zurück. In dieser Zeit benötigten die Telefonnetze in den USA eine einheitliche Bauweise für ihre Schaltschränke und Vermittlungsanlagen. Die Firma Western Electric, eine Tochter von AT&T, entwickelte dafür das bis heute gültige Maß: 19 Zoll Breite. Dieses Maß bot genügend Platz für die damals notwendige Technik, ließ aber gleichzeitig genug Spielraum für den Einbau mehrerer Module nebeneinander.

Schon bald übernahmen auch andere Branchen den Standard. Besonders die Elektronik- und Rundfunkindustrie erkannte die Vorteile einer genormten Bauweise. In den 1960er Jahren begannen schließlich auch Hersteller von Audiotechnik, ihre Geräte nach diesem Format zu bauen. Von Equalizern über Kompressoren bis hin zu Effektgeräten konnte so alles platzsparend und übersichtlich in einem Rack untergebracht werden.


Warum gerade 19 Zoll? Die Vorteile

Der Erfolg des 19″-Standards liegt in seiner praktischen Umsetzbarkeit. Mehrere Geräte konnten kompakt in einem einzigen Schrank oder Case montiert werden, wodurch Platz gespart wurde. Besonders in Tonstudios, in denen zahlreiche Signalprozessoren zum Einsatz kamen, war dies ein unschätzbarer Vorteil. Statt mehrere große und sperrige Gehäuse aufzustellen, ließen sich Dutzende Geräte sauber in einem Rack stapeln.

Auch die Flexibilität spielte eine wichtige Rolle. Da sich alle Hersteller auf das gleiche Maß einigten, waren Geräte weltweit kompatibel. Ein Kompressor aus den USA passte genauso in ein Rack wie ein Effektgerät aus Deutschland oder Japan. Für Musiker und Tontechniker bedeutete das: Sie konnten ihr Equipment frei kombinieren, ohne sich Gedanken über Maße oder Befestigungen machen zu müssen.

Ein weiterer Pluspunkt war die Transportsicherheit. Mit der Verbreitung der Veranstaltungstechnik wurden Rackschränke und spezielle Flightcases entwickelt, die empfindliche Geräte nicht nur vor Staub und Erschütterungen schützten, sondern auch den Transport vereinfachten. So konnten Bands, DJs und Techniker ihre gesamte Technik kompakt in robusten Cases mit auf Tour nehmen.

Darüber hinaus bot die Bauweise eine enorme Übersichtlichkeit. Alle Bedienelemente waren einheitlich angeordnet, die Verkabelung verlief auf der Rückseite, und das Rack konnte nach Belieben erweitert werden. Auch die Skalierbarkeit überzeugte: Vom kleinen Studio mit zwei Geräten bis hin zu professionellen Großanlagen mit ganzen 42 Höheneinheiten war alles möglich.


19″-Geräte im Studio und Live-Bereich

Vor allem in den 1970er bis 1990er Jahren erlebte das 19″-Rack seine Blütezeit. In Studios türmten sich ganze Schränke voller Equalizer, Kompressoren, Hallgeräte und Delay-Effekte. Geräte wie der Lexicon PCM 70 oder der DBX 160 entwickelten sich zu echten Klassikern, die bis heute für ihren charakteristischen Klang geschätzt werden. Viele Produzenten und Tontechniker schwören noch heute auf die Originalgeräte, da diese oft eine besondere Wärme oder Eigenheit im Sound haben, die Software-Emulationen zwar annähernd, aber nicht immer vollständig wiedergeben können.

Auch im Live-Bereich war der 19″-Standard nicht mehr wegzudenken. Funkmikrofon-Empfänger, Signalprozessoren, Frequenzweichen oder Verstärker wurden in stabilen Cases transportiert und boten Technikern die nötige Zuverlässigkeit. Für Bands auf Tour war das ein entscheidender Faktor: Alles konnte vorkonfiguriert werden, sodass beim Aufbau nur noch das Rack angeschlossen werden musste.


Der digitale Wandel: Vom Rack zum Plugin

Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik und leistungsfähiger Computer änderte sich die Situation. Ab den 2000er Jahren begannen immer mehr Produzenten, auf Software umzusteigen. Statt eines physischen 19″-Kompressors nutzten sie nun ein Plugin in ihrer Digital Audio Workstation (DAW). Die Vorteile waren offensichtlich: Ein Plugin kostet oft nur einen Bruchteil des entsprechenden Hardware-Geräts, benötigt keinen Platz im Studio und ist sofort einsatzbereit.

Auch die Möglichkeiten der Automatisierung überzeugten. Parameter ließen sich direkt im Projekt abspeichern, ohne dass man sich mühsam Notizen über Reglerstellungen machen musste. Außerdem konnten mehrere Instanzen desselben Effekts gleichzeitig genutzt werden – etwas, das mit Hardware-Geräten nur durch den Kauf mehrerer Einheiten möglich gewesen wäre.

Hersteller wie Waves, Universal Audio oder Native Instruments haben den Trend perfektioniert. Sie bieten Software-Versionen vieler legendärer 19″-Geräte an, die den Originalklang bis ins Detail nachbilden. Besonders die Kombination aus analoger Emulation und digitaler Flexibilität hat dazu geführt, dass heute viele Produzenten fast ausschließlich „in the box“ arbeiten, also rein digital.


Zwischen Nostalgie und Moderne

Trotz des Siegeszuges der Software ist der 19″-Standard keineswegs verschwunden. Viele Studios setzen nach wie vor bewusst auf Hardware. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche schwören auf den unverwechselbaren Sound bestimmter Geräte, andere genießen die haptische Bedienung von echten Reglern und Knöpfen. Auch im Live-Bereich sind 19″-Racks weiterhin Standard, insbesondere für Funkstrecken, Verstärker oder Signalverteilung.

Gleichzeitig gibt es heute Hybrid-Lösungen, die das Beste aus beiden Welten vereinen. Viele moderne 19″-Geräte bieten digitale Steuerungsmöglichkeiten, lassen sich also sowohl klassisch am Gerät bedienen als auch per Software fernsteuern. Das eröffnet neue Möglichkeiten und zeigt, dass der Standard auch im 21. Jahrhundert noch Zukunft hat.


Fazit: Ein Standard, der bleibt

Die Geschichte des 19″-Standards ist ein Paradebeispiel dafür, wie Normung, Praxistauglichkeit und Innovation zusammenspielen können. Was in den 1920er Jahren für Telefontechnik entwickelt wurde, prägt bis heute Studios, Bühnen und sogar Rechenzentren. Auch wenn Software und Plugins viele Aufgaben übernommen haben, bleibt das 19″-Rack ein Symbol für Zuverlässigkeit, Flexibilität und Professionalität.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Standard in naher Zukunft verschwindet. Vielmehr wird er sich weiterentwickeln – vielleicht weniger als allgegenwärtige Studiotechnik, aber sicher als fester Bestandteil der Live- und Pro-Audio-Welt.

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