Der Waldorf Microwave ist längst mehr als nur ein „günstiger PPG-Ersatz“. Auch wenn es manchen merkwürdig vorkommen mag: Der Microwave 1 hat inzwischen deutlich über 30 Jahre auf dem Buckel und gehört als direkter Nachfahre der legendären PPG Wave Klassiker fest in die ehrwürdige Riege historischer Vintage-Synthesizer.
Gleichzeitig ist er das erste Instrument der Firma Waldorf überhaupt – ein Unternehmen, das nach seinem Konkurs im Frühjahr 2004 zunächst ebenfalls Geschichte war, bevor der Name später wiederbelebt wurde. Als der 19″-Expander 1989 auf den Markt kam, lag der Preis bei 2.790 DM. Angesichts der umfangreichen Ausstattung konnte man diesen Preis durchaus als moderat bezeichnen.
Historische Wurzeln: Vom PPG Wave zum Waldorf Microwave
Herzstück des Waldorf Microwave ist seine hybride Klangerzeugung:
digitale Wavetable-Oszillatoren treffen auf eine analoge subtraktive Synthese inklusive klassischem Tiefpassfilter.
Die Wavetable-Synthese des Microwave basiert direkt auf dem PPG Wave, dessen markante, glasig-digitalen Sounds die Popmusik der 80er Jahre entscheidend geprägt haben. Kultentwickler und PPG-Gründer Wolfgang Palm schaffte es, die wesentlichen Elemente der digitalen Klangerzeugung des PPG Wave auf einen ASIC-Chip zu bringen.
Dieser ASIC arbeitet im Microwave zusammen mit einer Motorola MC 68000 P8 CPU und bildet damit das digitale Herz des Synthesizers. Auftraggeber für dieses Projekt war Waldorf-Chef Wolfgang Düren, der zuvor bereits die PPG-Geräte vertrieben hatte.
Die Firma PPG war 1987 in Konkurs gegangen. Das letzte Instrument aus dem PPG-Haus war der visionäre „Realizer“, ein DSP-gestütztes System, mit dem sich verschiedene Synthesizer emulieren lassen sollten. Aufgrund enormer Entwicklungskosten und der immer günstigeren Konkurrenz aus Fernost kam dieses Konzept jedoch nie als Seriengerät auf den Markt – und besiegelte letztlich das Ende von PPG. Der Waldorf Microwave trat so gewissermaßen das Erbe des PPG Wave an.
Design: Futuristischer 19″-Expander mit Kultfaktor
Optisch ist der Waldorf Microwave einer der auffälligsten und vielleicht schönsten 19″-Expander überhaupt. Sein deutlich andersartiges, fast futuristisches Design mit leichtem „Fischertechnik“-Appeal stammt von Kultdesigner Axel Hartmann (u. a. Alesis Andromeda, Waldorf Neuron). Dadurch wird der Microwave schnell zum optischen Schmuckstück in jedem Studio.
Am auffälligsten ist die charakteristische rote „Nase“ an der Front. Dabei handelt es sich um ein Dateneingaberad, das im 80er-Jahre-Techniksprech gerne großspurig „Alpha Dial“ genannt wurde. Der rote Drehknopf mit korrespondierendem Cursortaster wirkt fast so, als würde er rufen: „Fass mich an!“ – und steht dabei in einem geschmackvollen Kontrast zum stabilen, edel graublauen Aluminiumgehäuse.
Trotz der designorientierten Gestaltung wurde aber nicht nur an Optik-Fans gedacht, sondern auch an praktische Bedienbarkeit:
- wenige, aber sinnvoll angeordnete Bedienelemente
- ein (eigentlich unterdimensioniertes) 2×16-Zeichen-Display
- eine durchdachte Matrix-Struktur
Eine Bedienmatrix mit vier Ebenen, zugehörigen LEDs und vier runden Tastern erlaubt nach kurzer Eingewöhnung einen relativ direkten Zugriff auf zentrale Funktionen. Zusätzlich haben die Entwickler dem Waldorf Microwave einige „Fast Access“-Menüs spendiert. Dort lassen sich über mehrere Macro-Parameter schnell grundlegende Klangveränderungen vornehmen – etwa an den Hüllkurven, für die Standard-Envelopes für Brass, Strings und andere Grundklangtypen vorprogrammiert sind.
Anschlüsse, Multimode und Speicher
Auch auf der Anschluss- und Multimode-Seite ist der Waldorf Microwave für sein Alter erstaunlich flexibel ausgestattet:
- Stereoausgang
- vier Mono-Einzelausgänge zur separaten Weiterverarbeitung im Studio
- achtfach multitimbraler Betrieb auf der Multi-Ebene
- frei programmierbare Layer, Splits und Velocity-Switches

Über einen Cardslot lässt sich der Speicher mit 256k RAM-Cards oder ROM-Cards erweitern. Zahlreiche Sounddesigner – etwa Rob Papen oder Claudius Brüse (Keyboards-Autor) – haben passende Soundkarten programmiert, die den Microwave um viele zusätzliche Presets und Klangfarben erweitern.
Klangarchitektur: Hybrider Wavetable-Synth mit analogem Filter
Wenn man sich mit den Besonderheiten der Wavetable-Synthese (siehe Abschnitt „Wavetable-Synthese erklärt“) auseinandergesetzt hat, erschließt sich die Klangstruktur des Waldorf Microwave sehr schnell. Im Kern arbeitet der Synthesizer wie folgt:
- Wavetable-Oszillatoren (die sich gegeneinander verstimmen lassen)
- diese durchlaufen ein analoges 24 dB/Tiefpassfilter mit Cutoff und Resonanz
- Eigenschwingung des Filters ist möglich
- zusätzlich steht ein Rauschgenerator zur Verfügung
In der Hüllkurvenabteilung bietet der Waldorf Microwave:
- vier ADSR-Hüllkurven mit Delay-Funktion, die frei auf beliebige Modulationsziele geroutet werden können
- vier zusätzliche ADR-Hüllkurven
- ausreichend schnelle Envelopes für perkussive Sounds
Abgerundet wird das Ganze durch:
- eine umfangreiche Modulationsmatrix
- eine Portamento-Funktion
- zwei LFOs mit vielseitigen Einsatzmöglichkeiten
Damit deckt der Waldorf Microwave ein breites Spektrum von klassischen Synthesizeraufgaben bis zu komplexen, modulierten Klangverläufen ab.
Polyphonie, Link-Funktionen und Programmer
Standardmäßig bietet der Waldorf Microwave eine achtfache Polyphonie. Wem das zu wenig ist, der konnte damals mehrere Microwaves per Link-Funktion miteinander vernetzen. Zusätzlich bot Waldorf ein Stimmerweiterungsmodul mit dem treffenden Namen WaveSlave an:
- 19″-Modul mit 1 HE
- kaum Bedienelemente (Lautstärkeregler und zwei LEDs)
- wird per MIDI an einen Microwave angebunden
- erweitert die Polyphonie um weitere acht Stimmen
Mit Erscheinen des letzten Betriebssystems Version 2.0 wurde der Verkauf des WaveSlave eingestellt, da das Modul mit einigen der neuen Parameter dieser Betriebssystem-Version nicht mehr vollständig kompatibel war.
Für Anwender, die lieber mit vielen Reglern arbeiten, bot die Firma Access einen dedizierten Programmer für den Waldorf Microwave an. Dieses Pultgerät verfügt über:
- 22 Potis
- 9 Taster
und erlaubt einen intuitiven Direktzugriff auf die wichtigsten Klangparameter. Damit lässt sich der Microwave fast wie ein klassischer Analog-Synth mit Ein-Knopf-pro-Funktion bedienen.
Hermode Tuning: Reine Stimmung im Digitalzeitalter
Eine echte Besonderheit des Waldorf Microwave ist die Unterstützung von Hermode Tuning. Neben diversen Microtuning-Optionen bietet der Synthesizer damit die Möglichkeit, Akkorde automatisch in reinen (nicht temperierten) Intervallen auszugeben.
Das führt – insbesondere bei passenden Sounds und Akkordfolgen – zu einem sehr „strahlenden“ und offenen Klangcharakter. Der Reinstimmungs-Algorithmus analysiert die gespielten Harmonien und justiert die Tonhöhen der angeschlagenen Noten entsprechend.
Um dennoch kompatibel mit der gleichstufig temperierten Stimmung zu bleiben (was gerade im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten wichtig ist), wird der Stimmungsschwerpunkt des gespielten Akkords in den temperierten Bereich gerückt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Hermode Tuning auch in moderner Software wie Apple Logic (z. B. in Logic 7 und späteren Versionen) implementiert wurde – der Waldorf Microwave war hier also seiner Zeit ein Stück voraus.
Klangcharakter: Zwischen frostiger Digitalwelt und druckvollem Analogbass
Das klangliche Spektrum des Waldorf Microwave ist groß und äußerst charakterstark. Es reicht:
- von kalten, futuristischen Digitalsounds
- bis hin zu klassischen Analogsynthesizer-Klängen
Charakteristisch ist ein etwas harscher, direkter Klang mit leichter Schärfe. Dieser Eindruck wird durch dezente Aliasing-Artefakte in sehr hohen oder sehr tiefen Lagen zusätzlich unterstützt – ein Aspekt, der für viele Vintage-Fans gerade den Reiz dieses Synthesizers ausmacht.
Besonders gut gelingen:
- spacige, bewegte Flächen mit abenteuerlichen Modulationen
- metallische, gläserne Wavetable-Sweeps
- kickende und schiebende Bass-Sounds, bei denen das analoge Filter seine Stärken ausspielen kann
Gerade in der elektronischen Musik – von Techno über Electro bis hin zu Breaks – ist der Waldorf Microwave nach wie vor beliebt, etwa für druckvolle Bässe und prägnante Leads. Klassische 80er-Jahre-PPG-Sounds, etwa die bekannten kräftigen Chöre, lassen sich auf dem Microwave ebenfalls sehr gut nachempfinden.
Weniger geeignet ist der Microwave dagegen für sehr weiche, hauchige oder „breathige“ Digitalsounds, wie man sie beispielsweise vom Roland D-50 kennt. Zudem hat der Waldorf Microwave keine Effekte an Bord. Wer also Hall, Delay oder Chorus benötigt, muss diese extern im Mischpult oder in der DAW ergänzen.
Vergleich: Waldorf Microwave vs. PPG Wave
Viele Anwender stellen sich die Frage, ob der Waldorf Microwave genauso klingt wie der PPG Wave. Die Antwort: Beide Synthesizer klingen ähnlich, weisen jedoch jeweils eigene charakteristische Eigenheiten auf.
Die Unterschiede ergeben sich vor allem durch:
-
unterschiedliche Wandlerauflösungen
- PPG Wave 2.2: 8 Bit
- PPG Wave 2.3: 12 Bit
-
unterschiedliche Tiefpassfilter-Modelle
- PPG Wave: SSM-Filter
- Waldorf Microwave: Curtis-Chips (CEM 3389 Signalprozessor)
Die Curtis-Filter im Waldorf Microwave klingen eher sachlich, härter und etwas direkter, während die SSM-Filter des PPG Wave als wärmer und weicher wahrgenommen werden. Manche der typisch „holzig-digitalen“ PPG-Sounds lassen sich auf dem Microwave nicht ganz exakt replizieren. Umgekehrt kann der PPG Wave nicht jeden der aggressiven, bissigen Microwave-Sounds exakt nachbilden.
Beide Geräte besitzen also einen verwandten, aber eigenständigen Charakter – und genau das macht sie aus Sicht vieler Sammler und Klangtüftler so spannend.
Technische Daten & Features des Waldorf Microwave (Übersicht)
Zum Abschluss hier die wichtigsten Features des Waldorf Microwave kompakt zusammengefasst – ideal als schneller SEO-Überblick für alle, die nach einem Vintage-Wavetable-Synthesizer suchen:
- Hybride Klangerzeugung mit digitalen Oszillatoren und analogem Tiefpassfilter
- Wavetable-Synthese mit 32 Wavetables
- achtfache Polyphonie
- achtfach multitimbral (Multimode)
- zwei DCOs pro Stimme
- Möglichkeit zur Programmierung eigener Wellenformen (extern)
- 24 dB Tiefpassfilter mit Resonanz (Eigenoszillation möglich)
- vier ADSR-Hüllkurven mit Delay
- eine zusätzliche ADR-Hüllkurve
- zwei LFOs
- Portamento
- verschiedene Triggermodi
- umfangreiche Modulationsmatrix
- Realtime-Multi-SysEx-Steuerung
- 19″-Gehäuse, 2 HE
- 2 × 32 Sounds in zwei internen Bänken
- 64 Multisounds
- Kartenslot für 256k RAM-Cards oder Sound-ROM-Cards
- hintergrundbeleuchtetes 2×16-Zeichen-Display
- Stereoausgang plus vier monophone Einzelausgänge
- Möglichkeit zur Vernetzung mehrerer Microwaves (Link-Funktion)
- Fast-Access-Menüs zur schnellen Klangbearbeitung
- Hermode Tuning und diverse Microtuning-Funktionen
Herstellerlink: Waldorf Music – High-quality synthesizers from Germany
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