Roland Juno-106: Der polyfone Klassiker für Pads, Bässe und Live-Sets
Der Roland Juno-106 bleibt – auch Jahrzehnte nach seinem Debüt 1984 – ein verlässlicher Allrounder für weiche Pads, druckvolle Bässe und durchsetzungsfähige Leads. Dank direktem Bedienkonzept, 128 Speicherplätzen und MIDI eignet er sich sowohl für Bühne als auch Studio. Sein Stereo-Chorus macht Flächen größer, rauscht jedoch etwas. Beim Gebrauchtkauf sollte man die 80017A-Voice-Chips im Blick behalten.
Warum der Juno-106 bis heute relevant ist
Fast alle großen Elektronik-Acts – von The Chemical Brothers bis Underworld – hatten ihn entweder auf der Bühne oder im Studio im Einsatz. Das liegt einerseits am unmittelbaren Direktzugriff, andererseits am charakterstarken Grundklang, der praktisch nie schlecht klingt, egal wie man schraubt. Weil er polyfon ist und live äußerst stabil läuft, gehört er bis heute in viele Rigs.
Historie in Kürze
Roland veröffentlichte den sechsstimmigen Juno-106 im Jahr 1984 als Nachfolger des Juno-60. Besonders hervorzuheben ist die für damalige Verhältnisse vorbildliche MIDI-Implementierung: Nahezu jeder Regler sendet und empfängt MIDI-Controller-Daten, wodurch sich der Synth hervorragend automatisieren lässt. Zusätzlich gab es die Variante HS-60 mit eingebauten Lautsprechern – Klangengine identisch. Der Einführungspreis lag knapp unter 2.000 DM; gebaut wurde der 106 von 1984 bis 1988.
Für Fans moderner, kompakter Setups existiert außerdem die Roland Boutique JU-06 als virtuelle Nachbildung mit eigenem, digital geprägtem Charakter.
Nutzer & Einflüsse
Der weiche, leicht spacige Juno-Sound prägte zahlreiche Detroit-Techno-Produktionen (1. und 2. Generation). Derrick May, Kevin Saunderson, Kenny Larkin, Carl Craig und Terrence Dixon nutzten den 106 live wie im Studio. Darüber hinaus findet man ihn u. a. bei Autechre, The Chemical Brothers (live teils durch ein Boss Metal Zone), Daft Punk, Vince Clarke, Moby, 808 State, Underworld, Fatboy Slim, William Orbit, Josh Wink, Todd Terry, Depeche Mode, The Prodigy, Apollo 440, Faithless, Pet Shop Boys, Sneaker Pimps, Erasure, Freddy Fresh, Jimmy Edgar, Laurent Garnier, Vangelis, The Shamen und Sigur Rós.
Sogar außerhalb reiner Elektronik taucht er auf: Reese Wynans (Keyboarder von Stevie Ray Vaughan) setzt ihn live für Orgel- und Spinett-artige Klänge ein.
Nicht zuletzt schwören viele Acts bis heute auf den 106, weil er leicht zu transportieren, robust und sofort verständlich ist.
Bedienung & Haptik
Das zeitlose Design mit der ikonischen Farbcodierung wirkt bis heute frisch. Die Fader zeigen jederzeit den Klangzustand, wodurch Sounddesign unmittelbar gelingt. 128 Patches sind in Achtergruppen organisiert und lassen sich über Taster schnell anwählen. Die fünfoktavige Tastatur spielt sich angenehm, ist jedoch nicht anschlagsdynamisch. Als Spielhilfe dient der Roland-Pitch-Bender. Dadurch bleibt der Juno-106 auf der Bühne übersichtlich und im Studio produktiv.

Klangerzeugung: Schlank, aber wirkungsvoll
- Polyfonie: 6 Stimmen
- Oszillatoren: Pro Stimme 1 DCO (Sägezahn, Puls) + Suboszillator; Wellen lassen sich gleichzeitig aktivieren, jedoch nicht stufenlos mischen.
- Filter: Tiefpass mit Resonanz (kraftvoll formend) plus mehrstufiges, resonanzloses Hochpassfilter.
- Hüllkurve: Eine ADSR für VCF und VCA; das Low-Pass lässt sich invertiert modulieren; der VCA kann alternativ per Gate arbeiten.
- LFO: Sinus-LFO mit Delay, moduliert PWM, VCA und VCF-Cutoff.
- Effekt: Stereo-Chorus mit zwei festen Modi – sehr effektiv, aber hörbar rauschend.
So klingt er – in der Praxis
- Pads & Flächen: warm, lebendig, breit durch Chorus – ideal für Ambient, House und elektronische Scores.
- Bässe: dank Suboszillator erstaunlich druckvoll und mix-tauglich.
- Leads/Sequenzen: griffig, einfach zu bauen, und bleiben – im Gegensatz zu manchem VA – lange charmant.
- Perkussives: mit der schnellen Hüllkurve gut machbar.
- Grenzen: Für experimentelle Geräusche (Ringmod, Cross-Mod, Osc-Sync) ist der 106 nicht ausgelegt.
Anschlüsse & Praxis
Neben MIDI war 1984 vor allem der Stereo-Ausgang (wegen des Chorus) ein Plus. Rückseitig gibt es außerdem ein Kassetten-Interface zur externen Patch-Speicherung sowie Buchsen für Fußschalter (Patch-Advance) und Sustain-Pedal.
Tipp für den Transport: Den freiliegenden Plastik-Bender schützt man am besten mit einem dicken Stück festen Schaumstoffs im Case – dadurch vermeidet man Stress im Touralltag.
Achillesferse 80017A: Worauf du achten musst
Die Verarbeitung ist insgesamt road-tauglich. Dennoch gilt der Roland-Chip 80017A (Filter/VCA, sechsfach vorhanden) als Kritikpunkt: Er kann nach Jahren ausfallen, was sich in flachen, konturlosen Stimmen äußert.

Test beim Gebrauchtkauf:
-
Patch mit hoher Resonanz wählen.
-
Sechs Noten nacheinander spielen und halten.
-
Auf abweichende Stimme achten.
-
Den Test nach 10–15 Minuten erneut durchführen, weil defekte Chips oft erst warm Probleme zeigen.
Original-Chips werden nicht mehr hergestellt; es gibt jedoch Nachbauten (z. B. von Analog Renaissance). In manchen Fällen lassen sich defekte Chips reparieren, sofern man die Kunstharz-Vergussung sorgfältig entfernt.
Juno-60 oder Juno-106?
Der Juno-60 (1982) klingt für viele erdiger und breiter, während der 106 häufig runder, moderner und gelegentlich etwas kühler wahrgenommen wird. Unabhängig davon überzeugt der 106 zusätzlich mit MIDI und integriert sich dadurch reibungslos in heutige Setups. Am Ende bleibt es Geschmackssache – wer jedoch Automation und Speicher-Komfort schätzt, greift meist zum 106.
Pro & Contra Roland Juno-106
Vorteile
- Direktzugriff mit Fadern; schnelles Sounddesign
- Warmer Grundklang, legendärer Stereo-Chorus
- MIDI mit umfassender Controller-Unterstützung
- 128 Speicherplätze; live-tauglich und robust
Nachteile
- Chorus rauscht wahrnehmbar
- Nur ein DCO pro Stimme, keine Cross-Mod/Sync
- 80017A-Voice-Chips als potenzieller Schwachpunkt
Technische Daten (Kurzüberblick)
| Merkmal | Wert |
|---|---|
| Baujahre | 1984–1988 |
| Polyfonie | 6 Stimmen |
| Oszillatoren | 1× DCO/Voice (Saw, Pulse) + Suboszillator |
| Filter | 24 dB Tiefpass mit Resonanz + HPF (mehrstufig, ohne Resonanz) |
| Hüllkurven | 1× ADSR für VCF & VCA (VCF invertierbar) |
| LFO | Sinus mit Delay |
| Effekte | Stereo-Chorus (2 Modi) |
| Speicher | 128 Patches (in 8er-Bänken) |
| Tastatur | 61 Tasten, keine Anschlagdynamik/Aftertouch |
| Anschlüsse | MIDI In/Out/Thru, Stereo Out, Tape-Interface, Pedal/Footswitch |
| Besonderheiten | Vorbildliche MIDI-CC-Anbindung, einfacher Live-Workflow |
Gebrauchtkauf-Checkliste (praktisch & kurz)
- Voice-Test wie oben beschrieben durchführen (kalt & warm).
- Chorus auf übermäßiges Rauschen prüfen.
- Fader & Taster auf Gleichlauf und Kontaktprobleme testen.
- MIDI-CC senden/empfangen – funktioniert alles bidirektional?
- Tape-Save (optional) kurz ausprobieren, sofern Equipment vorhanden.
- Reparatur-Historie und ggf. Ersatz-Voice-Chips (z. B. Analog Renaissance) erfragen.
FAQ – Roland Juno-106
Ist der Juno-106 ein echter Analogsynth?
Ja. Die Tonhöhe wird digital kontrolliert (DCO), während die Klangformung (Wellen, Filter, VCA) analog erfolgt.
Warum rauscht der Chorus?
Der analoge Stereo-Chorus verleiht Flächen zwar Größe und Wärme, erzeugt jedoch bauartbedingt ein hörbares Rauschen – das ist Teil des Vintage-Charakters.
Worin unterscheidet sich der Juno-106 vom Juno-60?
Der 60er klingt oft erdiger und hat kein MIDI; der 106 bietet MIDI/Automation, 128 Speicherplätze und wirkt klanglich etwas moderner.
Gibt es moderne Alternativen?
Die Roland Boutique JU-06 emuliert den 106 in kompakter Form und klingt gut, wirkt aber digital und unterscheidet sich dadurch hörbar vom Original. Behringer Deepmind 6/12 gilt inoffiziell als Clone des 106



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