Cheetah MS-6: Der Vintage-Analogsynth im Rack (1988) – der „Matrix des armen Mannes“ im ausführlichen Porträt
Cheetah MS6: Die britische Firma Cheetah Musical Instruments Ltd. – vielen durch Masterkeyboards, Drumcomputer und Spectrum-Software bekannt – brachte 1988 den MS-6 als preiswerte Antwort auf den Oberheim Matrix-1000 heraus. In der Szene erhielt er schnell den Spitznamen „Matrix des armen Mannes“: klanglich überraschend stark, aber mit berüchtigter Fertigungsqualität. Rund 5.000 Exemplare entstanden, vor allem für den britischen Markt.
Das spätere Großprojekt Zeus (24 Stimmen, 12-fach multitimbral, interner Effektprozessor) überforderte das Unternehmen; 1993 folgte die Insolvenz. Ein seltener Nachklang: der MS-6/2 mit Stereo-Ausgängen, externen Eingängen und Effektprozessor, vertrieben von der Cheetah-Nachfolgefirma Soundscape.
Design & Bedienung: Rack-Charme mit Ecken und Kanten
Optisch weckt das 1-HE-Gehäuse mit seinem vierstelligen LED-Display eher Radiowecker-Assoziationen als Analogsynth-Romantik. Die Front bietet zwölf Taster für Anwahl und Edit, dazu – und das ist der größte Lapsus – keinen Lautstärkeregler. Die Lautstärke lässt sich zwar über Plus/Minus justieren, das ist jedoch umständlich; zudem sind viele Werkspresets auf Maximalpegel gespeichert, was beim Umschalten zu Pegelsprüngen führt.
Vorbildlich gedacht: Auf der Oberseite sind alle Parameter mit Zifferncodes aufgedruckt – praktisch außerhalb des Racks, im Einbau aber kaum sichtbar. Hinten warten MIDI-Trio und Mono-Out.

Architektur & Klang
Der MS-6 orientiert sich in seiner Klangarchitektur am Matrix-1000 und nutzt Curtis-Bausteine (CEM3396). Pro Stimme arbeiten zwei digital gesteuerte Oszillatoren (DCOs) mit Sägezahn, Dreieck, Rechteck; die Pulsbreite ist einstellbar und via Hüllkurve oder PWM-LFO modulierbar. Oszillator A kann zu Oszillator B synchronisiert werden; Oszillator B liefert zusätzlich Noise.
Das 24-dB-Tiefpassfilter (resonanzfähig bis Selbstoszillation) packt kräftig zu; Cutoff lässt sich über LFO (vier Wellenformen), Velocity und Hüllkurve modulieren. Zwei ADSR-Hüllkurven stehen bereit: nicht die allerschnellsten, aber percussive Sounds sind machbar. Aufwendige Matrix-Modulationen à la Oberheim bleiben außen vor – der MS-6 setzt eher auf klassische Analog-Stärken.
Klangbild: warme Pads, fette Bässe, Acid-nahe Sequenzen und singende Leads sind sein Revier. Charakterlich erinnert er häufig an Matrix-1000 und in Momenten an Sequential-Klangfarben – insgesamt etwas weicher und weniger aggressiv als die großen Vorbilder. Sein Trumpf: echte Multitimbralität – bis zu sechs unabhängige Parts erlauben komplexe Layer und Splits. Velocity und Aftertouch (mono) sorgen für ausdrucksstarkes Spiel.
Presets, Speicher & Performance
Ab Werk bietet der MS-6 320 ROM-Sounds in fünf Bänken – solide „Brot-und-Butter“ (Strings, Orgeln, Synth- und Basssounds), aber keine Sensations-Presets. Eigene Patches lassen sich in 96 RAM-Speichern (Bank 6 & 7) ablegen, dazu gibt es 64 Performance-Plätze für Multis. Einschränkungen: Bank-Change wird im Originalzustand nicht erkannt und Bank 7 ist in Performances nicht nutzbar – beides lässt sich jedoch per Firmware-Update beheben (siehe unten).

Editieren & MIDI
Wer das Editieren mit Fronttastern scheut, greift zu SysEx-Editoren (z. B. aus dem Umfeld der Seite maad.net/ms6). Control-Change-Steuerung ist im Werks-OS nicht vorgesehen; dafür ist die SysEx-Abdeckung ordentlich. Für performantes Studio-Setup empfiehlt sich daher ein externer Software-Editor oder ein Hardware-Programmer.
Firmware-Upgrades: Das versteckte Potenzial
Ein großes Plus des MS-6 ist seine updatefähige Firmware. Community-Entwicklungen haben das Gerät deutlich aufgewertet. Besonders populär ist das Kristofer-Maad-Betriebssystem (v1.3, EPROM), aufgebaut auf dem letzten offiziellen Cheetah-OS 9.0. Die wichtigsten Verbesserungen in Kürze:
- MIDI-Bank-Change (CC#0) und Program-Change pro Part im Performance-Modus
- Control-Change für alle Klangparameter (echte CC-Steuerbarkeit)
- Mehr Wellenformen und Stummschalten beider Oszillatoren (für reine Filter-Selbstoszillation)
- Erweiterte SysEx-Funktionen, Mono-Mode pro Part mit flexiblen Retrigger-Optionen
- Portamento pro Part (constant-time 0,015–18,3 s oder constant-rate 400–0,44 Halbton/s; full-time oder fingered)
- Nutzung der Bank-7-Sounds in Performances
Weitere alternative Custom-Firmwares kursieren ebenfalls; sie erweitern die Möglichkeiten von Modulation bis Performance-Verwaltung und machen den MS-6 im Jahr heute besonders spannend.
Cheetah MS6 – Gebrauchtkauf: Worauf du achten solltest
Der MS-6 ist in Deutschland relativ selten, in Großbritannien häufiger anzutreffen. Erfahrungswerte nennen ~550 € als grobe Hausnummer, der Zustand entscheidet. Vor dem Kauf:
- Batterie & Calibration-Mode: Startet das Gerät sofort in die Kalibrierung, ist meist die Pufferbatterie leer. Tauschen, anschließend die Platine auf Batteriesäureschäden prüfen.
- Stimmencheck: Fehlende Stimmen deuten häufig auf einen defekten CEM3396 hin; der Austausch ist machbar, die Teilelage schwankt.
- Netzbrummen: Frühe Serien neigen zu starkem Brummen – ein erfahrener Techniker kann das zuverlässig beseitigen.
- Service-Unterlagen: Schaltpläne sind rar. Bei Reparaturen hilft oft der Blick in Oberheim-Matrix-1000-Dokumentation, da die Klangerzeugung verwandt ist.
- Keine Blindkäufe: Wenn möglich, vor Ort testen – Pegelsprünge, Taster, MIDI, alle sechs Stimmen, Speicher und Netzteil genau prüfen.
Praxis-Fazit: Cheetah MS6
Trotz fehlendem Lautstärkeregler, spartanischer Bedienung und mancher Serienstreuung bleibt der Cheetah MS-6 ein lohnenswerter Vintage-Racksynth. Er klingt klassisch-analog, liefert multitimbrale Setups und wächst mit aktuellen Firmwares über sich hinaus – inklusive voller CC-Steuerbarkeit und praktischer Performance-Extras. Wer einen kompakten, preislich fairen Einstieg in die Welt der Curtis-Klangfarben sucht (ohne gleich zum Matrix-1000 zu greifen), findet im MS-6 einen charaktervollen Geheimtipp.
Technische Eckdaten im Überblick (kompakt)
Sechs Analogsynth-Stimmen, sechsfach multitimbral; pro Stimme 2 DCOs (Sägezahn, Dreieck, Rechteck; PWM, Sync, Noise), 24-dB-Tiefpass (Resonanz bis Selbstoszillation), 2× ADSR, LFO mit 4 Wellenformen, Velocity & mono Aftertouch; 320 ROM + 96 RAM-Patches, 64 Performances; 1 HE-Rack, LED-Display, MIDI-Trio, Mono-Out; Firmware-Upgrades verfügbar.

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