Kawai – Vom Klavierbau zur Synthesizer-Entwicklung
Vor dem Kawai 100F: Die Firma Kawai mag nicht zu den ersten Synthesizer-Pionieren wie Moog oder Buchla gehören, doch ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1927 zurück. Damals wurde das Unternehmen von Koichi Kawai gegründet und machte sich zunächst vor allem als einer der weltweit führenden Klavierhersteller einen Namen. Allerdings erkannte Kawai in den 1970er Jahren das Potenzial elektronischer Musikinstrumente und gründete deshalb eine Electronic Division. Um das Klavierbauer-Image abzulegen, wurden viele Produkte unter dem Namen Teisco vermarktet.
Zu den bekannten Teisco-Synthesizern gehören der monophone Teisco 110F, der sich teilweise an ARP-Bauteilen orientierte, sowie der vierstimmige SX-400 (1980), ein Konkurrent des Roland Jupiter-4. Darüber hinaus zählten auch Preset-Synthesizer und Multikeyboards zur Produktpalette. Für die Entwicklung war der Chef-Entwickler Yoichi Kondo verantwortlich.
Der Kawai 100F – Ein Synthesizer aus der Anfangszeit
Eines der ersten Instrumente der Kawai Electronic Division war der Kawai 100F, ein monophoner Analog-Synthesizer, der 1977 für ca. 1.000 DM auf den Markt kam.
Dieser Synthesizer wurde unter anderem von Depeche Mode bei der Produktion ihres frühen Songs Photographic eingesetzt. Das Stück erschien auf der Compilation des Labels Some Bizarre. Der Kawai 100F wurde hier zusammen mit einem ARP 2600 und einer Boss DR-55 Rhythmusmaschine genutzt (siehe KEYBOARDS 01/06).

Design und Bedienung des Kawai 100F
Der Kawai 100F misst 54,5 x 34,5 x 15 cm und besitzt eine 37-Tasten-Klaviatur. Allerdings fehlen Spielhilfen wie Pitch- oder Modulationsräder komplett. Im Gegensatz zu den späteren, grau gehaltenen Teisco-Synthesizern besitzt der 100F hingegen ein dunkles Metall-Bedienfeld, das in ein Holzgehäuse eingefasst ist.
Sämtliche Parameter werden über Fader gesteuert, wodurch die Bedienung übersichtlich bleibt. Zudem sind die Funktionsgruppen klar markiert, jedoch unterscheidet sich die Anordnung teilweise von anderen Synthesizern. So liegen beispielsweise die beiden Hüllkurvensektionen oben links.
Klangerzeugung & Modulation
Der Kawai 100F verfügt über einen einzelnen VCO mit den Wellenformen Sägezahn und Rechteck. Dabei bietet der Oszillator beeindruckende sieben Fußlagen: 2’, 4’, 8’, 16’, 32’, 64’ sowie einen „Low“-Modus, bei dem einzelne Impulse hörbar sind. Somit ist dies für einen monophonen Synthesizer eine beachtliche Auswahl.
Zusätzliche Klangquellen:
- Rauschgenerator (nur alternativ zum Oszillator nutzbar)
- Externer Audioeingang
Filter
Der 100F besitzt ein 24 dB Lowpass-Filter mit Resonanz und Selbstoszillation sowie ein 12 dB Hochpass-Filter ohne Resonanz. Letzteres erweitert das Klangspektrum erheblich.

Hüllkurven
Es gibt zwei Hüllkurven, jedoch keine klassische ADSR-Struktur:
- Attack und Decay sind stufenlos einstellbar
- Sustain/Release lässt sich per dreistufigem Wahlschalter definieren
- Die zweite Hüllkurve kann vom Keyboard oder LFO getriggert werden
Die Hüllkurven sind schnell genug für perkussive Sounds, ideal für Synth-Drums.
LFO & Modulation
Der LFO bietet Rechteck, Sägezahn und Dreieck und reicht von 0,03 Hz bis 50 Hz (fast in den Audiobereich). Er kann VCO und Filter modulieren. Ein zusätzlicher Delay-Parameter ermöglicht einen verzögerten Vibratoeinsatz.
Besonderheiten:
- VCO kann durch eine der beiden Hüllkurven moduliert werden → ermöglicht „Piuuu“-Effekte für Synth-Drums
- Filtermodulation durch den VCO → Der 110F bietet dies nicht!
- Steuerspannung über Expression-Pedal nutzbar
Portamento
Es gibt drei Portamento-Modi:
- Normal-Modus (klassisches Portamento)
- Legato-Modus (Portamento nur bei gebundenem Spiel)
- Fortlaufender Modus, bei dem jede Taste gleitend verbunden wird
Dieser Effekt war in den 80er Jahren oft in Synthpop- und Electro-Produktionen zu hören.
Anschlüsse & Steuerung des Kawai 100F
Die Rückseite ist für einen monophonen Synthesizer gut ausgestattet:
- CV-Eingang für Tonhöhensteuerung
- Expression-Pedal-Eingang zur Filtersteuerung
- Eingang für externe Audioquellen
- Zwei Mono-Ausgänge (Hi & Low)
- Zwei Control-Voltage-Ausgänge (Steuerspannung für obere und untere Tastaturhälfte)
Ein Gate-Input fehlt, kann aber problemlos nachgerüstet werden.

Klang & Fazit
Dank des kraftvollen Lowpass-Filters und des vielseitigen VCOs besitzt der Kawai 100F einen warmen, druckvollen Grundsound. Er eignet sich hervorragend für knarzige Bässe und expressive Leadsounds.
Zwar fehlt ihm ein zweiter Oszillator für Schwebungen à la Minimoog, doch durch:
- VCO-Modulation per Hüllkurve
- Filtermodulation durch den VCO
- Hochpassfilter
- Außergewöhnlichen Tonumfang des VCOs
eröffnet sich dennoch ein großes Klangspektrum. Der Kawai 100F ist selten auf dem Gebrauchtmarkt zu finden und gehört zu den rarsten Synthesizern aus dem Hause Kawai/Teisco.
Technische Features des Kawai 100F
- Monophoner, analoger Synthesizer
- 1 VCO (Sägezahn, Rechteck)
- Noisegenerator & externer Audioeingang
- 24 dB Lowpass-Filter mit Resonanz
- 12 dB Hochpass-Filter
- 2 Hüllkurven (AD mit dreistufigem Sustain/Release)
- LFO mit Dreieck, Rechteck, Sägezahn (0,03 – 50 Hz)
- 3 Portamento-Modi
- Keyboard-Tracking & CV/Gate-Steuerung
- Expression-Pedal-Option für Filtermodulation
- 37-Tasten-Klaviatur
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