Clavioline: Die röhrenbetriebene Synthesizer-Legende

Clavioline

Die Clavioline ist kein Saiteninstrument, sondern zählt zu den frühesten serienmäßig hergestellten Synthesizern der Musikgeschichte. Dieses röhrenbasierte Vintage-Instrument wurde von bekannten Musikern wie Sun Ra, den Beatles und den White Stripes eingesetzt und gilt heute als Kultobjekt unter Synthesizer-Fans.


Psychedelischer Sound bei den Beatles

Wer bei dem exotischen Solo in „Baby You’re a Rich Man“ (1967) der Beatles an ein fernöstliches Blasinstrument denkt, irrt: Es handelt sich um die Clavioline, eingespielt von John Lennon. In ihrer psychedelischen Phase experimentierten die Beatles mit ungewöhnlichen Klangquellen – und fanden in der Clavioline ein perfektes Werkzeug.


Die Geschichte der Clavioline

Erfunden wurde die Clavioline im Jahr 1947 vom französischen Ingenieur M. Constant Martin in Versailles. Bereits 1943 hatte Martin eine elektronische Orgel entwickelt. Die Clavioline wurde später u. a. von Gibson (USA), Jörgensen (Deutschland) sowie Selmer (Frankreich/Großbritannien) gefertigt und vertrieben.

Als direkte Inspiration gilt die Hammond Solovox, entwickelt von Alan Young, John Hanert, Laurens Hammond und George Stephens. Von diesem Vorläufer existieren drei Modelle, die zwischen 1940 und 1950 in den USA produziert wurden.

Technischer Aufbau und Klangerzeugung

Die Clavioline ist ein monofoner Synthesizer, der auf einem Röhrenoszillator basiert. Dieser erzeugt eine leicht verzerrte Rechteckwelle, während eine Frequenzteiler-Schaltung die verschiedenen Tonhöhen generiert.

Ausgestattet ist das Instrument mit einer dreioktavigen Tastatur, die allerdings keine Anschlagsdynamik bietet und aus kleinen Minitasten besteht. Mithilfe eines Oktavschalters lässt sich die Tonlage eine Oktave nach oben oder unten transponieren – ein Feature, das auf den Entwickler Harald Bode zurückgeht, der später auch eine polyfone Variante der Clavioline entwickelte.

Kippschalter Clavioline
Foto: Bernhard Loesener

Die Klangerzeugung wird durch eine Filtersektion ergänzt, in der Tiefpass-, Hochpass- und Bandpass-Filter über Kippschalter aktiviert werden können. Darüber hinaus lässt sich ein Suboszillator zuschalten, und ein weiterer Schalter aktiviert eine perkussive Attackphase, die dem Klang zusätzliche Impulsivität verleiht.

Für Modulationseffekte steht ein Vibrato zur Verfügung, dessen Frequenz und Intensität über zwei drehbare Potis – im Stil alter Radiogeräte – justiert werden. Die Lautstärkesteuerung erfolgt dynamisch über einen Kniehebel aus Bakelit, der unter dem Keyboard montiert ist und mit einer Rückholfeder arbeitet.

Mechanisch ist die Clavioline so konzipiert, dass sie sich mithilfe von Montagewinkeln unter eine Orgel oder ein Klavier schrauben lässt; alternativ war ein spezieller Ständer erhältlich. Zur vollständigen Einheit gehört ein separater Röhrenverstärker mit integriertem Lautsprecher, der sich in einem robusten Case befindet. Das Instrument wird über ein spezielles Multi-Pin-Kabel mit dieser Verstärkereinheit verbunden.

Modpoti Clavioline
Foto: Bernhard Loesener31

Legendäre Clavioline-Nutzer

Die Clavioline war nicht nur bei den Beatles im Einsatz. Weitere bekannte Songs und Künstler:

  • Del Shannon – Runaway (1960): Solo von Max Crook mit einem modifizierten Clavioline-Nachbau namens Musitron

  • The Tornados – Telstar (1962): Komponiert von Joe Meek, gespielt auf einer Univox-Clavioline von Geoff Goddard

  • Sun Ra: Einsatz u.a. auf dem Album Magic City

  • The Strawbs: Track „The Flower and the Young Man“

  • Amon Düül II: Album Wolf City

  • Daisy Bell, White Stripes: Verwendung in neueren Indie-Produktionen

Joe Meeks Produktion von „Telstar“ war bahnbrechend, u.a. mit Tape-Overdubs, Speed-Manipulation und Effekten aus Heizspiralen – und natürlich mit der Clavioline im Zentrum.


Klangcharakter und Besonderheiten

Die Clavioline erzeugt einen einfachen, aber warmen und organischen Klang, der durch den Röhrenoszillator und den ebenfalls röhrenbasierten Verstärker geprägt wird. Ihr charismatischer Vintage-Sound hebt sich von modernen Synths ab.

Trotz zahlreicher Schaltmöglichkeiten ist der Klangcharakter relativ eingeschränkt, was jedoch durch unverwechselbare Texturen und charmante Fehlfunktionen (Glitches) bei alten Geräten mehr als wettgemacht wird.


Fazit: Clavioline – Ein Meilenstein der Synthesizer-Geschichte

Die Clavioline ist ein Kult-Synthesizer aus der Frühzeit elektronischer Musikinstrumente. Mit ihrem unverkennbaren Röhrensound, ihrer Geschichte als Beatle-Instrument und ihrem Einsatz bei stilprägenden Produktionen bleibt sie ein faszinierendes Relikt, das bis heute Musiker inspiriert.

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