Kein Audioformat – sondern digitale Gerätesteuerung
Viele Musiker*innen stoßen früher oder später auf den Begriff MIDI – sei es im Studio, bei der Arbeit mit DAWs wie Ableton Live oder Logic Pro, oder beim Ansteuern von Synthesizern, Drum Machines und Samplern. Doch was ist MIDI eigentlich?
🎧 MIDI ist kein Audioformat
Das ist ein weit verbreiteter Irrtum: MIDI speichert keinen Ton. Eine MIDI-Datei enthält keine Klänge oder Aufnahmen, sondern lediglich digitale Steuerinformationen – vergleichbar mit einer Notenschrift für Computer und Instrumente.
Ein einfaches Beispiel: Wenn du auf einem Keyboard eine Taste anschlägst, wird dabei nicht der Ton selbst aufgenommen, sondern: welche Taste du gedrückt hast (z. B. C3 oder G#4), wann du sie gedrückt hast, wie lange du sie gehalten hast – und mit welcher Stärke du sie angeschlagen hast. Diese Informationen werden als Daten gesendet und von einem Klangerzeuger, etwa einem Software-Instrument oder Hardware-Synthesizer, in hörbaren Ton umgesetzt.
🔌 Die „Steuerzentrale“ für Musik
MIDI bedeutet „Musical Instrument Digital Interface“ – kurz: ein Standardprotokoll, das seit den 1980er Jahren die Kommunikation zwischen elektronischen Instrumenten, Computern und Musiksoftware ermöglicht. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass ein Keyboard in Echtzeit ein virtuelles Piano in der DAW steuern kann. Ebenso kann eine Drum Machine über diese Daten bestimmte Sounds in einem Sampler auslösen. Darüber hinaus lassen sich sogenannte „Control Change“-Befehle senden, mit denen sich Parameter wie Filter, Lautstärke oder Modulation automatisiert steuern lassen. Diese digitale Sprache fungiert somit als zentrale Steuerschnittstelle moderner Musikproduktion.
Das Besondere daran: Es wird nicht der Ton selbst übertragen, sondern lediglich Steuerinformationen – wie etwa, welche Taste gedrückt wurde, wann das geschah, wie lange sie gehalten wurde und mit welcher Anschlagsstärke. So lassen sich selbst feinste musikalische Ausdrucksformen präzise erfassen und flexibel an verschiedene Klangerzeuger weitergeben. Diese Form der Kommunikation erlaubt es, komplexe Setups aus unterschiedlichen Geräten perfekt zu koordinieren – sei es im Studio oder auf der Bühne. Mit nur einem Tastendruck kann ein ganzes Ensemble aus Synthesizern, Softwareinstrumenten und Effektgeräten gleichzeitig angesprochen und gesteuert werden. Das eröffnet unzählige kreative Möglichkeiten und ist aus der heutigen Musikproduktion nicht mehr wegzudenken.
🔗 MIDI verkabeln – so geht’s richtig
Damit die Daten zwischen Geräten übertragen werden können, braucht es nicht nur das richtige Setup, sondern auch die passende Verkabelung. Je nach Gerätetyp und Baujahr kommen dabei klassische MIDI-Kabel oder moderne USB-Verbindungen zum Einsatz.
🎛️ Klassische 5-Pol-Verbindung
Für viele Hardware-Instrumente wie Synthesizer, Drum Machines oder Effektgeräte wird ein 5-poliges DIN-MIDI-Kabel verwendet – ein runder Stecker mit fünf Pins. Diese Kabel übertragen ausschließlich MIDI-Daten (keine Audioinformationen) und werden folgendermaßen angeschlossen:
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MIDI Out sendet Daten aus dem Gerät heraus (z. B. von einem Keyboard).
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MIDI In empfängt Daten in das Gerät hinein (z. B. ein Synthesizer, der gesteuert wird).
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MIDI Thru gibt das empfangene Signal unverändert weiter – praktisch für das Durchschleifen an weitere Geräte in einer Kette.
🔁 Beispiel: Willst du ein Keyboard mit einem externen Synth verbinden, dann steckst du das Kabel vom MIDI Out des Keyboards in den MIDI In des Synths. Möchtest du danach ein weiteres Gerät anschließen, gehst du vom MIDI Thru des Synths in den MIDI In des nächsten Geräts.
💻 MIDI über USB
Viele moderne Geräte – vor allem Controller, Audio-Interfaces und DAWs – nutzen USB zur Übertragung von Steuerdaten. Das hat mehrere Vorteile: Es wird kein separates MIDI-Kabel benötigt, und es lassen sich gleichzeitig Strom und Daten übertragen (z. B. bei USB-Bus-powered Geräten). Hier ist die Verkabelung noch einfacher: Du verbindest das Gerät per USB-Kabel (Typ A auf B oder C) direkt mit deinem Computer.
In DAWs wie Ableton, Logic oder Cubase wird das Gerät nach dem Einstecken meist automatisch erkannt und kann in den MIDI-Einstellungen ausgewählt werden.
🔄 MIDI-Routing kombinieren
Oft ist ein Mix aus beiden Systemen nötig: Ein USB-Keyboard sendet Daten an die DAW, während die DAW über ein Audiointerface mit klassischen MIDI-Ports wiederum externe Hardware ansteuert. In solchen Fällen lohnt sich ein MIDI-Interface oder ein USB-Hub mit integriertem MIDI-Support.
🧠 Was macht MIDI so mächtig?
Der große Vorteil von MIDI liegt in seiner Effizienz und Flexibilität. Die Daten sind äußerst kompakt, da sie ausschließlich Steuerdaten enthalten – das spart Speicherplatz und Rechenleistung. Diese Daten lassen sich zudem vollständig editieren: Noten, Anschläge oder Tempi können nachträglich präzise geändert werden, was besonders im Studioalltag ein enormer Vorteil ist. MIDI ist außerdem universell einsetzbar – nahezu alle Geräte und Softwarelösungen im Musikbereich unterstützen diesen Standard. Und nicht zuletzt erlaubt MIDI die exakte Synchronisation mehrerer Geräte oder Spuren, etwa mithilfe von MIDI-Clock, was gerade bei Live-Setups oder komplexen Arrangements unverzichtbar ist.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Trennung von Steuerung und Klang: Die eigentlichen Soundquellen lassen sich jederzeit austauschen oder neu gestalten, ohne dass das musikalische Arrangement verändert werden muss. So kann etwa ein Klavierpart nachträglich auf einen Streicherklang gelegt oder ein Drumbeat durch ein anderes Kit ersetzt werden – bei gleichbleibendem rhythmischen und melodischen Inhalt. Auch experimentelle Steuerungen, etwa durch Sensoren, Licht oder Bewegungen, lassen sich nahtlos integrieren. Für kreative Prozesse, iterative Komposition und performative Kontrolle bietet dieses System somit eine beispiellose Freiheit und Anpassungsfähigkeit – sowohl im Heimstudio als auch auf professionellen Bühnen.
🚀 MIDI 2.0 – Die nächste Evolutionsstufe
Seit 1983 hat sich der ursprüngliche MIDI-Standard kaum verändert – bis 2020: Mit MIDI 2.0 wurde die Schnittstelle umfassend modernisiert, um den Anforderungen aktueller Musiktechnologie gerecht zu werden.
Was ist neu?
Die Erweiterung bringt vor allem eine deutlich höhere Auflösung mit sich: Statt 7-Bit-Werten (0–127) wird nun mit bis zu 32 Bit gearbeitet, wodurch feinste dynamische Nuancen erfasst und übertragen werden können. Außerdem erlaubt MIDI 2.0 eine bidirektionale Kommunikation – Geräte können also miteinander „sprechen“ und automatisch austauschen, welche Funktionen zur Verfügung stehen. Eine besonders spannende Neuerung ist die Möglichkeit, Parameter wie Pitchbend oder Filterfahrten für jede einzelne Note separat zu steuern – sogenannte „Per-Note-Controller“ –, was gerade für expressive Spielweisen revolutionär ist. Trotz dieser Innovationen bleibt MIDI 2.0 vollständig abwärtskompatibel, sodass auch ältere Geräte weiterhin verwendet werden können.
Wofür ist MIDI 2.0 besonders spannend?
Vor allem für virtuelle Instrumente eröffnet MIDI 2.0 neue Dimensionen der Ausdruckskraft, Präzision und Automatisierung. Es integriert zudem den MPE-Standard (MIDI Polyphonic Expression), der bei multidimensionalen Controllern wie dem ROLI Seaboard Anwendung findet. Auch moderne Hardware-Synthesizer profitieren von den neuen Möglichkeiten – viele aktuelle Geräte unterstützen MIDI 2.0 bereits durch Firmware-Updates oder neue Interfaces.
📣 Fazit:
Diese digitale Kommunikationssprache ist das Rückgrat moderner Musikproduktion. Sie macht Musik nicht direkt hörbar, sondern gibt präzise Anweisungen, was ein Instrument zu welchem Zeitpunkt spielen soll – mit welcher Tonhöhe, Dynamik und Dauer. Dabei funktioniert sie unabhängig vom Klang selbst und erlaubt maximale Flexibilität beim Komponieren, Arrangieren und Performen.
Wer mit elektronischer Musik arbeitet, wird früher oder später feststellen: Es handelt sich nicht nur um ein technisches Werkzeug, sondern um eine universelle Ausdrucksform – eine Art musikalisches Esperanto, das Geräte, Software und Musiker auf einer gemeinsamen Ebene verbindet. Wer diese Sprache beherrscht, öffnet sich den Zugang zu einer Welt voller kreativer Möglichkeiten, die weit über das hinausgeht, was mit reiner Audioaufnahme möglich wäre. Sie ist präzise, effizient und vor allem grenzenlos erweiterbar – und damit ein unverzichtbares Element jeder zukunftsorientierten Klanggestaltung.
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