Der Moog Messenger ist das erste Modell der neuen InMusic-Ära. Ist er ein würdiger Nachfolger in der ehrfurchtgebietenden Moog-Tradition? Kann man für einen Straßenpreis von derzeit knapp 700,- € einen richtigen Moog-Synthesizer bekommen?
Die große Gemeinde der Moog-Aficionados wurde in der wechselvollen Geschichte der kultigen Company schon öfter in ein Wechselbad der Gefühle getaucht. Sie hatten z.B. 1973 die Übernahme von Moog durch Norlin Music und 1977 den Abgang von Bob Moog zu verkraften. Kürzlich hat InMusic (u.a. Akai, Air, Denon) Moog übernommen, was auch einige Arbeitsplätze kostete. Konzipiert werden die Moog-Produkte weiterhin in den USA, die Fertigung erfolgt jedoch in Fernost.
Erster Blick auf den Moog Messenger
Der erste Eindruck ist positiv: Das Gerät ist kleiner, als man es auf Videos oder Fotos vermuten würde und vermittelt mit seinem schwarzen Chassis mit einem Oberteil aus solidem Stahlblech (Unterseite und Seitenteile sind aus Plastik) einen seriösen Charakter. Auf das stark angeschrägte Bedienpanel à la Minimoog, das z. B. in der Phatty-Serie verbaut wurde, hat man verzichtet. Meiner Meinung nach ist das eine gute Entscheidung, denn wenn es nicht einklappbar ist, nimmt das schräge Panel zu viel Platz weg und man muss ein spezielles Case für den Transport anschaffen.
Der kompakte, knapp 5 kg schwere Messenger ist relativ flach, was auch für die Bühne vorteilhaft ist (585 x 322 x 97 mm). Das anschlagsdynamische Keyboard des Messenger umfasst 32 Tasten und ist mit Aftertouch ausgestattet. Die Tastatur ist ok, vermittelt allerdings nur ein mittelmäßiges Spielgefühl. Die beiden Handräder im typisch weißen Design sind etwas kleiner als bei klassischen Moog-Synths, lassen sich aber gut bedienen. Über der Tastatur befindet sich die zentrale Bedieneinheit, die aus 16 multifunktionalen Tastern besteht, die wie alle Taster leuchten, wenn sie aktiviert werden.

Damit kann man die Sound-Speicherplätze, die in 16 Bänken organisiert sind, anwählen und diverse Funktionen erreichen. Außerdem sind die Taster für die Lauflicht-Programmierung des Sequenzers nutzbar. Apropos Presets: Speicherplätze sind in ausreichender Zahl (256) vorhanden. Positiv ist die Tatsache, dass man beim Abspeichern das gewählte Preset, das überschrieben werden soll, durch längeres Drücken kurz vorhören kann, damit wertvolle Kreationen nicht ungewollt ins Jenseits geschickt werden.
Bedienung
Die Bedienoberfläche wurde Moog-typisch übersichtlich gestaltet, das zentrale Element ist die Filterabteilung mit dem großen Regler für die Filtereckfrequenz, der sich, wie die anderen Potis auch, schön sahnig drehen lässt. Ein großes Manko gibt es allerdings zu verzeichnen: ein Display fehlt, was sich unter anderem bei der Erstellung von Sequenzen und der unkomplizierten Preset-Anwahl (z.B. auf einer dunklen Bühne) negativ bemerkbar macht.

Auch lässt sich nur umständlich feststellen, welche Parameterwerte beim angewählten Preset vorliegen. Auch die Soundprogrammierung wird durch das fehlende Display erschwert. Wenn man spezielle Features erreichen will, muss man diverse Tastenkombinationen drücken (erst Settings, dann den Config, dann den Funktions-Taster, dann den Wert). Zum Glück liegen die Kernparameter alle einladend auf der Bedienoberfläche, sodass dem fröhlichen Schrauben erstmal nichts im Wege steht.
Mit der Quick-Assign-Funktion kann man Parameter (z.B. Envelope, LFO 1 oder Keyboard Tracking) unkompliziert zuweisen, indem man die entsprechende ASSIGN-Taste gedrückt hält und den Regler des Zielparameters betätigt. Die Intensität der Modulation kann dann mittels der 16 Tasten festgelegt werden.
Anschlüsse auf der Rückseite
Rückseitig ist der Messenger gut bestückt: Neben Audioausgang und Kopfhöreranschluss gibt es einen Eingang für externes Audiomaterial, MIDI-In und -Out-Buchsen im DIN-Format, einen USB-C-Anschluss und (als Miniklinke) ein CV/Gate-Interface (In und Out), sowie Clock-Ein- und Ausgänge für den Sequenzer. Der Integration in ein Modularsystem steht daher nichts im Wege. Zur Stromversorgung wurde auf ein externes Netzteil zurückgegriffen.

Die Oszillatoren des Moog Messenger
Die monofone Klangerzeugung des Synths arbeitet mit zwei VCOs mit Waveshaping und den überblendbaren Wellenformen Dreieck, Sägezahn und Rechteck mit einstellbarer Pulsweite. Sie lassen sich in vier Oktavlagen betreiben und verfügen über eine Portamento-Funktion und Oszillatorsync. Auch FM-Sounds sind dank Crossmodulation möglich.
Um im Bassbereich noch mehr punkten zu können, hat man dem Messenger auch einen Suboszillator spendiert. Dessen Wellenformen können ebenfalls stufenlos überblendet werden. Wird der Wellenformregler ab Stellung 11 Uhr gegen den Uhrzeigersinn gedreht, kommt man in den Wavefolding-Bereich, mit dem man u.a. auch metallische und geräuschhafte Sounds realisieren kann. Ein stufenlos zumischbarer Noise-Generator mit White Noise ist natürlich auch an Bord.
Neues in der Filtersektion
In der neugestalteten Filter-Abteilung hat man sich (anders als etwa beim Subsequent 37, der nur ein Lowpass mit unterschiedlicher Flankensteilheit bietet) für ein Multimode-Filter entschieden. Zur Wahl stehen außer dem klassischen 4-Pol-Filter, ein 2-Pol-, ein Bandpass- und ein Hochpassfilter.
Neu hinzugekommen ist hier die sogenannte Res Bass-Funktion. Wird sie aktiviert, bleibt dem der Sound auch bei höheren Resonanzwerten (die normalerweise die tiefen Frequenzen ausdünnen) ein solides Bassfundament erhalten. Dieses Feature ist eine echte Bereicherung beim Sound-Programmieren und es gibt vielen Sounds mehr Punch; auch längere Filterfahrten können sehr von dieser praktischen Funktion profitieren.
Anders als bei vielen Moog-Vorgängern gibt es hier keinen Overdrive Regler in der Filtersektion; dafür hat man den bekannten Minimoog-Trick, das Ausgangssignal mit einem speziellen Kabel wieder in den Eingang für externe Signale einzuspeisen und den Sound dadurch zu übersteuern, in die Klangerzeugung integriert. Der Rückkopplungs-Effekt lässt sich beim Messenger durch den FB/EXT-Regler erzielen.

Modulation
Zur Modulation stehen zwei LFOs zur Verfügung. LFO 1 arbeitet mit vier Wellenformen (Dreieck, zwei Sägezahnvarianten und Rechteck) ist maximal 12 Hz schnell und lässt sich auf die Filtereckfrequenz, die Wellenformen von VCO 2 und die des Suboszillators routen. LFO 2 bietet leider nur eine Dreieckswellenform und kann (gleichzeitig) für Vibrato, Tremolo und die Modulation der Filtereckfrequenz genutzt werden. Die Intensität lässt sich nur mit dem Modulations-Rad steuern. Hier hätte ich mir einen etwas opulenter ausgestatteten LFO gewünscht. Für Lautstärke und Filter sind zwei ADSR-Hüllkurven vorhanden.
Sequenzen mit 64 Steps
Beim On-Board-Sequenzer hat man sich von den größeren Moog-Synths wie dem Muse oder dem One inspirieren lassen. Es lassen sich Sequenzen mit einer Länge von bis zu 64 Steps aufnehmen und auf 256 Speicherplätzen ablegen. Eine Swing-Programmierung und eine Legato-Funktion stehen auch zur Verfügung.
Zwei spezielle Features bietet der Sequenzer: einmal lassen sich für einzelne Schritte individuell Wahrscheinlichkeitswerte (Gate- und Note-Probability) festlegen, sodass sie in bestimmten Rahmen variieren können. Zum anderen ist es mit der Parameter-Record-Funktion möglich, pro Step bestimmte Parametereinstellungen (etwa der Filtereckfrequenz) abzuspeichern, sodass sich damit abgefahrene und abwechslungsreiche Pattern erstellen lassen. Neben dem Sequenzer steht auch noch ein Arpeggiator mit 13 Pattern und 10 Play-Modes zur Verfügung, der dank der Lauflicht-Programmierung flexibel einsetzbar ist.

Wie klingt der Moog Messenger?
Wenn es um Klang geht, sind manche Moog-Fans die konservativsten Menschen der Welt. Außer Moog Modular und Minimoog lassen sie nichts gelten, alles andere ist zweitklassig. Als hätte es Leute wie Buchla nie gegeben … Wie groß war bei vielen der Aufschrei als Budget-Modelle wie der Micromoog, der Rogue oder der Moog Source herauskamen. Dabei haben auch diese Modelle ihre Stärken und manchmal wesentliches zur Musikgeschichte beigetragen. Auf dem Moog Source wurde z.B. New Orders ikonische „Blue Monday“-Basslinie eingespielt.
Der Messenger geht in Sachen Sound seinen eigenen Weg und wildert z.B. im Westcoast-Revier von Buchla, indem er Waveshaping bietet. Wer den Kauf des Synths in Betracht zieht und die Möglichkeit hat, den Messenger anzutesten, sollte das unbedingt tun. Aber man sollte nicht nur die vorhandenen Presets durchsteppen, sondern auch versuchen, ein paar eigene Sounds zu erstellen. Dabei geht einem das eine oder andere Licht auf und man bekommt eher einen Eindruck, wo die Stärken des Messenger liegen.
Wenn man klassische warme Synth-Sounds anstrebt, ist es manchmal besser, auf den Subbass zu verzichten und nur die beiden VCOs (evtl. mit Noisegenerator) einzusetzen. Kleine Reglerbewegungen haben oft große klangliche Konsequenzen. Ich hätte mir z.B. auch einen hochauflösenden Finetune-Regler für das Tuning des zweiten Oszillators gewünscht.

Bässe gehen immer
Die Einsatzgebiete des Messengers sind vielfältig. Sie reichen von den klassischen Synthsounds wie drückende Bässe (gerne auch mit Resonanz) über expressive oder softe, warme Leads bis zu kickenden, auch gerne aggressiven, Sequenzer-Kaskaden. Überhaupt zählt Durchsetzungsfähigkeit und Punch zu den Hauptmerkmalen des Synths. Im Vergleich zu den älteren Modellen aus den siebziger und achtziger Jahren hat er einen deutlich moderneren und strafferen Soundcharakter.
Für Musiker aus dem Electro/Techno/Industrial-Lager kann der Messenger eine wahre Kreativmaschine sein, was auch an dem flexiblen Sequenzer liegt. Der punktet mit nicht alltäglichen Features wie individuellen Step-Parametern und Probability-Einstellungen. Auch bei der Drum-Programmierung kann der Synth wertvolle Dienste leisten, etwa bei der Programmierung analoger Snare- oder Percussion-Sounds. Diese klingen bei jeder Wiederholung ein klein wenig anders und nerven daher auch bei einfachen Patterns nicht. Die Step-Programmierung ist hier ebenfalls hilfreich.
Für die Programmierung experimenteller, geräuschhafter und metallischer Klangspektren ist der Messenger (auch dank des Wavefolding, FM-Modulation und Sync) gut geeignet. Zusammen mit dem leistungsfähigen Sequenzer lassen sich hier tolle Ergebnisse erzielen.
Übrigens sind manche Presets des Messengers (u.a. die Bass-Sounds) z.T. etwas lieblos programmiert. Hier sollte man sich nicht abschrecken lassen und lieber schnell ein paar eigene Klänge schrauben. Das ist natürlich immer Geschmackssache, aber meiner Meinung nach kann der Synth mehr, als die Presets versprechen.
Fazit:
Summary
Der Messenger ist ein sympathisches, kompaktes Powerpaket, das man schnell liebgewinnt. Mit seiner Sound-Engine gehört er zu den flexibelsten, nicht-modularen, monofonen Moog-Synths. Klanglich überzeugt er auf ganzer Linie und verbindet die Tradition der klassischen warmen Moog-Sounds mit der Moderne durch Features wie FM und Wavefolding. Sehr praktisch, vor allem bei der Programmierung tieffrequenter Sounds, ist die Res Bass-Funktion. Das Multimode-Filter trägt erheblich zur Erweiterung der Soundpalette bei.
Ein weiterer Pluspunkt ist der funktionsstarke Sequenzer, der den Messenger zum Überbringer kreativer Ideen macht. Ich vermisse hier lediglich ein Display, das viele Programmierschritte deutlich erleichtern würde. Bestimmt reicht Moog hier noch eine Edit- und Library-App fürs Handy oder den Computer nach, damit man nicht immer das Handbuch dabeihaben muss (ansonsten muss Momo Müller ran). Dafür ist der Preis des Messengers moderat. In dem Preissegment kann kaum ein Modell, dem Messenger in Sachen druckvoller (Moog-) Sounds das Wasser reichen. Wer mehr will, (z. B. ein Display und Features wie duophonen Playmodus und ein edleres Outfit mit Holzseitenteilen) kann sich für den Moog Subsequent 37 entscheiden, muss aber dafür aber deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Pro
- Flexible, gutklingende Klangerzeugung mit Moog-Charakter
- Waveshaping und Res Bass-Funktion
- Leistungsfähiger Sequenzer
- Gutes Preis/Leistungs-Verhältnis
Contra
- Kein Display
- Programmierung teils umständlich
- Limitierter LFO 2
Link zur Herstellerseite: Moog Music



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