Synthesizer Museum Berlin – Interview mit Michael Soltau

Synthesizer Museum Berlin Aufmacher

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet am „Kotti“, dem berühmt-berüchtigten S+U-Bahnhof „Kottbusser Tor“ in Berlin, heilige Hallen der Elektronischen Musik zu finden sind? Eingefleischten Synth-Fans ist die Location nicht neu, war hier doch bis vor kurzem noch SchneidersLaden. Wer die unscheinbare, direkt am Eingang eines Supermarkts befindliche Stahltür durchschreitet, landet also nicht etwa in dessen Kühlraum, sondern im Synthesizer Museum Berlin. Dabei versteht sich das Museum nicht als klassisches Museum, das Exponate hinter Glasscheiben ausstellt. Im Gegenteil: Anfassen und Spielen ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht!

Synthesizer Museum Berlin

Der Filmkomponist Michael Soltau erklärt, wie er dazu kam, Anfang 2025 ausgerechnet ein Synthesizermuseum zu eröffnen:

„Bei Filmmusikern, also wenn man dabei irgendwie mit Tasten unterwegs ist und Synthesizer mag, sammeln sich Geräte an. Auch bei mir war es dann irgendwann so, dass sich da einiges angesammelt hat – ich mache das ja schon seit 1986. Ich habe ungern verkauft, weil jedes Gerät einzigartig ist. Selbst ein alter Nordlead hat Charme.“

„Die Hälfte der Sachen waren dann immer unter meiner Treppe in Cases und die andere Hälfte bei mir im Studio. Dann war da aber immer auch noch ein weiteres Kontingent bei mir privat im Haus. Jedenfalls: es gab zu viele Keyboards, die in den Cases schliefen. Da war die Idee, die in Form eines Museums nochmal herauszubringen. Wir haben hier etwas über 50 Exponate, aber meine gesamte Sammlung hat über 160.“

Synthesizer Museum Berlin Eingang
Der Eingang des Synthesizer-Museums zeigt schon recht eindrücklich das Konzept: Viele spielbereite Synths mit sympathisch aufbereiteten Infos, dazwischen immer wieder Möglichkeiten, die eigene Performance aufzunehmen. Also alles andere als ein trockenes, angestaubtes Museum. (Foto: Frank Schreiber)

Ein Museum zum Anfassen

Lässt man den Blick zwischen all den faszinierenden Geräten schweifen, fällt auf, dass immer wieder kleine 19-Zoll-Racks zwischen den Synths stehen, auf denen ein kleines Mischpult thront. Michael erklärt, was es damit auf sich hat:

„Das zweite große Ding, das wir uns auf die Fahnen geschrieben haben: Wir sind kein Museum zum Bestaunen, sondern auch zum Bespielen, zum Mitmachen, zum Hören. Und sogar noch einen Schritt weiter, du kannst dich bei uns auch aufnehmen beim Spielen. Dafür kaufst du dir für einen kleinen Upgrade-Preis von 8 Euro einen bedruckten Stick.“

„Wir haben hier mittlerweile zehn verschiedene dieser Stationen aufgebaut. Das hier ist ein ganz einfacher Denon-Rekorder, den kann jeder bedienen. Du drückst auf Record und schon nimmt er auf. Auf den Racks haben wir ganz einfach zu bedienende Mischpulte. Die klingen gut und haben auch eingebaute Effekte, falls du sie brauchst. Und dann spielst du, gerne auch mit Kopfhörer, damit du mehr Kontrolle hast und nimmst deine Performance einfach auf.“

Und das Aufnehmen lohnt sich auf jeden Fall, bei all den Schätzchen, die hier vertreten sind. Dabei sind, neben den eingangs Erwähnten, z.B. der Yamaha CS-80 (ganz nebenbei: Dieser ist höchstwahrscheinlich aus dem Vorbesitz des Toto-Keyboarders Steve Porcaro), das Roland System 700, der Waldorf Quantum oder der Vermona, ein monophoner Synthesizer, der in der DDR produziert wurde, um nur einige zu nennen.

Synthesizer Museum Berlin Polivoks
Neben vielen bekannten Klassikern, gibt es auch unbekanntere Raritäten, wie hier der sowjetische Analog-Synthesizer „Polivoks“, gerne auch als russischer Minimoog bezeichnet – vom Sound her allerdings eher der Evil Twin. (Foto: Frank Schreiber)

Synth-Evolution

„Eigentlich ist es für uns hier eine Zeitreise durch die elektronische Musik aus fünf Jahrzehnten“, erklärt Michael. „Das älteste Exponat ist von 1969, das ist der EMS Synthi AKS. Der ist eigentlich Anfang der 70er gebaut worden, aber der Vorläufer, das Urgerät, das kommt ja aus den 60er Jahren. Und unser neuestes Gerät, das kannst du eigentlich heute noch kaufen, ist ein Korg Modwave.“

„Wir wollten modernere Geräte nicht kategorisch ausschließen, Museum heißt ja nicht nur alt, Museum heißt: welche Instrumente haben einen besonderen Stellenwert in der Musikgeschichte? Wenn der heutige Tag vorbei ist, ist es ja morgen schon Musikgeschichte.“

Um die Entwicklung anhand des Laufs der Jahre zu verdeutlichen, sind die Exponate zeitlich gruppiert, „weil diese Epochen ja so klar zu definieren sind“, führt Michael aus. Er geht mit uns durch die Ausstellung und zeigt ikonische Synths der letzten Dekaden. „Also die erste Zeit, das war die Zeit der experimentellen Musik, wo Synthesizer eigentlich nur in Universitäten zu finden waren und vielleicht in Klanglaboren, wie z.B. beim BBC Radiophonic Workshop.“

Synthesizer Museum Berlin cs80
Auch der seltene Yamaha CS-80 ist spielbereit und sorgt immer noch für eine Menge Spaß. (Foto: Chiara Ferraù)

„Dann kamen die 70er mit den ersten großen Modularsystemen und den Monophon-Synthesizern. Und diese ganze Elektronik-Szene, Berliner Schule, aber auch Prog-Rock aus England, Amerika, Keith Emerson mit seinem Modularsystem und die ganzen Bands, die dazu gehören.
Und hier die 80er, da muss man ja nicht lange drüber nachdenken, die sind ja geprägt von diesem Wave-Pop. Duran Duran und Spandau Ballet und OMD und wie sie dann alle heißen.
Und dort die 90er natürlich mit Acid, Techno, Dance und was danach alles noch kam.“

Synthesizer Museum Berlin roland system 700
Das System 700 von Roland darf getrost als Kronjuwel der Sammlung bezeichnet werden. (Foto: Chiara Ferraù)

Veranstaltungen im Synthesizer Museum Berlin

Das Synthesizer Museum Berlin versteht sich auch als Raum für Begegnungen. Im gemütlichsten Raum des Museums steht eine Bühne, auf der öfter ausgewählte Konzerte und Veranstaltungen stattfinden. „Für uns soll das eine regelmäßige Sache sein“, erklärt Michael. „Wir wollen natürlich auch diese Kulturszene fördern. Und die Künstler sind auch sehr interessiert. Wir nennen es „Wohnzimmerkonzerte“, weil alles in unserem 70er-Jahren Wohnzimmer stattfindet. Da passen auch nur maximal 40 Leute rein, aber dafür hast du den Künstler hautnah vor dir.“

Workshops sind ebenfalls Teil der Veranstaltungen. „Momentan machen wir das allerdings bisher eher so im größeren Stil,“ fährt Michael fort. „Das heißt, dass auf der Bühne jemand steht und etwas demonstriert, etwa Bernd Kistenmacher wird dann irgendwann auf der Bühne eine Lesung und ein Interview machen und vielleicht auch ein paar Sachen zeigen. Mit Steve Baltes, haben wir auch so etwas vor. Und dann möchten wir auch Hersteller elektronischer Instrumente einladen, die vielleicht etwas Neues vorstellen.“

Synthesizer Museum Berlin thortsen Quaesching
Die Wohnzimmerkonzerte des Synthesizer-Museums haben sich mittlerweile als feste Größe etabliert. Hier mit Thorsten Quaeschning von Tangerine Dream, hautnah und live auf der Bühne. (Foto: Chiara Ferraù)

„Außerdem bieten wir auch Führungen an. Zum Beispiel habe ich für den Studiengang Medienwissenschaft der Filmhochschule Babelsberg gerade vor ein paar Wochen hier eine Führung gemacht. Unsere Website ist ja noch relativ einfach aufgebaut, da reicht eine kurze E-Mail, dann machen wir einen Gruppenpreis mit Ermäßigung, für Schulen, für Studis, für alle möglichen. Und mit Andi und mir, hoffe ich, hat man auch ganz kompetente Ansprechpartner.“

Zukunftsmusik

„Wir sind ja immer in Veränderung begriffen. Eine Drum-Machine-Ecke wird noch kommen, genau wie eine Sampler-Ecke. Wir haben hier ja den Modularraum und wenn wir einen Raum mehr hätten, würden wir noch einen Sampler-Raum reinbringen. Mit einem Emulator 2 oder so.“

„Außerdem ist 2027 offiziell das Jahr des Synthesizers! Wir haben für dieses Jahr auf jeden Fall viele Sachen vor. Noch mehr Konzerte und auch Mitmach-Aktionen oder auch Kooperationen mit anderen sind hier angedacht.“

Synthesizer Museum Berlin zimmer
Im sogenannten „Wohnzimmer“ des Museums fühlen sich auch spielbereite Klassiker wie Arp Solina String Ensemble, Roland Jupiter 8 oder Oberheim OB-Xa wohl.

An Ideen und Potenzial fehlt dem Synthesizer Museum Berlin also definitiv nicht. Wir verfolgen die Entwicklung des noch jungen Projekts genau und drücken die Daumen für die Zukunft. Geschafft hat das Museum jedenfalls jetzt schon eins: einem breiten Publikum den spielerischen Zugang zu diesen faszinierenden Instrumenten in Form zahlreicher Klassiker so leicht und eindrucksvoll wie möglich zu verschaffen.

Website Synthesizer Museum Berlin

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