Das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) würdigte den 1987 verstorbenen Synthesizer-Pionier Harald Bode, dessen Effekte unter anderem von Moog verkauft wurden, mit einem Festival Ende April unter dem Titel „Reconstructing Harald Bode“. Dazu wurde beispielsweise vom Münchener SYNTH-Werk Bodes „Barberpole Phaser“ nachgebaut. Bei der zweitägigen Veranstaltung, die zusammen mit der Karlsruher Hochschule für Musik (HfM) ausgetragen wurde, wurden Vorträge, Podiumsdiskussionen, eine Jam-Session und mehrere Konzerte geboten.
Harald Bode – Ein Urvater des Synthesizers
„Meiner Meinung nach war er immer an der Schönheit des Klangs interessiert“, fasst Peer Bode den Eindruck vom Wirken seines Vaters bei einem Vortrag im Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) zusammen. Dem Physiker sei es dabei nicht um eine „kalte Wellenform“ gegangen, die er verändert habe. „Er sagte oft, er sei an den bekannten und unbekannten Klängen interessiert.“ Und die habe er schließlich erforscht.
Harald Bode – 1909 in Hamburg geboren und 1987 in New York City verstorben – war in einem musikalischen Haushalt aufgewachsen und studierte unter anderem Physik. Er begann in den 1940er Jahren, elektronische Instrumente zu konstruieren. Bode gilt heute als „Wegbereiter“ früher elektronischer Instrumente und Effektgeräte. Unter anderem die beiden frühen Künstlerinnen im Bereich elektronischer Musik, Wendy Carlos und Suzanne Ciani, nutzten Bodes Geräte.

Seit 2019 liegt Bodes Archiv aus Notizen, Konstruktionsplänen sowie Dokumentationen beim ZKM. Daraus entstand 2022 ein Forschungsprojekt zusammen mit dem 2013 gegründeten Münchener Herstellers SYNTH-Werk und der Hochschule für Musik Karlsruhe, um zunächst Bodes „Barberpole Phaser“ nachzubauen. Mit dem Festival wurde nun Bodes Vermächtnis gewürdigt, mit Vorträgen, Konzerten in der Hochschule für Musik, bei der Bodes Effekte demonstriert wurden, einer Jam-Session, Workshops und schließlich einem Abschlusskonzert im ZKM mit Afrorack (Support: Siri Thiermann). Bis auf letzteres waren alle Veranstaltungen kostenfrei. Dabei fand eine eingefleischte Synthesizer-Fangemeinde den Weg in Museum und Hochschule.

Von der Röhrenorgel bis zum erweiterten Vocoder
Doch wie kam das alles? Zunächst ein Blick auf Bodes Werdegang: Nach Experimenten mit Tonabnehmern an einem Steinway-Flügel – das Prinzip existierte bereits, Bode hat es optimiert – wollte er Instrumentenklänge schließlich rein elektronisch erzeugen. 1937 entwickelte er zusammen mit dem Geiger Christian Warnke das „Warbo Formant Organ“ – eine Röhren-Orgel, die synthetische Klänge mit vierfacher Polyphonie ermöglichte.
Später folgte mit Mitarbeitern zusammen das monophone „Melodium“, das für Filmmusiken verwendet wurde. Während des Krieges – Bode war seinerzeit NSDAP-Mitglied – arbeitete er in der Elektroindustrie als Alternative zum Militärdienst. Danach entstanden weitere erfolgreiche Instrumente, darunter eine Synthese-Orgel.
1954 übersiedelte er in die USA, arbeitete zunächst für einen Hersteller von Orgeln und machte seine eigene Firma auf, die „Bode Electronics Company“, die 1960 das erste modulare System mit Steuerspannungsfähigkeit vorstellte – das Bob Moog sich zum Vorbild nahm. 1966 gingen beide eine Vereinbarung ein, sodass Moog Variationen von Bodes Produkten in Lizenz vertrieb. Bode hatte zu dem Zeitpunkt bereits seine Version von Synthesizer-Effekten wie den Ring Modulator entwickelt.
1972 entstand die „Bode Sound Company“. Der Ingenieur entwickelte beispielsweise den Bode Frequency Shifter, der Frequenzen im Sinne eines Pitch-Shifters verschieben ließ – noch ganz ohne Digitaltechnik. Sein Vocoder arbeitete – im Gegensatz zu früheren Vocodern anderer Hersteller – bei der Synthetisierung des Signals mit 16 Frequenzbändern, was eine möglichst hohe Sprachverständlichkeit gewährleistet. Sein Gerät ist laut ZKM beispielsweise auf dem Klassiker „Funkytown“ von Lipps Inc. zu hören.
Die Pionierin elektronischer Musik, Suzanne Ciani, war per Video bei dem Symposium zu Harald Bode zu sehen:
Elektronische Musik als „Dialog zwischen Ingenieur und Nutzer“
Für Bode, der auch komponierte, war der Austausch mit den anderen Musikschaffenden wichtig, um seine Geräte weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Konzerte an der Hochschule für Musik, bei denen Bodes Effekte in Klangcollagen vorgeführt wurden, fand auch eine Lesung von Briefwechseln mit Bode statt – darunter mit Suzanne Ciani, die beispielsweise mit Bodes Vocoder gearbeitet hatte. Elektronische Musik sei ein Dialog zwischen Ingenieur und Nutzer, so Ciani. Es sei schwierig, einen Ingenieur zu finden, der einen verstehe – etwas, das sie an Bode besonders schätze. Die Musikerin wurde zudem per Video auf dem Festival gezeigt.
Bode habe großen Einfluss auf ihre künstlerische Identität gehabt, als sie in den 1980er Jahren in New York als elektronische Musikerin begonnen hatte. „Damals waren die meisten Frauen Sängerinnen, und ich konnte nicht singen!“ Ihre Musik war ein elektronisch, sie wollte aber Sinnlichkeit hinzufügen. Mit Bodes Vocoder konnte sie nun die Textur ihre Stimme in die Musik einbringen, „… und ich nutze den Vocoder auf jedem meiner Alben!“
Der ursprüngliche Vocoder konnte etwas metallisch klingen, da das Frequenzband begrenzt war, so Ciani, und eignete sich somit weniger für die höheren Frequenzanteile weiblicher Stimmen. Sie traf Bode dann bei einer AES-Conference, fragte ihn nach einer entsprechenden Modifikation –über ein Verbindungsstück wurden die Atmosphäre der Atemgeräusche und der Stimmklang zusammen übermittelt. Das habe den Sound viel wärmer und „menschlicher“ gemacht.

Harald Bodes „unendliche“ Phaser
1981 entwickelte Bode seinen letzten Effekt, den „Barberpole Phaser“, von dem wohl nur drei Exemplare gebaut wurden. Der Münchener Hersteller SYNTH-Werk um Gerhard Mayrhofer, der bislang Moog-Synthesizer und -Module nachgebaut hatte, machte sich mit ZKM und HfM an eine Neuauflage des „Barberpole Phasers“, anhand der Archiv-Unterlagen.

In der Ausstellung zum Festival befindet sich auch eines der drei Originale. Im Rahmen einer Workshop-Performance demonstrierte Musiker Uwe Rottluff (Künstlername „wellenvorm“) ein Modul-Setup samt dem SYNTH-Werk-Nachbau des „Barberpole Phasers“. Der Begriff „Phaser“ sei eigentlich eher irreführend, so Rottluff im Gespräch, der Effekt klinge subtiler, verbreitere das Signal. Das Gerät basiere auf üblichen Chips, erzeuge durch seine Arbeitsweise als „Infinity Phaser“ allerdings „aurale Illusion“, wie Mayrhofer es nennt – das Gerät basiert auf psychoakustischer Klangforschung, dem sogenannten Shepard-Tons und des Shepard-Risset-Glissandos.
Dabei entsteht der Eindruck eines unaufhörlich in der Tonhöhe steigenden oder fallenden Tons. Der „Barberpole Phaser“ addiere etwas zur Grundstimmung des Signals, so Mayrhofer, mache es weicher und gefälliger. Neben dem Phaser befindet sich mittlerweile ebenso Bodes „Frequency Shifter“ im SYNTH-Werk-Portfolio, als Standalone-Gerät oder in Rack-Bauweise. Vom Bode „Frequency Shifter“ ist auch ein Behringer Nachbau als kompaktes Modul erhältlich. Bei SYNTH-Werk sei aktuell ein neues Keyboard mit Bodes Ideen geplant, um Module vielseitiger ansteuern zu können, erzählte Gerhard Mayrhofer.

Harald Bode: „Versucht nicht, zu imitieren“
Vom ZKM wird während des Workshops ein Foto von Bode in seiner Werkstatt projiziert, auf dem der Erfinder vor Geräten im Profil zu sehen ist, scheinbar in Gedanken versunken. Nach den Anekdoten im Rahmen der Veranstaltung darf man sich Harald Bode vermutlich als ruhelosen Tüftler in seiner Werkstatt vorstellen, der, wenn er eine Idee hatte, kaum zu bremsen war, bis er sie umgesetzt hatte – auf die Art, wie sie für ihn funktionierte.
Im Gespräch mit Jim Finch im amerikanischen SYNE Magazin 1980 antwortete Bode auf die Frage nach einem Rat für aufstrebende Künstler und Techniker: „Versucht nicht, zu imitieren. Viele springen heute einfach auf einen Zug auf. Jeder scheint immer jemand anderen, der erfolgreich ist, imitieren zu wollen. Macht das nicht, versucht, wirklich nachzudenken und ein Original zu sein.“
Im Rahmen des „Barberpole Phaser“-Workshops erzählte sein Sohn Peer Bode noch eine Anekdote eines ausufernden Vortrags über Mathematik seines Vaters, die ihn als Zwölfjährigen zwar heillos überforderte und stundenlang gegangen sein mag. Dennoch habe er dadurch gelernt, keine Angst vor dem Unbekannten zu haben. Das gelte beim Musik machen genauso. „Das Dilemma von Computer und Presets besteht darin, dass wir in einer zunehmend reduzierten Welt leben, während Reichhaltigkeit mit einer Furchtlosigkeit vor Komplexität einhergeht – selbst, wenn man etwas nicht versteht.“
Im August soll anlässlich des Festivals ein Sammelband, „Reconstructing Harald Bode. A Visionary of Electronic Sound“, herausgegeben von Felix Mittelberger und Christoph Seibert, erscheinen.
Webseite zum Symposium beim ZKM
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