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Yamaha CS-80 – Polyfoner Synthesizer

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Wenn ein Synthesizer die Bezeichnung „Schlachtschiff“ verdient hat, dann ist es der CS-80 von Yamaha. Mit fast 100 kg Lebendgewicht hat er schon den einen oder anderen Orthopäden-Porsche mitfinanziert.

Yamaha CS 80

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Yamaha stellte den Boliden 1976 vor. Er kostete stolze 6.900 Dollar und gehört zu den frühen polyfonen Seriensynths. Das Instrument bietet achtfache Polyfonie, eine flexible zweifache Klangerzeugung, einen Ringmodulator, Aftertouch, einen Ribbon-Controller und – damals ein Novum – die Möglichkeit, eigene Sounds abzuspeichern. Bei der Entwicklung des CS-80 griff Yamaha z. T. auf die Technik des sagenumwobenen, 60.000 Dollar teuren Analogmonsters GX-1 zurück. Bis 1979 wurden ca. 2.000 CS-80 gefertigt, und das Gerät dominierte den Markt für polyfone High-End-Synthesizer (bis zum Erscheinen von SCI Prophet-5 und Oberheim OBX) ca. zwei Jahre lang.

Elektronisch orientierte Musiker waren begeistert von den Möglichkeiten des Synths, und er ist auf vielen Produktionen der 70er- und 80erJahre zu hören. Zu den prominentesten Usern gehört z. B. Stevie Wonder, dem besonders der Ribbon-Controller gefiel und der gleich vier CS- 80 besaß. Häufig im Einsatz war der Synth beim Elektronik-Wizard Vangelis – er benutzte das Gerät nicht nur bei seinen eigenen Releases, sondern auch für die Produktion seiner mittlerweile legendären Filmmusiken; hier sind z. B. der gelungene „Blade-Runner“-Soundtrack oder das Schwulst-Opus Chariot Of Fire zu nennen. Weitere CS-80-Nutzer sind beispielsweise Peter Gabriel, ELO, 10 cc, Brian Eno, Jean Michel Jarre, Moog Cookbook sowie Herbie Hancock.

Der CS 80 im Eboardmuseum in Klagenfurt 

Besuche die Website des Eboardmuseums: http://www.eboardmuseum.com/

Äußeres

Das angeschrägte Bedienpanel ist mit vielen Fadern ausgestattet, wobei die ersten beiden Reihen zum Einstellen der beiden Klangerzeugungsstränge dienen, während die untere Reihe für Effekte und Preset-Anwahl vorgesehen ist. Unter einer Klappe auf der linken Seite des Panels verbirgt sich eines der Hauptverkaufsargumente des CS-80: Hier lassen sich vier User-Sounds mithilfe von Miniatur-Fadern, die jeweils vier Mal den Parametern der Klangerzeugung entsprechen, „abspeichern“. Aus heutiger Sicht erscheint das bizarr, damals aber war die Digitaltechnik noch nicht soweit, dass Presets mit überschaubarem und bezahlbarem Aufwand (wie später etwa beim Sequential Circuits Prophet-5) abgespeichert werden konnten.
Die fünfoktavige gewichtete Tastatur lässt sich splitten, ist anschlagdynamisch und mit polyfonem Aftertouch ausgestattet – Letzteres bis heute ein nicht selbstverständliches Feature. Die Intensität von Velocity und Aftertouch, mit denen sich z. B. Filter-Cutoff und Lautstärke steuern lassen, wird bei jeder Klangerzeugungseinheit individuell eingestellt. Auch die Intensität des LFOs (inklusive der LFO Geschwindigkeit!) lässt sich mithilfe des Aftertouch steuern. Nicht alltäglich ist auch die Möglichkeit, das Keyboard-Tracking (Filter-Cutoff und Lautstärke) für beide Split-Hälften individuell einzustellen. Das Spielgefühl ist ein wenig eigenwillig und etwas gewöhnungsbedürftig.
Auf der linken Seite des Keyboards lassen sich Portamento, Glissando und Tremolo aktivieren.

>> Minimoog – Godfather of Synth <<

Anstelle eines Pitch-Rades gibt es einen etwas merkwürdigen großen Doppel-Poti mit integriertem kleinerem Regler für die Feineinstellung. Dafür wird man mit einem sehr schönen Ribbon-Controller entschädigt, der sich für die nuancierte Gestaltung solistischer Einlagen sehr gut einsetzen lässt. Im Unterschied zu anderen Ribbon-Controllern wird der Nullpunkt durch den Erstkontakt definiert, was die Flexibilität dieser Spielhilfe erheblich erweitert. Öffnet man den CS-80, so hat man den Eindruck, dass das verbaute Kabelmaterial für mehrere Erdumrundungen ausreichen würde. Jeder Zentimeter wurde mit Karten und Bauelementen vollgestopft, die Wärmeentwicklung ist entsprechend hoch. Die Kalibrierung der Klangerzeugung und das Stimmen erfordern viel Zeit und Geduld. Der CS-80 ist sehr temperaturempfindlich und gehört auch zu den eher für Defekte anfälligen Instrumenten, ein tadellos funktionierendes Exemplar mit perfekt abgestimmten Voicecards ist relativ selten aufzutreiben.

YamahaCS80
Klangerzeugung

Der CS-80 wartet mit zwei identischen subtraktiven Klangerzeugungen auf, die jeweils achtstimmig polyfon sind und gelayert oder im Split-Modus gespielt werden können. Die Klangsektionen lassen sich mischen, gegeneinander verstimmen und in unterschiedlichen Fußlagen spielen (2′, 2 2/3′, 4′, 5′, 5 1/3′, 8′ und 16′). Pro Stimme kommen zwei spannungsgesteuerte Oszillatoren zum Einsatz, die die Wellenformen Sägezahn, Rechteck, Sinus und Noise erzeugen. Für die Pulsweitenmodulation des Rechtecks steht ein eigener LFO zur Verfügung. Die Sinuswellenform wird nicht durch das Filter geleitet und lässt sich u. a. gut zum Andicken des Bass-bereichs einsetzen. In der Filtersektion findet man sowohl ein Lowcut- als auch ein Hipass-Filter, die beide mit 12 dB Absenkung pro Oktave arbeiten. Beide Filter sind mit einer Resonanzfunktion ausgestattet, was bei einem Highpass Filter ziemlich selten ist. Allerdings reicht die Resonanz nicht bis zur Eigenschwingung. Durch die Kombination beider Filtertypen erhält man ein leistungsfähiges Bandpass-Filter. Die Filterhüllkurve ist dreistufig und lässt sich mit fünf Fadern (Initial Level, Attack Level, Attack Time, Decay Time, Release Time) relativ detailgenau gestalten. Die VCA-Hüllkurve hat eine ADSR-Charakteristik und ist ebenfalls mit einem Level Parameter ausgestattet. Beide Envelopes sind erfreulich schnell und auch gut für perkussive Sounds geeignet.

Klangbeispiel Yamaha CS 80

https://soundcloud.com/keyboardsde/kult-vintage-park-yamaha-cs-80

Der LFO wird etwas missverständlich als „Sub Oszillator“ bezeichnet; er ist schnell genug, um FM-artige Sounds zu ermöglichen, und kann auf VCA, VCF und VCO geroutet werden. Neben den LFO-Wellenformen Sinus, Rechteck, aufsteigender und absteigender Sägezahn sowie Noise kann auch externes Audiomaterial zur Modulation genutzt werden. Zu den Highlights der Klangarchitektur gehört der toll klingende und reich parametrisierte Ringmodulator, der mit fünf Fader-Levern ausgerüstet ist, die Realtime-Eingriffe wie bei einer Orgel ermöglichen. Der Ringmodulator verfügt neben Speed- und Modulations-Parametern über eine Mini-Hüllkurve mit Attack und Decay, mit der die Frequenz des Modulationssignals gesteuert wird; dabei regelt man mit dem DEPHT-Lever die maximale Frequenz, während ATTACK- und DECAY-Lever bestimmen, wie lange es dauert, bis die Modulationsgeschwindigkeit den höchsten Wert erreicht. So lassen sich ungewöhnliche und interessante Effektklänge realisieren.

> Oberheim – SEM <<

Sound

Der CS-80 bietet neben den vier User-Speicherplätzen elf Presets pro Layer, darunter sind viele brauchbare Sounds. Der Grundklang des Instruments ist kraftvoll, warm und organisch. Dank der beiden layerbaren Klangerzeugungen und des Chorus sind breite Pads und Strings kein Problem. Auch wenn er nur einen Zwei-Pol-Filter besitzt, lassen sich fette Bässe mit dem CS-80 generieren. Seine wahre Domäne aber sind lebendige Lead-Sounds, die dank mannigfaltiger Spielhilfen sehr expressiv gespielt werden können. Der Einsatz des luxuriösen Ringmodulators eröffnet außergewöhnliche, experimentelle Klänge, wie man sie z. B. auf „Blade Runner“ hören kann. Wer die Transportprobleme des Analogmonsters scheut, kann versuchen, auf die kleineren Brüder CS-50 (vierstimmig) und CS-60 (achtstimmig), die weniger Parameter und nur einen Klangerzeugungsstrang bieten, auszuweichen. Arturia bietet zudem eine schöne Software Emulation des CS-80 an, mit dem CS-80-ähnliche Sounds machbar sind.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Es wäre schön, mal einen CS80-Bericht zu lesen, der dem bereits Bekannten ein paar neue Facetten hinzufügt, statt die schon bekannten Plaudereien wiederzugeben.

    Hauptverkaufsargument des CS80 dürften nicht die vier kuriosen Speicherplätze gewesen sein, sondern sein für Pianisten sehr attraktives, gewichtetes, mit polyphonem (!) Aftertouch und Anschlagsdynamik ausgestattetes Keyboard, das es so in dieser Form nie mehr bei einem späteren (und technisch fortschrittlicherem) Yamaha-Synthesizer gegeben hat. Ebendiese Tastatur und die damit verbundenen Steuermöglichkeiten sind es, die den CS80 so besonders machen.

    Es wurden laut Kent Spong, CS80-Experten aus England, 786 Exemplare des CS80 gebaut — Seriennummern 1005 bis 1791. 1001 bis 1004 dürften die Vorserienmodelle gewesen sein, die z. T. noch einfarbige Presetwahltaster hatten, drei statt zwei Wahlschalter für die Pedalfunktion, einheitliche oder gesplittete Presetblocks oder eine Tastatur, die mit C# endet und nicht mit C (siehe auch Eberhard Höhn, “Elektronische Musik” bzw. Wolfgang Bock, “Synthesizer”). Ferner hat der CS kein Lowcut-, sondern ein Lowpass-Filter in Kombination mit einem seriell vorgeschalteten Hochpass-Filter.

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    1. Vielen Dank für die ausführlichen Ergänzungen – Top!

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  2. DX-1 dürfte tastaturmässig locker mithalten, ist allerdings noch weit seltener, GS-1 wahrscheinlich auch

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