Casio RZ-1 – Eine Drummachine mit Kultstatus
Als Casio 1986 die RZ-1 veröffentlichte, konnte niemand ahnen, dass sie Jahrzehnte später Kultstatus erreichen würde. Künstler wie Daniel Bell alias DBX aus Detroit, die Düsseldorfer Techno-Formation Hardfloor oder auch der britische Produzent Dave Angel schwören bis heute auf den charakteristischen Klang der Maschine. Dave Angel etwa lobt besonders die HiHats und Claps der RZ-1 – Sounds, die sich mit ihrer rauen Direktheit in jede Produktion einprägen. Auch in anderen Genres fand das Gerät seinen Platz: Der Studio-Keyboarder und R’n’B-Produzent Michael Bradford, der unter anderem für Madonna und Anita Baker arbeitete, nutzte die RZ-1 nicht nur als Drumklangquelle, sondern auch als Eingabegerät für MIDI-gesteuerte Klangerzeuger.
Erschwinglich und dennoch innovativ
Die Casio RZ-1 war eine technische Pionierleistung: Als erste erschwingliche Drum Machine bot sie nicht nur eine fest verbaute Auswahl an digitalen PCM-Drumsounds, sondern auch eine integrierte Samplingfunktion. Für den damaligen Preis von 1.390,- DM erhielt man ein vollwertiges Rhythmuswerkzeug, das gerade in Heimstudios neue kreative Türen öffnete. Die Samplingqualität mit 12 Bit bei 20 kHz war begrenzt, verlieh den aufgenommenen Sounds aber eine raue, charaktervolle Textur – perfekt für alle, die nach klanglicher Eigenständigkeit suchten.
Design und Bedienung
Optisch unterscheidet sich die RZ-1 deutlich von anderen Casio-Geräten jener Zeit. Statt Plastikspielzeug-Charme dominiert hier ein sachlicher, fast professioneller Look. Ein blau beleuchtetes, einzeiliges Display vermittelt einen dezenten Studiotouch, während acht dedizierte Fader für die Lautstärkeregelung der einzelnen Drumspuren besonders Performance-orientierten Musikern entgegenkommen. Die Bedienoberfläche ist logisch aufgebaut: Neben zwölf Pads zur Ansteuerung der integrierten Drumsounds finden sich vier weitere Pads für die Samples, ein Tastenfeld zur numerischen Eingabe sowie eine Matrix zur Song- und Patternbearbeitung. Hinzu kommen Taster zur Lautstärkereduktion und Akzentsetzung, ein Start-/Stop-Knopf, ein Zahlenfeld und Regler für Tempo, Speicherfunktionen und Samplelautstärke.
Trotz dieser Vielzahl an Elementen bleibt die Bedienung übersichtlich. Selbst ohne Handbuch lässt sich die Maschine sofort bedienen – wobei die Lektüre der Anleitung durchaus amüsant sein kann. So wird das Crashbecken in der deutschen Übersetzung beispielsweise als „Hackbrett“ bezeichnet. Komplexe Menüstrukturen oder doppelt belegte Funktionen sucht man vergeblich. Dafür bietet das Gerät auch keine tiefgreifenden Soundeditiermöglichkeiten.

Rückseite mit Tiefgang
Auch die Anschlüsse auf der Rückseite zeigen, dass Casio hier ein ernstzunehmendes Studiogerät vorlegen wollte. Neben einem klassischen MIDI-Trio für In, Out und Thru gibt es zehn Einzelausgänge sowie ein Stereo-Out-Pärchen. Sobald einer der Einzelausgänge belegt ist, wird der Stereoausgang allerdings stummgeschaltet. Manche Drumsounds teilen sich zudem Einzelausgänge und Lautstärkefader – etwa Closed und Open HiHat oder Rimshot und Snare. Diese Soundpaare können nicht gleichzeitig gespielt werden. Ergänzt wird das Anschlussfeld durch eine Sampling-Eingangsbuchse mit wählbarer Empfindlichkeit für Mikrofon- oder Line-Signale, eine achtpolige DIN-Buchse zum Speichern auf Kassette, eine Fußschalterbuchse für Start/Stopp, einen Kopfhörerausgang und zwei Klangregler für die bearbeiteten Samples. Diese Regler greifen allerdings nur sehr begrenzt in die Tonbalance ein und dienen eher kosmetischen Eingriffen.

Soundcharakter und Sequencer
Klanglich trägt die RZ-1 unverkennbar die DNA der 1980er-Jahre. Die zwölf fest eingebauten Drum-Samples – darunter Bassdrum, Snare, Toms, Claps, HiHats, Cymbals, Rimshot und Cowbell – besitzen einen kantigen, digitalen Charakter mit Durchsetzungskraft. Eine Klangbearbeitung ist zwar nicht möglich, doch mithilfe der Accent- und Mute-Tasten lassen sich Nuancen in der Dynamik setzen, die auch via MIDI in Form unterschiedlicher Velocity-Werte ausgegeben werden.
Der eingebaute Sequencer funktioniert nach dem klassischen Pattern/Song-Prinzip. Insgesamt lassen sich 100 Patterns speichern und zu 20 Songs verketten. Realtime- und Step-Eingabe sind gleichermaßen möglich, und Funktionen zum Kopieren und Löschen erleichtern die Songgestaltung. Die Quantisierung reicht bis auf 1/96, was für präzise Grooves sorgt. Auch eine Swing-Funktion ist vorhanden – allerdings nur bei eingestellter Achtel-Quantisierung, und der Swingfaktor lässt sich lediglich in sechs Stufen verändern. Ein echtes Manko zeigt sich im Live-Betrieb: Die Pattern lassen sich nicht während des laufenden Spielbetriebs umschalten, was spontane Jam-Sessions erheblich einschränkt.
Sampling in Miniportionen
Das große Alleinstellungsmerkmal der RZ-1 war 1986 die integrierte Sampling-Funktion. Zwar können pro Sample nur 0,2 Sekunden aufgenommen werden – doch diese vier Slots lassen sich flexibel kombinieren: entweder zu zwei Bänken mit je 0,4 Sekunden oder sogar zu einem Sample mit 0,8 Sekunden Länge. Klanglich zeigen sich die Grenzen des Systems deutlich – die Aufnahmen klingen dumpf, verzerrt und verlieren viele Höhen. Doch gerade dieser LoFi-Sound wurde von Künstlern der Chicago-House-Szene geschätzt, wie etwa Steve Poindexter, der mit der RZ-1 den Track „Work That Motherfucker“ prägte.
Der interne Speicher ist batteriegepuffert, wodurch auch nach dem Ausschalten sämtliche Pattern- und Sampledaten erhalten bleiben. Zudem lassen sich sämtliche Daten über die DIN-Buchse auf Kassette sichern – allerdings benötigt man dafür ein spezielles Adapterkabel.
MIDI & Synchronisation
Die RZ-1 ist MIDI-kompatibel und kann sowohl als Master- als auch als Slave-Gerät betrieben werden. Dabei lassen sich alle 16 MIDI-Kanäle individuell für Senden und Empfangen einstellen, was eine reibungslose Integration in größere Setups ermöglicht. Auch MIDI-Clock-Synchronisation ist problemlos möglich.

Fazit: Die Casio RZ-1 lebt vom Charakter
Die Casio RZ-1 ist kein Alleskönner – aber eine Persönlichkeit. Ihre rauen, kantigen Sounds, die einfache Bedienbarkeit und der charmant-schmutzige Sampler machen sie zu einem inspirierenden Werkzeug für Produzenten, die das Unperfekte lieben. Wer cleane Klänge braucht, findet in modernen Drum-Modulen mehr Flexibilität. Doch wer Groove, Vintage-Flair und ein Stück Musikgeschichte sucht, wird an der RZ-1 seine Freude haben – damals wie heute.
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