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Aus der ARP-Asche wiederauferstanden: Synth-Phoenix Rhodes Chroma

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(Bild: Bernhard Lösener)

Zawinul und sein Rhodes Chroma sind u. a. auf dem 1984 erschienenen Domino-Theory-Album von Wheather Report zu hören; er spielte mit dem Synth u. a. im Song D Flat Waltz ein wunderbar expressives Solo ein. Neben der E-Piano-artigen Tastatur liebte er auch den Sound des Chroma und schätzte seine klanglichen Möglichkeiten sowie experimentellen Features wie das (damals außergewöhnliche) Microtuning, das er u. a. auf dem Di-A-Lects-Album (1986) einsetzte. In einem Interview konstatierte Zawinul: „Early in ’83 I replaced the Rhodes electric piano with the Chroma, which I now use for solo playing. I’ve got some really hip solo sounds on it, which are not guitar sounds but have the strength or the power of a rock’n’roll guitar, only with more possibility for flexibility in the sound itself. It’s a fine instrument.“

ARPS Ende. Der Rhodes Chroma wurde von der kriselnden Firma ARP entwickelt und noch im firmeneigenen ARP-Magazin angekündigt. Beteiligt waren u. a. die Ingenieure Steve Dodds und Tony Williams. ARP hatte alles auf eine Karte bzw. den Gitarrensynthesizer Avatar gesetzt, dessen Entwicklung sehr viel Geld und Manpower verschlang. Der Misserfolg des nur 300 Mal gefertigten Avatar (1 Million US-Dollar Einnahmen aus den Avatar-Verkäufen stand 4 Millionen Dollar Entwicklungskosten gegenüber) besiegelte aber dann 1981 das Ende der namhaften Firma. CBS kaufte den fast fertigen Synthesizer aus der Konkursmasse, stellte ihn mit dem früheren ARP-Team fertig und brachte ihn 1982 für 5.295 Dollar unter der zum Konzern gehörenden Marke Rhodes (die ebenfalls einen sehr guten Ruf hatte) heraus. Eine 3.150 Dollar teure Expanderversion wurde ebenfalls angeboten. Es wurden etwa 3.000 Chroma-Synthis gebaut.

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Als Spielhilfen stehen zwei programmierbare Bender zur Verfügung – optional können zwei Fußpedale angeschlossen werden.
Rückseitig findet man neben den symmetrisch ausgeführten Main-Outs, vier Einzelausgänge, die auch als Eingänge genutzt werden können, zwei Pedal- und zwei Fußschalter-Anschlüsse sowie ein Computer- und ein Kassetten-Interface.
Eine MIDI-Interface für den Rhodes Chroma gab es u. a. von Syntech.
Direkten Zugriff hat man auf einen dreibandigen Equalizer.
Rhodes-Chroma-Anzeige mit Herbie Hancock und Joe Zawinul
Die etwas spartanische Display-Sektion des Rhodes Chroma
Mit dem (noch von Steve Wozniak entworfenen) 8-Bit-Homecomputer Apple II/IIe kann man den Chroma Polaris steuern und editieren.
Der Nachfolger des Rhodes Chroma heißt Chroma Polaris, ist sechsstimmig und besitzt ein 4-Pol-Filter; er wurde u. a. von Leftfield und Jimmy Edgar eingesetzt.

Viele Musiker liebten den Rhodes Chroma und schätzten seine außergewöhnlichen Klangeigenschaften ebenso wie die Rhodes-Tastatur. Für CBS/Rhodes war der Synth kein übles Geschäft; wäre er noch unter der ARP-Ägide fertig geworden, hätte er die Firma möglicherweise vor der Pleite gerettet. Zum Userkreis gehörte neben Zawinul auch Herbie Hancock, der den Synth u. a. auf seinem epochalen, Platin-veredelten Electro-Funk-Album Future Shock (mit dem Hit Rock It) von 1983 einsetzte. Auch der Pat-Metheny-Keyboarder Lyle Mays verwendete das Synth-Schlachtschiff. Zu hören ist der Chroma außerdem auf dem Chaka-Khan-Longplayer I Feel For You, auf Thomas Dolbys Aliens Ate My Buick, auf einigen Tangerine-Dream-Alben, auf dem von Jerry Goldsmith produzierten Soundtrack von The Runaways und auf Michael Jacksons History-Album von 1996.

Äußerlich hinterlässt das Schwergewicht einen blei- benden optischen (und orthopädischen) Eindruck. Das Design unterscheidet sich radikal von damals bekannten Synthesizern. Da ist einmal die anschlagsdynamische Rhodes-Kirschholztastatur mit 64 Tasten, die vor allem den pianistisch geschulten Key- boarder erfreut, aber auch einiges auf die Waage bringt. Sie lässt sich splitten, wobei der Split-Punkt frei gewählt werden kann. Dazu kommt das große, seriös wirkende Metallgehäuse mit dem edlen hölzernen Rahmen. Vor allem aber die Bedienoberfläche wies in die Zukunft und hat möglichweise kommende Synth- Designs wie etwa Yamahas DX7 beeinflusst: Statt einer Armee von Potis und Fadern gibt es hier nur sechs Fader und jede Menge grüne, blaue und rote Folientaster. Optische Rückmeldungen liefern zwei spartanische Displays.

Rückseitig findet man neben den symmetrisch ausgeführten Main-Outs, vier Einzelausgänge, die auch als Eingänge genutzt werden können, zwei Pedal- und zwei Fußschalter-Anschlüsse sowie ein Computer- und ein Kassetten-Interface. (Bild: Bernhard Lösener)

Computer sagt nein. Der Rhodes Chroma gehört zur ersten Generation Mikroprozessorgesteuerter Synthesizer (Intel 8039 und Motorola 68B09 sind die Hauptprozessoren). Die Computersektion dient allerdings nur zur Steuerung der analogen Klangerzeugung und dem Generieren der LFOs und Hüllkurven, die beide nicht die allerschnellsten sind. Problematisch ist die Unterdimensionierung des Netzteils vor allem bei früheren Geräten. Das kann zur Folge haben, dass sich die einzelnen Oszillatoren nacheinander während des Spielens verabschieden, was auch brav im Display angezeigt wird. Abhilfe schafft hier meist der Einbau eines neuen Netzteils.

Der Nachfolger des Rhodes Chroma heißt Chroma Polaris, ist sechsstimmig und besitzt ein 4-Pol-Filter; er wurde u. a. von Leftfield und Jimmy Edgar eingesetzt. (Bild: Dieter Stork)

Die analoge Klangerzeugung des Chroma bietet maximal 16 Stimmen bzw. Kanäle; jeweils zwei Kanäle werden zu einem Block zusammengefasst, der dann jeweils mit zwei VCOs, zwei VCAs (basierend auf CEM- 3360), zwei unabhängigen Glide-Generatoren, vier Hüllkurven und zwei sehr flexiblen LFOs (mit vielen Wellenformen, Sample & Hold, Delay-Funktion, diverse Trigger-Modes etc.) bestückt ist. Auch ungewöhnliche Modulationsroutings auf Phasen der Hüllkurven oder die Geschwindigkeit der LFOs lassen sich realisieren.

Die Oszillatoren liefern die Wellenformen Sägezahn, Pulse, Pink Noise sowie White Noise und durchlaufen zwei Multimode-Filter (CEM3350), die mit 12 dB Absenkung pro Oktave arbeiten und als Tief-, Hoch-, Band- oder Kerb-Filter agieren können. Die beiden Filter lassen sich parallel oder seriell konfigurieren, sodass sie bei Bedarf auch als 4-Pol eingesetzt werden können und generell viele Variationsmöglichkeiten gegeben sind.

Mit dem (noch von Steve Wozniak entworfenen) 8-Bit-Homecomputer Apple II/IIe kann man den Chroma Polaris steuern und editieren. (Bild: Bernhard Lösener)

Die Verschaltungsmöglichkeiten der Klangerzeu- gungs-Blöcke (VCO, VCA, LFO etc.) werden durch 16 Algorithmen festgelegt (auch hier ließ sich Yamaha anscheinend für das DX7-Projekt inspirieren). Der Chroma bietet sehr viele Modulationsmöglichkeiten mit Ringmodulation, PWM etc. Eine Fülle von Play-Modi lässt sich anwählen, um die Stimmen monofon oder polyfon zuzuordnen und die Noten-Priorität festzulegen; auch Multimode ist verfügbar. Die Programmierung mit der digitalen Bedienoberfläche, den spartanischen Displays und dem einsamen Data- Fader kann allerdings zur Geduldsprobe werden. Der Spaßfaktor wird deutlich erhöht durch einen Arppegiator, der auch die eingespielten Velocity-Werte verarbeitet und eine Random-Funktion bietet. Auch ein Akkordspeicher ist an Bord.

Der Chroma gehört zu den ersten Synthesizern, die von einem Computer gesteuert werden konnten. Beim Chroma kam der Apple II bzw. IIe zum Einsatz, für den Editor-Software und ein Sequenzerprogramm mit 64 Spuren entwickelt wurden; in der Prä-MIDI-Ära war das purer Luxus.

Rhodes-Chroma-Anzeige mit Herbie Hancock und Joe Zawinul

Klanglich gehört der Rhodes Chroma zur Synthesizer- High-Society … er ist mit einem kraftvollen Basis- Sound ausgestattet und kann dank der flexiblen Konfigurations- und Modulationsmöglichkeiten eine große klangliche Bandbreite abdecken. Manche Patches erinnern an einen ARP 2600, manchmal wirkt er eher clean und brillant oder geht ein wenig in Richtung Oberheim Matrix 12. Zu seinen Stärken gehören zudem außergewöhnliche Modulationen; dank Filter- FM, PWM, Ringmodulation und Oszillator-Sync gibt es hier viele Optionen, um ausdrucksstarke, lebendige Sounds zu erstellen, vorausgesetzt, man hat sich mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Bedienkonzept angefreundet. Etwas schade ist nur die z. T. etwas grobe Parameterauflösung, die bei manchen Parame- tern nur 32 (VCA Modulationstiefe) oder 8 Stufen beträgt wie bei der Filterresonanz (die aber bis zur Eigenschwingung reicht).

MIDI. Da der Rhodes Chroma in der Prä MIDI-Zeit auf die Welt kam, musste man eine bis zu 1.000 Mark teure MIDI-Schnittstelle nachrüsten; Anbieter waren damals u. a. Syntec, Kenton, EES Wiescholek oder JL Cooper; Tipps zu aktuellen Interfaces (etwa CC+) findet man u. a. auf www.rhodeschroma.com. Sein Nachfolger heißt Chroma Polaris und kam Ende 1984 mit einem Preis von 7.500 Mark auf den hart umkämpften Synthesizermarkt. Er ist eine sechsstimmige, abgespeckte Version des opulenten Vorgängers und kann ihm klanglich nicht das Wasser reichen; dafür wurde ihm eine verbesserte Bedienoberfläche mit vielen Reglern verpasst, die das intuitive Erstellen von Sounds begünstigt.

Der Rhodes Chroma wurde uns freundlicherweise von Ingo Rippstein (www.synthmaster.de) zur Verfügung gestellt.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich habe den vollständigen Chroma-Artikel nicht gelesen, möchte hier aber noch festhalten, dass die Chorma-Community (http://rhodeschroma.com) die beste Communitiy ist, die ich betreffend einem legendären Synthi kenne. Hier wurden diverse Erneuerungen gebaut/kommuniziert/verteilt (CC+-Main-CPU, Polyaftertouch-Option, PSU, Kontroller für Soundeditierung…) und man erhält immer noch extrem viel Support bei Problemen oder Restaurationen der Chromas. Wirklich toll.
    — W.

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  2. Ich hätte einen abzugeben:
    ARP Chroma + EES-Midi (+Editor-SW für Atari-ST + AtariST).
    Chroma + Midi sind generalüberholt und technisch einwandfrei, mit Rechnung – und natürlich mit Gebrauchsspuren 😉
    Gebote ab 15k€ gerne an: b.vanvugt@v2r-consulting.de 🙂

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