Casio CZ-101: Der kultige Phase-Distortion-Synthesizer mit Charakter

Casio CZ-101 Top

Der Casio CZ-101 ist mehr als nur ein Relikt aus den 1980er-Jahren – er ist eine Synthese-Legende mit eigenständigem Klang und ungebrochener Faszination. Von Electro-Produzenten bis hin zu Circuit-Bendern hat der kompakte Digitalsynth eine treue Fangemeinde gefunden. Selbst moderne Labels wie das niederländische Angelmaker Records würdigen das Kultpotenzial: Eine komplette Compilation mit Casio-Equipment steht in den Startlöchern.

Die Geschichte: Vom Taschenrechner zum Synthesizer

Casio, benannt nach Firmengründer Tadao Kashio, stieg Anfang der 1980er-Jahre in die Welt der Musikinstrumente ein. Zuvor war das japanische Unternehmen vor allem für Taschenrechner und digitale Uhren bekannt. Mit preiswerten Keyboards wie dem SK-240 und dem legendären SK-1, der RZ-1 Drum Machine oder dem FZ-1 Sampler ebnete Casio den Weg für eine neue Ära digitaler Klangerzeugung.

CZ-101: Casios Antwort auf Yamaha FM

Der 1984 erschienene CZ-101 war Casios erster Synthesizer der sogenannten „Professional Line“ und wurde weltweit rund 68.000 Mal verkauft. Für nur 499 US-Dollar bot er eine digitale Phase-Distortion-Synthese (PD) – ein alternatives Konzept zur FM-Synthese von Yamaha. Statt eines Filters verzerrt PD die Phase von Wellenformen und erzeugt dadurch eine breite Palette an synthetischen, oft nasal-elektronischen Klängen.

Klangdesign: Einfacher als FM – dennoch komplex

Dank zwei Oszillatorsträngen und acht auswählbaren Wellenformen, darunter auch resonanzartige Waves, bietet der CZ-101 ein flexibles Sounddesign. Jeder Oszillator kann sogar aus der Kombination zweier Wellenformen bestehen. Modulationen wie Ringmodulator, Noise-Modulation, Vibrato und Portamento erweitern das Spektrum. Die achtstufigen Hüllkurven für DCO, DCW und VCA ermöglichen dabei rhythmische und komplexe Klangverläufe, die über klassische ADSR-Strukturen hinausgehen.

Polyphonie & Multitimbralität

  • Achtstimmig im Single-Mode mit einem Oszillator

  • Vierstimmig bei Nutzung beider Oszillatoren

  • Multitimbral: vier Sounds auf verschiedenen MIDI-Kanälen, allerdings mit Einschränkungen beim Pitch-Bend

Mit der Funktion Tone Mix lassen sich zwei Sounds layern – ideal für druckvolle, monophone Leads.

Benutzeroberfläche: Spacig, aber funktional

Das silberne Kunststoffgehäuse mit 49 Minitasten, LED-beleuchteten Tastern und einem zweizeiligen Display wirkt heute charmant retro. Ein dedizierter Taster für jede Funktion erleichtert die Bedienung – kein umständliches Menüscrollen! Zwar fehlt ein Datenrad, aber dafür gibt es einen RAM-Cartridge-Slot zur Erweiterung des Speichers (z. B. mit RA-3).

Erweiterte Möglichkeiten durch SysEx

Über System-Exclusive-Befehle (SysEx) lässt sich der CZ-101 über das normale Interface hinaus programmieren:

  • Drei zusätzliche Wellenformen

  • Erweiterte Vibrato-Modi

  • Neue Ringmodulationstechniken

  • Extreme Detune-Werte von bis zu ±127 Halbtönen

  • Zusätzliche Hüllkurvenfunktionen

Tools wie SoundDiver oder spezialisierte Editor-Software bieten hier tiefen Zugriff.

Casio CZ-101 im Live- und Studiobetrieb

Der Synth lässt sich per Netzteil oder mit 6 Babyzellen betreiben und ist dank Gitarrengurtbefestigung sogar als Keytar einsetzbar – eine Funktion, die ihn besonders in der 80er-Popkultur unsterblich machte. Der Monoausgang, Kopfhöreranschluss, MIDI In/Out sowie Tape- und Trigger-Interfaces machen ihn vielseitig integrierbar.

Casio CZ-101 Rückseite
Foto: Bernhard Loesener

Berühmte CZ-101-User

Zu den Fans des CZ-101 zählen Größen wie:

  • Vince Clarke (Depeche Mode, Erasure)

  • Jean-Michel Jarre

  • Moby

  • Joe Zawinul

  • Jimi Tenor

  • The Neptunes

  • They Might Be Giants

Schwächen? Klar, aber charmant

  • Nur 16 Speicherplätze intern (plus RAM-Cartridge)

  • Presets klingen oft uninspiriert

  • Kein MIDI-Thru

  • Nebengeräusche typisch für Digitaltechnik der 80er

Trotzdem überzeugt der CZ-101 durch Authentizität, Bedienbarkeit und Soundvielfalt.


Casio CZ-101 – Technische Features im Überblick

  • Digitale Klangerzeugung: Phase Distortion

  • Zwei Oszillatoren, acht Wellenformen

  • Achtstufige Hüllkurven

  • Ringmodulation, Noise, Vibrato, Portamento

  • Layering, Multitimbral auf vier MIDI-Kanälen

  • MIDI-In/Out, Tape-Sync, Cartridge-Slot

  • Batteriebetrieb möglich, Stromsparmodus

  • 49 Minitasten, Pitch-Rad

  • 66 × 20,5 × 6 cm, ca. 2 kg


Fazit: Ein unterschätzter Klassiker

Der Casio CZ-101 ist kein Synth für realistische Emulationen von Naturinstrumenten – das war nie sein Ziel. Aber für elektronische Klangexperimente, 80er-Flair, Lo-Fi-Ästhetik und analoge Vibes im digitalen Gewand ist er unschlagbar. Für rund 200 € auf dem Gebrauchtmarkt bekommt man einen echten Charakterkopf – mit Potenzial für kreative Höhenflüge.

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