Die einzelnen Stationen:

Filmmusik in der Praxis

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Die Bauer Studios (Bild: Michael Fiedler)

Die einzelnen Stationen der Entstehung einer Filmmusik und die Verzahnung von filmmusikalischen Ideen und deren technischer Realisation werden in diesem Artikel aufgezeigt. Vom ersten Konzeptionsgespräch mit dem Regisseur über Komponieren, Aufnehmen, Mischen bis zum Anlegen der Musik an den fertig geschnittenen Film stellen wir auf den folgenden Seiten praxisnah den Verlauf einer Filmmusikproduktion dar.

Die Situation: Ein geplanter oder schon abgedrehter Film soll eine speziell komponierte Filmmusik erhalten. Während in den USA eher die Produktionfirma einen Komponisten engagiert ist es in Deutschland meist der Regisseur, der für seinen Film einen geeigneten Komponisten auswählt bzw. ständig mit einem ihm vertrauten Komponisten zusammenarbeitet. So schade dies für Newcomer ist, die „ihre Chance“ bekommen möchten, so sinnvoll und arbeitserleichternd ist es für den Regisseur und seinen „Hofkomponisten“, denn eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer passenden Filmmusik ist die Kommunikation zwischen beiden. Die wenigsten Regisseure vermögen sich musikalisch auszudrücken und sprechen eher in dramaturgischen oder psychologischen Begriffen. Vielleicht möchte ein Regisseur, dass die Musik „irgendwie schräg“ klingt, und dann ist es gut, wenn der Komponist aufgrund seiner Erfahrung aus vorangegangenen Projekten weiß, dass dieser Regisseur damit eher ungewöhnliche Instrumente und nicht Tonsatz, Intonation oder Studiosound meint. Die Arbeit des Filmkomponisten beginnt im günstigen Fall schon vor Drehbeginn mit Erhalt des fertigen Drehbuchs. Er kann in Absprache mit dem Regisseur schon grobe Themen oder Atmosphären entwickeln, die später zeitlich und inhaltlich an den Film angepasst werden, oder er muss schon Musik komponieren, die bei den Dreharbeiten bereits benötigt wird (z. B. ein Lied, das ein Schauspieler im Film singen soll). Man unterscheidet je nach Einsatzebene grundsätzlich zwei Arten von Filmmusik:

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– ON-MUSIK, die Quelle der Musik ist im Film sichtbar oder dort anzunehmen (Darsteller singt, Radio in der Küche, Rummelplatz etc.)

– OFF-MUSIK, dramatische, zugefügte Musik (die meiste Filmmusik)

Spannend wird es, wenn die Ebenen ineinander übergehen, indem beispielsweise das sichtbare Gitarrenspiel des Hauptdarstellers als On-Musik in eine völlig andere Szene als Off-Musik weitergetragen wird.

Oft wird der Filmkomponist jedoch erst nach Fertigstellung des Rohschnitts hinzugezogen. Gemeinsam mit dem Regisseur sieht er den Film durch und bespricht Einsätze, Längen und Art der Musik. Dies ist ein „heiliger“ Moment, denn zum einen hat der Komponist noch einen unverbrauchten Eindruck des Films, vielleicht sogar den Initial-Einfall und kann Wünsche bezüglich des Schnitts oder Längen einzelner Szenen äußern. Zum anderen wird hier gemeinsam ein Konzept geschmiedet, welches die Arbeitsgrundlage für die nun anstehende Kompositionsarbeit ist. Der Einfluss der Regisseure auf die konkrete Gestaltung der Filmmusik ist sehr unterschiedlich und reicht von „Mach da mal Musi“ über (oft originelle und unorthodoxe) Vorschläge zur Instrumentierung bis zum Vorspielen eines Stückes (Mahler-Sinfonie): „Genau so will ich’s haben“.

Das Konzept sollte sehr stimmig und genau sein, denn nun beginnt der Wettlauf mit der Zeit. Ein leidiges Thema sind auch hier die (oft unnötig) eng kalkulierten Zeitpläne der Produktionsfirmen/Sender. Meist steht der Misch- und Sendetermin schon fest; die Zeit für Feinschnitt, Ton-Nachbearbeitung und Komposition/Produktion der Filmmusik beträgt 3 bis 6 Wochen (Fernsehen). Verzögert sich der Filmschnitt (was gelegentlich vorkommt), so reduziert sich die Zeit für die Erstellung der Musik noch weiter. Der Komponist muss also von Anfang an die richtige Musik schaffen – Raum für Fehlversuche bleibt kaum. Was richtig ist, entscheidet der Regisseur. Filmmusik ist eine Dienstleistung und nicht der Ort für (musikalische) Selbstverwirklichung (die stellt sich von selbst ein).

Der Filmmusiker sollte sich in möglichst vielen Musikstilen zu Hause fühlen. Oft müssen neben der dramatischen Off-Musik auch On- Musiken erstellt werden, die stilistisch und klanglich authentisch wirken sollen (z. B. Barmusik, isländischer Seemannschlager mit 60er Jahre-Touch, Drehorgel- Musik, Alleinunterhalter auf Miß- Wahl, Techno aus vorbeifahrendem Trabbi mit 2 x 100 Watt-Subwoofer-Anlage usw.)

Verträge, Honorare, Produktionskosten

Bevor die kreative Arbeit beginnt, müssen die Rahmenbedingungen geklärt sein. Der Komponist schließt mit der Filmproduktionsfirma oder dem Sender einen Filmmusikvertrag. Dieser beinhaltet genaue Vereinbarungen über Art und Umfang der zu erbringenden Leistung, Form und Material des Musik- Masters (z. B. Mono-kompatibles Stereo- DAT), Honorar, Zahlungstermin(e), Zeitdauer der Beschäftigung, zu übertragende Rechte, Pflichten des Filmherstellers und des Komponisten u. a. Die Formulierungen entstammen meist den „Allgemeinen Bedingungen zum Filmmusikvertrag“, wie sie einmal exemplarisch zwischen dem Verband Deutscher Filmproduzenten e.V. und dem Deutschen Komponistenverband e.V. vereinbart wurden.

In der Regel wünscht der Filmproduzent einen Pauschalvertrag, d. h., er zahlt dem Komponisten ein Honorar und verlangt dafür die komplette Abwicklung aller zur Produktion der Musik erforderlichen Leistungen (Komposition, Aufnahme, Studio- und Musikerkosten, Disposition, Herstellung des Masterbandes). Nur selten (z. B. bei Orchester- Produktionen) ist es möglich, das Kompositionshonorar vertraglich von den Produktionskosten zu trennen.

Beide Vertragsformen haben Vor- und Nachteile: Der Pauschalvertrag zwingt den Komponisten, sehr ökonomisch zu arbeiten; alle Kosten für Studio und Musiker verringern seinen Netto-Erlös. Er trägt das Risiko eventueller Pannen und Verzögerungen, die dann seinen Gewinn noch mehr schmälern. Andererseits besteht beispielsweise die Möglichkeit, die 3000,– DM Studiokosten für sich zu behalten und statt dessen in einen neuen Sampler oder ein Harddisk-Recording-System zu investieren und zu Hause, mit semiprofessionellem Equipment, zu produzieren.

Welche Qualität man jeweils noch verantworten kann, hängt sehr vom musikalischen und klanglichen Material (MIDI /Audioaufnahmen) und der Endverwertung des Films (Kino/TV) ab. Auch in Pauschalverträgen ist es ratsam, das Gesamthonorar explizit in die Bereiche Komposition, musikalische Ausführung, kaufmännisch technische Arbeiten aufzuteilen, denn, spielt man das meiste Material selbst ein (was bei reinen MIDI-Produktionen zu 100% der Fall ist), so kann man positiv auf die GVL-Ausschüttung einwirken, indem man den Bereich musikalische Ausführung sehr hoch ansetzt: z. B. Komposition 60% – musikalische Ausführung 30% – kaufmännisch technische Arbeiten 10%. Meist erkennt die GVL dann 30% des Gesamtbetrages an. Die GEMA-Ausschüttung bleibt davon unberührt, denn dort zählen nur gesendete Sekundenwerte. Gehört man nicht zu den wenigen Stars, die aufgrund ihres Status erhöhte Forderungen stellen können, so betragen die üblicherweise gezahlten Pauschalhonorare bei TV-Produktionen ca. 10.000,– bis 20.000,– DM für einen 90-minütigen Film, eine Serienfolge (45 Min.) ca.5.000,– bis 9.000,– DM. Es gilt erfahrungsgemäß die Faustformel: Filmmusiklänge = 1/3 Filmlänge, so dass ein 90-minütiger Spielfilm ca. 30 Minuten Musik benötigt.

Für die Komposition einer Orchestermusik (eher Kino-Produktionen) gelten ähnliche Honorare. Allerdings muss sich die Leistung des Komponisten dann auf das Erstellen der Partitur und Überwachen der Musikaufnahme beschränken. Kosten für Dirigent, Orchester und Aufnahmestudio trägt der Filmproduzent. Für ein kleines Filmorchester (20 Musiker), Dirigent und Aufnahmestudio muss man ca. 12.000,– bis 20.000,– DM veranschlagen. Große Orchester-Produktionen (70 – 80 Musiker) kosten dann schon 50.000,– bis 100.000,– DM und sind daher großen Kinofilmen vorbehalten. Wird für kleinere TV-Produktionen z. B. von Seiten des Regisseurs unbedingt eine Orchesterproduktion gewünscht, so behilft man sich mit Studenten- oder Jugendorchestern oder produziert in Ost-Europa. Hier ist schon manch Unmögliches wahr gemacht worden. Die Arbeit dauert einschließlich Vor- und Nachbereitung erfahrungsgemäß ca. 2 Monate für einen 90-min-Film.

Es ergibt sich also, ausgehend von einem Netto-Honorar von 5.000,– DM (nach Abzug aller Unkosten) ein Monatsverdienst von 2.500,– DM. Diese 2.500,– DM wurden aber statt in einer 35- Stunden-Woche eher in einer 70-Stunden- Woche verdient, müssen noch versteuert werden, länger als 2 Monate halten (Auftragspausen) und zur Pflege und Erweiterung des heimischen Geräteparks herhalten. Die Filmproduzenten und Sender vertrösten den Filmkomponisten deshalb gern mit dem Hinweis auf die zu erwartenden GEMA-Ausschüttungen, die in der Tat recht üppig ausfallen können (siehe Abschnitt GEMA).

Eine relativ neue Machenschaft der Sender/ Produktionsfirmen ist es, sich im Filmmusikvertrag die Verlagsrechte an der Musik übertragen zu lassen. Der Komponist wird quasi dazu genötigt, sich darauf einzulassen – andernfalls verliert er den Auftrag. Durch diesen „Trick“ (so muss man es wohl nennen) kassieren die Sender/Produktions-Firmen 40% der GEMA-Tantiemen, ohne als Verlag etwas über die Sendung des Films hinausgehendes für die Veröffentlichung und Verbreitung der Ihnen anvertrauten Musik zu tun. Telefonate mit GEMA und Komponistenverband bestätigen dies. Zur Zeit läuft ein Musterprozess des DKIV (Deutscher Komponisten-Interessenverband) gegen das ZDF, das mit dieser Unsitte angefangen hat.

Arbeitsweisen, Werkzeuge und Material des Filmkomponisten

Entsprechend den musikästhetischen Wünschen des Regisseurs und vor allem dem zur Verfügung stehenden Produktionsetat muss sich der Komponist schon vor dem Setzen der ersten Note für eine der folgenden Produktionsklassen entscheiden:

  1. a) reine MIDI-Produktionen
  2. b) gemischte Produktionen (MIDI & Overdub- Recording)
  3. c) reine Recording-Produktionen (Einzelmusiker oder Orchester),

denn diese verlangen jeweils unterschiedliche Arbeitsweisen:

  1. a) Bei reinen MIDI-Produktionen verwischen naturgemäß die Grenzen zwischen Komposition und Produktion: Jedes eingespielte oder gesetzte MIDI-Event muss gleich von Anfang an sorgfältig gestaltet und editiert werden, während
  2. b) gemischte Produktionen dies nur teilweise verlangen. Hier ist darauf zu achten, dass vor live einzuspielenden Parts ordentliche Vorzähler vorhanden oder möglich sind, d. h. mindestens 2 Takte vor Beginn des Parts sollte das Tempo, wenigstens annähernd, dem des Parts entsprechen.
  3. c) Bei reinen Recording-Produktionen kommt es nun gar nicht mehr auf ausgefeilte MIDI-Bearbeitungen, sondern auf Spielbarkeit und ein lesbares Notenbild an. Wie im Abschnitt „Komposition“ noch ausführlicher dargestellt, werden oft Leitmotive verwendet, die immer wieder auftauchen. Deshalb sollte eine fertig komponierte Sequenz sofort im Notenbild ausgearbeitet werden (Tonart, Schlüssel, Staccato-Punkte etc.).

Kopiert man später diese Sequenz, um sie als Variation erneut zu verwenden, spart man sich die Mühe (und Zeit!) diese aufwendigen Bearbeitungen noch einmal auszuführen. Auch wenn die gesamte Filmmusik von „echten Musikern“ eingespielt werden soll, empfiehlt es sich in jedem Fall, mit einem (notationsfähigen) Audio/MIDI-Sequenzer wie Cubase Score VST, Emagic Logic o. ä. ein MIDI-Layout einzuspielen, denn, ist das Kompositionsmaterial einmal synchron zum Bild eingespielt, schlägt man gleich „3 Fliegen mit einer Klappe“:

1) Der Sequenzer ist einfach zu synchronisieren (siehe Abschnitt „Synchronisation“). Egal, ob man frame-genau oder zeitlich gröber arbeitet: Es herrscht zu jedem Zeitpunkt ein klar definiertes Verhältnis von Musik zu Bild, welches mit einem synchron laufenden Sequenzer jederzeit editierbar und vor allem reproduzierbar ist. Dies ist zum einen wichtig, weil man zunächst mit dem Rohschnitt als Bildmaterial beginnt und im Laufe der Arbeit, zumindest bei eiligen TV-Produktionen, ständig neue, aktualisierte Schnittfassungen bekommt, die sich in den Längen einzelner Szenen von 1 Frame (siehe: die wichtigsten Fachbegriffe: SMPTE) bis zu mehreren Sekunden von der Vorversion unterscheiden können. Dann ist schnelles Anpassen der Tempi oder sogar das Umstellen ganzer Takte notwendig. Zum andern ergibt sich aus dem „Dienstleistungscharakter“ des Filmmusikschaffens die Notwendigkeit, dem Regisseur in regelmäßigen Intervallen die bereits fertigen Kompositionen synchron zum Bild vorzuführen, damit dieser rechtzeitig Einwände und Vorschläge äußern kann. Der MIDI-Sequenzer erweist sich hier als ideales Demo-Werkzeug, denn man kann an Ort und Stelle mit dem Regisseur Editierungen vornehmen (andere Klangfarben, Arrangements, Tempi, Synchron- Punkte etc.)

2) Bei gemischten Produktionen (s. o.) und reinen Recording-Produktionen erweist es sich als sehr elegant und arbeitssparend, dass die Musik und somit auch alle Tempoverläufe schon vorhanden sind. Overdubs können dann direkt zum zeitgerechten MIDI-Playback eingespielt werden. Der vom Dirigenten eines Filmorchesters unbedingt benötigte Clicktrack ist leicht über die METRONOM-Funktion des Sequenzers zu erstellen. Ist die Filmmusik sehr genau auf bestimmte Cue-Points auskomponiert, so gibt es kaum durchgängige Tempi, und besonders Orchestermusik lebt von einer lebendigen Agogik, von Accelerandi und Ritardandi, so dass man auf das Sequenzer-Metronom nicht verzichten kann.

3) Die für eine Aufnahme von Live-Musikern (sei es Orchester oder kleine Ensembles) benötigte Partitur samt Einzelstimmen ist quasi schon vorhanden, wenn man – wie oben beschrieben – beim Komponieren bereits das Notenbild beachtet. Letzte Layoutarbeiten (Dynamik-, Artikulations- und Spielanweisungen, Seiteneinteilung etc.) benötigen dann nur noch wenige Tage Arbeit.

Synchronisation

Die Synchronisation von Bild und Musik erfolgt über SMPTE/EBU-TIMECODE. Die ,Society of Motion Pictures and Television Engineers‘ und (später) die ,European Broadcast Union‘ legten 1972 ein Format für die genaue Definition der Zeiteinheiten bis herab zur Dauer eines Video/Film-Bildes fest: Dieses war für den Schnitt von Videobildern ausreichend. Für Audio-Anwendungen benötigt man jedoch eine bedeutend höhere Auflösung, denn bei einer Bildrate von z. B. 25 Bildern pro Sekunde beträgt die Dauer eines Bildes 40ms (1/25 Sekunde). Diese Zeitspanne ist für ein Audioereignis schon recht lang.

Den verschiedenen Film-/Videoformaten entsprechen unterschiedliche Bildraten:

tabelle-1

Für den Filmkomponisten gibt es 2 Arten der Bild/Musik-Synchronisation:

1) Die Arbeit mit Videorecorder und per Timecode verkoppeltem Sequenzer (herkömliche Methode)

2) Die Verwendung von Quicktime-Filmen, die in das Sequenzer-Arrangement importiert werden und dort automatisch synchron mitlaufen.

Gehen wir zunächst von der Arbeit mit Videorecorder aus:

Die Timecode-Information wird pro Frame in 80 bzw. 90 bits (s. u.) codiert und kann in zweierlei Weise auf das Videoband aufgezeichnet werden:

1) Als LTC (Longitudinal Timecode). 80 Bits werden als Rechtecksignal auf eine Audiospur des Videobandes aufgezeichnet – AUDIOSIGNAL.

2) als VITC (Vertical Interval Timecode). 90 Bits werden in die Austastlücke des Bildes, in eine der Zeilen 6-22 geschrieben und sind dann Teil des Bildes – VIDEOSIGNAL.

Während der VITC auch im Spulbetrieb oder sogar beim Standbild noch gelesen werden kann, muss der Videorecorder zum Lesen des LTCs (longitudinales Audiosignal) in der normalen Wiedergabegeschwindigkeit laufen. Hat der Synchronizer alle 80bits gelesen, so „weiß“ er die Timecode-Zeit, allerdings ist es dann schon 1 frame „zu spät“. Dieses sogenannte DECODING DELAY wird bei den meisten Synchronizern durch Addition eines Frames im Display ausgeglichen.

In einem Synchronverbund von mehreren Geräten (Video, Sequenzer, HD-Rec. etc.) gibt es immer einen MASTER und einen oder mehrere SLAVES. Im einfachsten Fall muss nur der Sequenzer (als Slave) zum Videorecorder (Master) synchron mitlaufen. Dafür muss der Timecode, der als LTC auf der Audiospur des Videobandes vorliegt, in ein dem Computer verständliches Signal gewandelt werden: den MTC (MIDI-Timecode). Diese Aufgabe übernehmen einfache Synchronizer wie z. B. Emagics Unitor 8 oder MIDIMANs Video Syncman.

tabelle-2 Damit der erste Takt des Musikstücks im Sequenzer an einer bestimmten Zeitposition des Films startet, muss das Musikstück angelegt werden. Dies geschieht durch Einstellen eines Offsets in der SYNCHRONISATION-Page des Sequenzers, was mit der Genauigkeit eines Sub-Frames (= 1/80 Frame) möglich ist. Normalerweise reicht aber ein frame-genaues Anlegen der Musik.

Arbeiten ohne Videorekorder

Eine relativ neue Variante der Bild/Musik- Synchronisation ist das Verwenden von auf der Festplatte gespeicherten, digitalisierten Videobildern als Bildmaterial. Die meisten aktuellen Sequenzer sind in der Lage, QUICKTIME- Movies (Mac und Windows-PC) bzw. AVI-Videos (Windows-PC) framegenau synchroniert zur Musik auf dem selben Bildschirm abzuspielen.

Eindeutige Vorteile sind: automatische Synchronisation durch die Software und direkter Zugriff auf jede Position im Video ohne Spulzeiten. Als Nachteil könnte man ansehen, dass die Wiedergabe des Videos eine große Rechnerleistung verlangt. Praktisch gesehen muss aber die Bildqualität nur dem Anspruch genügen, den Ton an das richtige Bild anlegen zu können. Daher kann mit einer starken Bildkompression und einem kleinen Bildfenster gearbeitet werden. Hinterher wird das fertige Musikmaterial ja sowieso an das Original- Bildmaterial angelegt.

Lediglich zum Vorführen des Musik-Demos bleibt der Videorecorder oder aber eine leistungsfähige Videokarte unentbehrlich, denn der Regisseur möchte das Verhältnis von Musik und Bild wahrscheinlich bei einer ansprechenderen Bildqualität und -größe beurteilen. Eine entsprechende Videokarte, siehe auch „Marktübersicht Video-Schnittsysteme“ S. 72, entlastet den Rechner und sorgt durch eigene Hardware-Rechenpower für ein ruckelfreies Videobild in ausreichender Auflösung und Größe.

Es empfiehlt sich zum Digitalisieren des Videos den COMPOSIT-Ausgang eines Betacam- Recorders zu verwenden, da die Ausgangsbildqualität und auch Laufgenauigkeit gegenüber VHS-Recordern erheblich besser ist.

Synchron in allen Arbeitsphasen

In den verschiedenen Arbeitsphasen bei der Herstellung einer Filmmusik (Komposition, Aufnahme, Mischung, Anlegen) arbeitet der Filmkomponist mit unterschiedlichen Medien und an verschiedenen Orten. So komponiert er meist zu Haus mit einem Sequenzer- Programm. Für die Aufnahme akustischer Instrumente (Einzelinstrumente oder gar Orchester) geht er, sofern er nicht über ein eigenes Studio verfügt, mit seinem Sequenzer- File (MIDI-Playback/Click-Track) in ein entsprechendes Aufnahmestudio, wo die Musik dann auch gemischt wird. Die fertige DAT-Cassette (Master) bringt oder schickt er zum Post-Production-Studio (Tonnachbearbeitung), wo alle Töne des Films (Originalton, Sprach- und Geräuschsynchron, Atmos, Special- FX und eben die Filmmusik) angelegt und für die Filmmischung vorbereitet werden. Heute werden dafür in zunehmendem Maße HD-Recording-Systeme (AVID o. a.) verwendet, d. h. die Musik kann direkt von DAT digital in das Post-Postproduction-System überspielt werden. Wird dort immer noch am Schneidetisch gearbeitet, muss sie vorher noch auf ein analoges Perfo-Band überspielt werden. Um das framegenau definierte Zeitverhältnis von Musik und Bild nun in all diesen Arbeitsphasen aufrechterhalten zu können, müssen idealerweise alle verwendeten Geräte über Timecode synchronisiert werden. Es gibt dann einen Referenz-Timecode, auf den sich alle Geräte in allen Arbeitsphasen beziehen.

Das Musik-Master

Beim Mastern auf Timecode-DAT gibt es zwei Varianten:

1) Die DAT-Cassette wird mit einem zum Videoband identischen Timecode versehen, die Timecode-Adressen stimmen also immer überein. Dies hat den Vorteil, dass man die Musik später nicht mehr „von Hand“ anlegen muss. Der DAT-Recorder läuft beim Überspielen synchron mit und „spuckt“ an den richtigen Stellen die richtige Musik aus. Dies kann notwendig sein, wenn man als Komponist nicht beim Anlegen dabei sein kann, weil z. B. die Post Production in Island stattfindet und ein Flug zu teuer wäre. Der Nachteil dieser Methode ist der übertriebene Bandverbrauch, denn oft vergehen zwischen den Filmmusikeinsätzen einige Minuten. Dennoch wird professionell oft so gearbeitet.

2) Die DAT-Cassette erhält einen eigenen (durchgehenden!) Timecode, und die Musikstücke werden, wie gewohnt, eines hinter dem anderen aufgezeichnet. Im Post-Production- Studio werden die Musikstücke einzeln überspielt und dann „von Hand“ an den entsprechenden Stellen angelegt. Einige HD-Systeme „merken“ sich die jeweilige Timecode-Position des DAT-Bandes und können sich mit Hilfe einer BATCH-Funktion jederzeit wieder die Musikstücke vom DAT-Master „holen“. Diese zweite Methode reicht in den meisten Fällen aus.

CD-R versus DAT

Im Zeitalter des preiswerten CD-Brennens stellt sich natürlich die Frage, ob nicht gleich eine CD statt DAT-Cassette abgegeben werden kann. Dies wird aber von den meisten Post- Production-Studios verweigert, da die oben beschriebene Batch-Funktion im Falle eines Datenverlusts auch eine Back-Up-Sicherheit bietet. Auf eine CD kann in dieser Weise nicht zugegriffen werden, da man sie nicht mit einem Timecode beschreiben kann.

Equipment

Um bildsynchron komponieren und produzieren zu können, benötigt ein Filmkomponist also folgendes Equipment (Beispiele mit grober Kostenschätzung):

1a) Die Low-Budget-Variante mit Videorecorder:tabelle-3

1b) Die Low-Budget-Variante mit Videokartetabelle-4

2) Die Profi (Ideal)-Variante:tabelle-5

Die grobe Kostenschätzung zeigt, dass die meisten Filmkomponisten, zumindest anfänglich, wohl eher mit der Low-Budget-Variante arbeiten werden. Gelingt es, einen Teil der Pauschalhonorare „für sich zu behalten“, so kann man sich nach und nach auf die Profi- Variante zu bewegen und die meisten Filmmusiken vollständig im eigenen Studio produzieren.

In der Praxis zeigt sich, dass eine durchgehende Timecode-Synchronisation und damit eine „Kostenexplosion“ nicht unbedingt erforderlich ist. Da Filmmusikstücke, abgesehen vom Schlusstitel, selten länger als 1 bis 2 Minuten dauern (manchmal muss man jemand in 13 Sekunden beerdigen), braucht das HD-Recording- System keine Chase-Lock-Sync- Funktion.graphik

Zum Mastern reicht ein einfacher Consumer- DAT-Recorder. Die beim Überspielen ins Post- Production-System (meist wird hier mit einer Samplingrate von 44.1 kHz gearbeitet) dann notwendige, erneute AD-Wandlung des 48 kHz-DAT-Signals ist vertretbar.

Längere Musikstücke (ab ca. 2 Min.) können sich dann um ein bis zwei Bilder gegenüber dem Filmbild verschieben, aber auch in diesem (seltenen) Fall ist durch geringfügige Timecorrection- oder Schnittmaßnahmen eine Korrektur möglich. Als Videorecorder genügt ein VHS-HiFi- Stereo-Recorder mit Nachvertonungsmöglichkeit und Jog-/Shuttlewheel.

Videoband

Falls noch mit Videoband gearbeitet wird, sollte sich auf den HiFi-Spuren der VHS-Arbeitskopie der möglichst vollständige Original-Ton (Spur 1) und der LTC (Spur 2) befinden. Im Bild sichtbar sollte unbedingt ein Timecode eingeblendet sein, der mit dem LTC identisch ist, denn, auch wenn zur eigentlichen Synchronisation nur der LTC verwendet wird, ist es für das Anlegen der Musik im Sequenzer sehr arbeitserleichternd (und zeitsparend) wenn die Timecode-Adressen der entsprechenden Cue-Points direkt abgelesen und im Sequenzer eingetippt werden können (Die Alternative wäre ein „Trial and Error- Spiel“: Anlegen -> Musik etwas zu spät – Vorziehen -> Musik zu früh – wieder etwas Zurücksetzen -> jetzt stimmt‘s – fast). Aufgrund einer gewissen Beamtenmentalität, besonders in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, bekommt man diesbezüglich öfter ein „Das geht nicht!“ zu hören, weil die Aufzeichnung eines VITC auf VHS-Cassette evtl. mit etwas mehr Aufwand („Umstöpselei“, Umweg über Betacam etc.) verbunden ist; ein hartnäckiges Beharren lohnt sich aber aus den genannten Gründen immer. Zum Frame-genauen Auffinden der Cue-Points ist ein Jog-/ Shuttle-Wheel dringend zu empfehlen, sonst heißt es auch dort „Trial and Error“. Bekommt man bei einer Billig-Produktion ein Video ohne Timecode (z. B. vom Schneidetisch abgefilmter 16mm-Film), so muss man sich diesen selbst aufzeichnen. Dabei stellen sich folgende Probleme:

Günstige VHS-HiFi-Stereo-Recorder sind Consumer- Geräte und verfügen nur über zwei Audioausgänge, die linke und rechte HiFi-Spur.

Auf diesen kann man aber nicht nachträglich ein Audiosignal wie den LTC aufzeichnen, da der Ton untrennbar mit dem Bild auf der Schrägspur des Bandes aufgezeichnet wird. Deshalb gibt es zusätzlich noch eine „analoge“ Nachvertonungsspur in Längsrichtung (Audio Dub), auf die der LTC nachträglich aufgezeichnet werden kann, ohne das Bild zu löschen.

Der Haken: Es gibt im Handel keinen VHS-Recorder, der das Signal dieser Tonspur in Form einer Buchse als Audioausgang zur Verfügung stellt. Somit kann man den Timecode nicht getrennt abgreifen und zu einem Synchronizer leiten. Begründet wird dies mit dem Consumer-Charakter der Geräte, sind diese doch für den Heimanwender, der evtl. mal seinen Urlaubsfilm vertonen möchte, konzipiert. Es ist jedoch bei bestimmten Geräten möglich, von einem erfahrenen Service-Techniker eine Modifikation vornehmen zu lassen. Sind die internen Signalwege nicht zu integriert (IC-Schaltungen), kann das Signal der Nachvertonungsspur intern abgegriffen und z. B. auf einen freien Pin der Euro-Scart-Buchse gelegt werden. Von dort kann man es dann via Cinch- oder Klinkenadapter extern abgreifen und zum Synchronizer leiten. Diese Modifikation ist relativ einfach und kostet ca. 150,– bis 300,– DM. Kauft man einen Videorecorder neu, so sollte man gleich nach der Möglichkeit einer entsprechenden und dann evtl. kostenlosen Modifikation fragen. Will man auch mit VHS-Geräten eine VITCSynchronisation vornehmen, so muss man ohnehin ein Profigerät (ca. 4.000,– bis 5.000,– DM) wählen, da bei Consumer-Geräten die Bildzeilen 1 – 22, in die der VITC geschrieben wird, unterschlagen werden.

Bei der Komposition von Filmmusik sollte dem Komponisten immer bewusst sein, dass die Musik, neben dem Original-Ton (Dialoge), Geräusch- und Sprachsynchron (im On und Off), speziellen, manchmal sehr ausgeklügelten Atmosphären (Atmos) und Spezial-Effekten, nur ein Bestandteil eines akustischen Gesamt-Environments ist. Erst wenn alle diese „akustischen Signale“ sowohl in ihrem Arrangement zum Bild, als auch in der Mischung zu einem ausgewogenen, ineinander greifenden Ganzen gestaltet werden, kann man auch von einem „Gesamtkunstwerk“ sprechen. Auch hier wirkt sich die zeitliche Produktionsplanung der (TV-)Produktionsfirmen und Sender negativ (um nicht zu sagen verheerend) aus, denn für gewöhnlich wissen die Komponisten und „Tonnachbearbeiter“ nicht, was der jeweils andere gerade tut; Zeit für eine Absprache und einen Abgleich der Ebenen Musik/Ton ist nicht vorhanden. So könnte es beispielsweise für die Erzeugung einer spannenden Atmosphäre in einem Krimi (gleich kommt der Mörder) geeigneter sein, dies mit den Mitteln des Tons (Fensterladen klappert) statt der Musik (immer wieder die selben tremmolierenden Geigen aus dem Proteus/ 2) oder beiden zusammen (aber aufeinander abgestimmt) zu erreichen.

Deshalb sollte zumindest der auf der Arbeitskopie vorhandene O-Ton möglichst vollständig sein (was nicht selbstverständlich ist, denn der O-Ton existiert meist auf mehreren Bändern/Spuren und muss erst auf die eine Videospur zusammengemischt werden, was ein zusätzlicher Arbeitsschritt für die Schnittfirma ist).

Dies ist zum einen wichtig, weil es besonders bei Dialogen darauf ankommt, die Musik „drumherum“ zu komponieren. Zum anderen gibt es oft Filmtöne mit musikalisch tonalem Charakter, wenn z. B. eine Person summt oder pfeift oder eine Tür mit definierter Tonhöhe quietscht. Diese Filmtöne können dann sogar musikalischer Ausgangspunkt eines Filmmusikstücks werden, indem man die Musik dort beginnen lässt und/oder auf die entsprechende Tonhöhe stimmt. Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie man, statt gegen die „Tonkonkurrenz“, mit dieser arbeiten kann.

Aus diesem Grunde sollte die O-Ton-Spur des Videos beim Komponieren über das Mischpult geroutet werden (siehe Abb.), so dass die entstehende Musik immer im Verhältnis zum vorhandenen Filmton kontrolliert werden kann. Manchmal führt das Manko der fehlenden Töne und Atmos auch zu einer Inspiration. Fehlender Ton gepaart mit entsprechender Musik kann an inhaltlich entsprechenden Stellen (Traumszene, surrealer Moment etc.) die Wirkung extrem steigern.

Auch zum Bild geht die Musik schnell Verhältnisse ein. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die menschliche Wahrnehmung musikalische Events mit Bildinhalten (Cue Points) unwillkürlich und in einer Art „zwanghaftem Automatismus“ in Beziehung setzt. Für den Filmkomponisten ist dies Chance und Problem zugleich: Chance, weil er zunächst „drauflos“-komponieren und sich dann überraschen lassen kann, wie sich die Musik zum Film verhält; Problem, weil dabei eben auch unerwünschte Bezüge entstehen, die ihn zwingen, die rein musikalisch hervorragende Komposition wieder umzuändern.

Besonders empfindlich sind die Bildschnitte. Hier kommt es auf die jeweilige Funktion der Musik an: Soll sie eher eine (ver)bindende Funktion haben und einen langen Bogen über Zeitsprünge und daher sehr unterschiedliche Bilder spannen, so dürfen musikalische Schwerpunkte (Attacks) nicht Framegenau auf Bildschnitten liegen, denn dadurch werden diese noch hervorgehoben. Bei einer schnell und hart geschnittenen Verfolgungsjagd kann dieser Effekt wiederum erwünscht sein und das Tempo noch weiter „anheizen“. Mit den Werkzeugen des Sequenzers kann man soweit gehen, (fast) jede Bewegung/jeden Schnitt framegenau mit einem musikalischen Akzent zu versehen.tabelle-6

Im Allgemeinen schätzen es die Cutter(innen) aber nicht besonders, wenn man ihre Schnitte noch betont, denn ihre Aufgabe ist es ja gerade, aus Einzelbruchstücken einen fließenden Film herzustellen (Faustregel: Musikalischen Akzent nie auf den Schnitt sondern zwei Frames davor oder danach setzen!). Gern schneiden sie z. B. eine Verfolgungsjagd oder einen Trailer nach vorhandener Musik, weshalb man diese Musiken oft als erstes komponieren und als Demo abgeben muss. Damit sich die Musik in den Film integriert und nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht (es geht ja um den Film und nicht um die Musik), muss sie sich oft förmlich „einschleichen“, manchmal auch nur fragmentarisch in Erscheinung treten. Dies in organischer Weise und musikalisch sinnvoll zu erreichen ist eine hohe Kunst. Wie will man bei einem langsamen Tempo nach 7 Sekunden wieder aussteigen ohne die musikalische Geste zu „vergewaltigen“? Ein Mittel sind ungerade oder versetzte Taktarten und Rhythmik.

In der Filmmusik tut sich der Komponist keinen Gefallen, wenn er eine allzu begradigte Rhythmik anwendet, denn knallhart-gerade Rhythmen wirken wie ein Quantisierungsraster, das jegliche Lebendigkeit (sprich: freie Rhythmik) des Filmschnitts und der Filmhandlung unterwandert (bzw. überlagert).

Instrumentation: Frequenzbereiche bei TV und Kino

Abgesehen von der „horizontalen Integration“ (Zeit) bedarf es auch einer vertikalen, die Harmonien und Frequenzbereiche betreffend. Die harmonikale Integration wurde bereits erwähnt („Stimmen“ der musikalischen Tonart nach vorhandenen Filmtönen), die Frequenzbereiche aber sind nicht nur in der Musikmischung (siehe unten), sondern schon bei der Komposition durch eine geeignete Instrumentation zu beachten.

Zuerst muss bei einer TV-Produktion geklärt sein, ob der Film nur im Fernsehen oder auch im Kino (z. B. auf Festivals) laufen soll, denn die Frequenzbereiche des Fernsehens sind empfängerseitig (s. u.) sowohl zu den Höhen als auch besonders zu den Bässen hin sehr beschränkt. Geht man davon aus, dass die Musik auch auf kleineren portablen Fernsehern noch ihre Wirkung entfalten soll, so nützt es wenig, z. B. eine unheilschwangere Atmosphäre durch einen Kontrabass in tiefer Lage erreichen zu wollen. Auch der „Residual- Effekt“ kann die Wirkung, die diese Musik im Kino hätte, nicht „herbeizaubern“.

Am besten legt man sich eine Abhörleitung vom Mischpult zu einem kleinen Video- Monitor (TV) und überprüft bei frequenz- kritischem Material hin und wieder, wieviel der Lautsprecher noch wiedergibt (Musik mit O-Ton!).

Weiterhin ist zu beachten, was im Film gerade akustisch/ inhaltlich geschieht. Selbst bei einem Kinofilm wird besagter Kontrabass gnadenlos untergehen, wenn die „unheilschwangere Atmosphäre“ beispielsweise auf einem großen isländischen Fischkutter herrscht, dessen tieffrequente Motorengeräusche vielleicht im O-Ton, auf der Arbeitskopie, noch nicht vorhanden sind, die aber in der Tonnachbearbeitung als wichtiges Element zugefügt werden (Masking-Effekt).

Nicht nur der allgemeine Frequenzbereich, sondern auch das Einschwingverhalten der Instrumente spielt, je nach Filmszene, eine große Rolle. Besonders bei der Begleitung von Dialogen verhalten sich perkussive, Attack-reiche Klänge (Piano oder gar Perkussion) äußerst schwierig, denn dort geht die Sprachverständlichkeit über alles. Setzt man diese Instrumente zwischen die Worte, so werden sie (die Instrumente) vielleicht zu bedeutungsschwanger – über die Worte gelegt, werden sie in der Filmmischung „ohne Rücksicht auf Verluste“ bis zur Unhörbarkeit heruntergemischt. Dies ist einer von vielen Gründen, warum bei Filmmusiken oft und gern Streich- und Blasinstrumente verwendet werden: Sie schmiegen sich organisch in das Restgeschehen ein, sind präsent, ohne vordergründig zu erscheinen.

Leitmotive

In den meisten Fällen ist die Anzahl der verwendeten Themen überschaubar. Man verwendet im Schnitt vier bis fünf sogenannte LEITMOTIVE, die jeweils einer Filmperson oder (allgemeiner) bestimmten, wiederkehrenden Situationen entsprechen. Dies schafft eine gewisse Homogenität und dramatische Bezüge im Film. Für den zeitgeplagten Komponisten bedeutet dies eine große Erleichterung. Hat er einmal stimmige Motive gefunden, so beschleunigt sich seine Arbeit exponentiell, denn er kann für eine neu zu bearbeitende Szene ein bereits fertiges Arrangement aus einer anderen Szene innerhalb des Sequenzers kopieren, neu an die aktuelle Szene anlegen und sich zunächst anschauen (anhören), wie das Motiv sich dort verhält. Nach einigen, mehr oder weniger aufwendigen Änderungen bezüglich der Tempi und des Arrangements hat er „schon wieder ein Stück im Kasten“.

Bildsynchrones komponieren am Beispiel Cubase

Generell ist jedes Sequenzer-Programm zum Filmmusik-Werkzeug geeignet, doch bietet CUBASE mit dem grafischen Mastertrack-Editor und der TIMELOCK-Trackfunktion Features, die es für diesen Zweck besonders geeignet erscheinen lassen. Ähnliche Funktionen weist sonst nur noch der PERFORMER von MOTU auf, der hierzulande bisher keine große Verbreitung gefunden hat, aber von vielen Filmkomponisten benutzt wird. Die Situation: Musikeinsatz, -länge und -art (Genre, Instrumente) sind mit dem Regisseur besprochen, ein musikalischer Einfall lauert auf seine Verwirklichung. Nun bestehen, je nach Arbeitsweise des Komponisten, zwei Möglichkeiten:

1) Er legt einfach los und spielt bzw. programmiert einen Takt nach dem anderen ein, das Tempo ist nur vom musikalischen Gespür geprägt. Hat er genügend Substanz beisammen, so legt er das Stück durch einen entsprechenden Eintrag in der SYNCHRONISATION- Dialogbox an den Film an und überprüft die Wirkung der Musik auf den Film. Nennen wir diese Vorgehensweise „den intuitiven Ansatz“.

2) Der Komponist legt das noch leere Cubase- Arrangement an den Film an, legt den Anfangs- und Endpunkt aufgrund der entsprechenden, vom Bild abgelesenen Timecode- Zeiten nach einem ungefähr passenden Tempo fest und erhält so einen Rahmen, der eine bestimmte Anzahl von Takten enthält, die er nun mit konkreten Noten füllen muss. Nennen wir diese Vorgehensweise „den strukturellen Ansatz“.

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Mastertrack in Cubase

In der Praxis werden sich intuitiver und struktureller Ansatz, je nach Situation, vermischen bzw. abwechseln, d. h., man wird zuerst das Arrangement anlegen. Dabei ist es ratsam, das Stück erst ab Takt 3 beginnen zu lassen (2 Leertakte für SysEx- und Programm-Change- Messages und vor allem zum störungsfreien Einlocken des Sequenzers zum empfangenen Timecode). In der BAR-DISPLAY-Spalte unter „Synchronisation“ kann man „-2“ eingeben um dennoch, z. B. zum Notendruck, die richtigen Takte angezeigt zu bekommen. Dann wird man einige Takte einspielen, am Bild überprüfen, ändern, nochmals prüfen. Dabei springen sofort die, anfangs erwähnten, erwünschten wie unerwünschten Bezüge von Musik und Bild ins Auge (oder ins Ohr). Eine oder mehrere Tempoänderungen werden nötig, um das zeitliche Verhältnis von Musik und Bild wie erwünscht herzustellen. Zwischenzeitlich interessiert vielleicht, wie lang das Stück noch werden muss und wie viele Takte sich daraus ergeben.

Für alle diese Aufgaben ist der grafische Mastertrack das geeignete Werkzeug: Was Cubase hier bietet, ist eine Zeitmaschine, die auch den komplexen Anforderungen einer Filmkomposition standhalten kann. Das Ziel ist, durch automatische Berechnungen bestimmte Cuepoints im Film mit bestimmten taktbezogenen Punkten zusammenzubringen. Soll z. B. das Violinenthema in Takt 17 genau an dem Punkt erklingen, an dem der „meist männliche Held die meist weibliche Verführung“ küsst, muss das Tempo der ersten 16 Takte einen ganz bestimmten Wert haben. Geht es nur um zwei Punkte, die zusammenzubringen sind, und ein festes Songtempo, könnte man das Ganze auch durch simples Herumprobieren hinbekommen. Sind aber viele zeit- und taktbezogene Punkte sowie musikalisch wichtige Tempoverläufe im Spiel, werden die Funktionen zur automatisierten Temporechnung zunehmend unverzichtbar.

Der Editor spiegelt mit seinem optischen Aufbau das beschriebene Konzept deutlich wieder: Das obere Drittel widmet sich den „musikalischen“ Taktpositionen, das mittlere zeigt die Tempoverläufe selber, und das untere repräsentiert die Zeitposition. Eine angezeigte Tempokurve lässt sich grafisch editieren. Dazu ändert man Werte mittels des Bleistift-Werkzeugs direkt in der Grafik oder zeichnet Ritardandi und Accellerandi bequem mit dem Zirkel-Werkzeug ein. Um neue Tempo-Events zu erzeugen, muss man gleichzeitig die Alternate-Taste drücken. Die automatischen Berechnungsmöglichkeiten eröffnen sich über die Markierungen an Takt oder Zeitpositionen, die sogenannten Hitpoints. So kann man per Mausklick oder „on the fly“ mit dem MIDI-Keyboard auf dem Zeitlineal (unten) benennbare Hitpoints für Songstart, bestimmte Cue-Points im Bild (die man vorher abgelesen hat) und Endpunkt eingeben und anschließend auf dem Taktlineal die musikalischen Hitpoints eingeben, die diesen entsprechen sollen. Damit die angezeigten SMPTE-Werte identisch mit denen auf dem Video sind, muss in der Synchronisation- Page grundsätzlich der TIME DISPLAY OFFSET auf den selben Wert wie SONG START eingestellt werden. Hat man einen Zeit- und Takt-Hit gesetzt, die zeitlich zusammenfallen sollen, kann man beide verbinden (Linking). Die anschaulichste Methode besteht darin, einfach ein „Gummiband“ von einem Zeit- zu einem Takt-Hit oder umgekehrt zu ziehen. Durch Anwählen der Funktion AUTO TEMPO SCAN berechnet Cubase automatisch ein Tempo, bei dem möglichst viele Zeit- und Takt-Hitpoints zusammenfallen. Diese Funktion eignet sich also besonders dann, wenn das Tempo durchgängig bleiben soll (Drumloops). Die Funktion STRAIGHTEN UP stellt alle Tempi zwischen den „Hitpoint-Links“ so ein, dass sie passen bzw. fügt nach einer Rückfrage neue Tempi ein.

Auch für folgenden Fall ist diese Funktion äußerst zeitsparend: Ein Stück ist fertig und perfekt framegenau arrangiert. Leider kommt am nächsten Tag ein Bote mit der aktuellen Schnittversion des Films, in der ausgerechnet in der betreffenden Sequenz hier ein paar Frames herausgeschnitten und dort ein paar Frames verlängert wurden.

Was tun? Zeit-Hitpoints verschieben, ,Straighten Up‘ aktivieren „und fertig“. Dieses Werkzeug ist so mächtig, dass man sich – wie bei allen „mächtigen“ Werkzeugen – hüten muss, es übertrieben einzusetzen. Wie am Anfang dieses Kapitels erwähnt, ist es ja gerade das Nicht-Treffen von z. B. Bildschnitten, was zu einer verbindenden Wirkung der Musik führt.

Drum- Editor als Geräusch-FX-Editor

Manchmal gehört es zu den Aufgaben des Filmkomponisten, kombinierte Musik- und Special-Effect-Soundtracks zu liefern. Da es sich bei den Special-FX-Geräuschen eher um kurze, vielleicht klanglich zu verfremdende Geräusche handelt, ist es angebracht, dies mit dem Sampler statt HD-Recording zu bewerkstelligen. Dazu bieten sich der CUBASEDRUM- EDITOR und die TIMELOCK-TRACK-Funktion an: Man stellt zunächst das Songtempo auf 120, den Takt auf 2/4, da ein Takt dann genau einer Sekunde entspricht. Im Drum-Editor stellt man die Quantisierung aus, oder auf 32tel-Triolen ein und erhält damit eine Auflösung von 24 Schritten pro Takt bzw. Sekunde, also bei einer Bildrate von 25 Bildern pro Sekunde nahezu Frame-Auflösung. Statt der Schlagzeuginstrumente trägt man die Namen der gesampelten Geräusche in die Drum-Map ein – die Taktpositionsanzeige im Editor wird durch Click auf die Mauspositionsanzeige zur Timecodeanzeige. Nun kann man bequem die relevanten Timecode-Adressen vom im Video eingeblendeten VITC ablesen und per „Drumstick“ das gewünschte Geräusch an der richtigen Stelle einsetzen. Ist die Geräuschspur auf diese Weise fertig programmiert, so schaltet man diese Spur durch Klick in die Timelock-Spalte des Arrangefensters auf TIMELOCKED – ein Schloss erscheint an der entsprechenden Stelle, und die Musik kann nun mit allen nötigen Tempo- und Taktartwechseln eingespielt werden, ohne dass sich die zeitliche Position der Geräusche in ihrem festen Bezug zum Bild ändert. Die MIDI-Events dieser Geräusche lassen sich programmintern in Zeit-Hitpoints des Mastertracks umwandeln. Mit den oben beschriebenen Funktionen „Auto Tempo Scan“ und „Straighten Up“ lassen sich dann ein oder mehrere Tempi finden, die eine möglichst große Übereinstimmung von musikalischen Schlägen und Geräuschen ermöglichen.

 

Bildsynchrones Overdub-Recording

Ein bildsynchrones Overdub-Recording ist relativ einfach zu erzielen. Meist existiert schon ein MIDI-Demo, welches dem Studio- Musiker als Playback über Kopfhörer zugespielt werden kann. Bei Intonations-sensiblen Instrumenten, wie Streich- und Blasinstrumenten, ist es besonders wichtig, dass der Musiker ein Voll-Playback und nicht nur einen Click-Track hört, denn sonst passen die Einzelaufnahmen, je nach „Güte“ und Erfahrung der Musiker, hinterher bezüglich der Intonation nicht mehr unbedingt zusammen. Leider bewirkt dies eine Reduktion auf die temperierte Stimmung, die MIDI-Klangerzeuger für gewöhnlich ausgeben.

Ein synchronisiertes HD-Recording-System ist hierfür sicherlich das beste Aufnahme-Medium, denn kleine rhythmische Ungenauigkeiten in Bezug zum Bild lassen sich dort durch Verschieben der Spur, Schnitt oder Time- Correction nachträglich perfektionieren.

Durch die zum Teil drastischen Temposprünge der Filmmusik passiert es leicht, dass ein Musiker an einer Stelle mit z. B. Tempo 120 beginnen muss, obwohl das vorhergehende Tempo vielleicht 80 bpm betrug. Dies ist zu vermeiden, da der Musiker mindestens einen, besser zwei Vorzähler im richtigen Tempo benötigt. Entsprechende Vorzähler-Ticks sollte man schon vor Sessionbeginn im Sequenzer vorbereitet haben.

Handelt es sich um nur ein relativ frei spielendes Instrument, so spricht nichts dagegen, den Musiker frei zum Bild spielen zu lassen und auf HD oder DAT mitzuschneiden, denn dies bewirkt meist eine größere Lebendigkeit des Spiels. Hier ist jeweils zu überlegen, ob eine Weiterverarbeitung im Sampler (statt HD-Recording- System) sinnvoller ist, denn man hat das Material dort „biegsamer“ in der Hand und kann es z. B. mit dem Pitchwheel leicht zurechttunen, wenn man nicht gerade den TC Intonator zur Hand hat.

Filmmusik-Mischung für TV und Kino

Auch bei der Mischung der Filmmusik ist zunächst wichtig, für welche Endverwertung der Film vorgesehen ist (Kino/TV). Für Kinoproduktionen kann man auch im tieffrequenten Bereich arbeiten, während dies für TV-Produktionen sehr kritisch sein kann, denn, ist die Musik als Ganzes schon zu basslastig gemischt, so kann dies auch der Filmtonmeister bei der Film-Endmischung nicht mehr ohne weiteres ausgleichen, ohne den Gesamtsound der Musik in Mitleidenschaft zu ziehen.

Wird in der Post-Production noch mit Perfobändern gearbeitet, so muss die Musik einige analoge Überspielungen „über sich ergehen lassen“, was zu einem Verlust von Höhen führen kann. Auch bei der TV-Ausstrahlung gehen „im Äther“ Höhen verloren (allerdings nur ab ca. 15kHz), so daß man sich manchmal wundert, wie wenig Transparenz die Musik im Fernsehen noch aufweist (siehe dazu auch Mono-Kompatibilität weiter unten). Grundsätzlich überträgt sich obertonreiches Material am Besten. Die Frage, ob man dem Höhenverlust bei Aufnahme und Abmischung der Musik vorbeugen sollte, indem man die Höhen quasi „prophylaktisch“ etwas übertrieben anhebt, ist umstritten. Im Zweifelsfall ist es immer richtiger, eine in allen Frequenzbereichen ausgewogene Mischung abzuliefern, denn der Filmtonmeister hat meist a) die größere Erfahrung, b) das für diese Anwendung bessere Pult und, vor allem, c) alle zum Film gehörenden Töne beisammen und kann entsprechende Anpassungen von daher viel gezielter vornehmen.

Dies gilt grundsätzlich auch für die Dosierung des Nachhalls, welcher, vor allem bei Mono- Ausstrahlungen, schnell verloren geht. Ist die Stärke und Art des Nachhalls/Delays von kompositorischer Bedeutung (Hallfahne bei Traummusik oder rhythmische Multi-Tab-Delays), so ist es dagegen heikel, sich auf den Filmtonmeister zu verlassen, denn nur selten ist man als Komponist bei der Filmmischung anwesend. Obwohl Filmtonmeister dies nicht besonders schätzen (weil sie Angst vor inkompetenter Einmischung haben), ist es sehr lehrreich und interessant, als Komponist einer Filmmischung beizuwohnen (auch bei ARD und ZDF sitzen Sie dann allerdings „in der zweiten Reihe“). Erst dann kann man die Erfordernisse der eigenen Musikmischung klar erfassen.

Auch bei der Mischung der Filmmusik ist also zu empfehlen, vor dem Mastern auf DAT die Filmmischung zu simulieren, indem man Musik und O-Ton gemeinsam bei geringer Lautstärke über verschiedene Lautsprecher abhört (z. B. auch TV-Monitor).

Es ist nämlich immer wieder überraschend und für den eifrigen Filmkomponisten äußerst frustrierend, wie wenig von seiner fein ausgearbeiteten Musik hinterher über einen gewöhnlichen TV-Monitor noch rüberkommt. Dies hat natürlich mit Masking Effekten, aber auch mit der Aufmerksamkeit gegenüber der Filmhandlung zu tun. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die mögliche Dynamik in Kino und TV. Während der Filmton (und somit auch die Filmmusik) für Kino, aufgrund leistungsstärkerer Lautsprecher und dem Fehlen jeglicher Störgeräusche (und Nachbarn, die sich beschweren), innerhalb eines sehr großen Dynamikbereichs gestaltet werden kann (ca. 70 dB), liegt der Dynamikumfang bei TV, bedenkt man eine durchschnittliche Wohnsituation des Konsumenten, bei 40dB und weniger. Daher werden beispielsweise Dialoge in einer TV-Filmmischung meist komprimiert. Sie dürfen nicht zu leise werden (>10 dBA), will man verhindern, dass der Konsument ständig mit der Fernbedienung nachregeln muß. Für die Abmischung (und Einspielung) einer TV-Filmmusik bedeutet das, dass auch sie nicht zu dynamisch angelegt sein darf. Eine (Summen-) Kompression ist zu empfehlen.

Mono und Surround- Kompatibilität bei Stereo-Mischungen

Zieht man in Betracht, dass immer noch sehr viele TV-Sendungen in Mono ausgestrahlt werden bzw. viele Fernseher nur Mono-Ton wiedergeben können, so ist die Prüfung der Mono-Kompatibilität bei Stereo-Filmmusikmischungen äußerst wichtig (manchmal muss die Musik auch tatsächlich in Mono gemischt werden). Schöne, im Stereo-Panorama verteilte Stimmen- oder Instrumenten-Doppelungen löschen sich dann teilweise aus. Es kommt zu Kammfiltereffekten und Pegeleinbußen. Da viele (besonders billige) Effektgeräte mit Phasenverschiebungen und -umkehrungen arbeiten, löschen sich auch hier wichtige Klangbestandteile aus, was oft zu einer extremen Absenkung des Hallanteils bzw. ebenfalls zu Klangverfremdungen führt. Heute muss eine Stereomischung aber nicht nur auf Mono- sondern auch auf (Dolby-)Surround- Kompatibilität überprüft werden, denn Dolby-Surround-Decoder für den Heimbereich werden immer verbreiteter.

Warum muss bei einer Stereo-Mischung eine Surround-Kompatibilität überprüft werden? Weil die 4 Surround-Kanäle einer Filmmischung auf Stereo-Kanälen in kodierter Form zusammengefasst werden. Werden diese Stereo-Kanäle durch die Surround-Wiedergabeanlage dann wieder dekodiert, so werden auch stereophon gemischte Musikanteile dekodiert und plötzlich und ungeplant von den Surround-Lautsprechern wiedergegeben. Um bei einer Stereo-Mischung der Filmmusik die Surround-Kompatibillität überprüfen zu können, benötigt man einen Surround- Decoder (ist in vielen Consumer HiFi-Verstärkern integriert) und eine entsprechende Lautsprecheranordnung.

Surround-Mischungen

Um selbst Surroundmischungen vorzunehmen, benötigt man noch folgende Komponenten: Einen Encoder, ein Mehrsummen- Mischpult und eine 4-kanalige Mastermaschine. Den Encoder kauft man nicht. Er wird von Dolby ausgeliehen und bleibt Eigentum des Herstellers. Für ca. 1.600,– DM jährlich bekommt man die Lizenz, also die Erlaubnis, den Encoder zu benutzen und das Dolby- Logo für seine Produktion zu verwenden. Ein entsprechendes Mehrsummen-Mischpult ist relativ aufwendig und daher recht teuer. Es weist drei spezielle „Panorama“-Regler auf:

– PAN L-C-R Die Mitte (C = Center) wird hier nicht als Phantom-Mitte (gleicher Pegel links und rechts), sondern als echter Mittenkanal gesteuert und abgegriffen.

– FRONT/REAR für die Zuordnung zum Surroundkanal (REAR)

– DIVERGENCE beeinflusst die „Signalbreite“ des L-C-R-Signals. Ist er auf Minimum gestellt und der L-C-R-PAN auf Center, so wird das Signal tatsächlich nur vom Mittenlautsprecher wiedergegeben. Bei höherer Divergence- Einstellung erklingt es auch z.T. aus den Seitenlautsprechern, wodurch eine punktförmige Schallquelle ein „breiter“ wird.

Möchte man die Filmmusik nicht surroundkodiert abgeben, so muss sie vierkanalig gemastert werden; der Encoder dient in diesem Fall „nur“ der Überprüfung der Surround- Mischung. Um ein Timecode-Master zu erstellen, braucht man dann fünf Kanäle (einen Kanal für den LTC), also eine Achtspur-System. Hierfür bietet sich eine Adat oder DA-88 (oder die entsprechenden Nachfolgemodelle) von Tascam an. Obwohl die Adat in Musikerkreisen durch „die Gnade der frühen Geburt“ verbreiteter ist, wird in der Filmbranche die DA-88 bevorzugt. Möchte man sein digitales Achtspur-Band-System vorwiegend für Filmproduktionen (Musik und Ton) verwenden, so ist die DA-88 also bei einem Neukauf zu bevorzugen. Der finanzielle Mehraufwand für Surround- Mischungen ist so hoch, dass eine Eigenanschaffung für den durchschnittlichen Filmkomponisten nicht lohnt bzw. unerschwinglich ist. Soll er Musik für einen Surround-Film produzieren, so kann er wie gewohnt ein Mehrkanal-Band erstellen und dieses in einem dafür eingerichteten Mietstudio surroundtauglich abmischen.

Anlegen

Es ist vollbracht: Das Ergebnis wochenlanger Arbeit mit viel (Angst-) Schweiß, Tränen, Auseinandersetzungen mit dem Partner, Wut- und Freudenschreien, Übermut und Verzweiflung liegt in Form einer putzigen kleinen Cassette, dem DAT-Master, in der Hand. Nun folgt nur noch das Anlegen der Musik im Post-Production-Studio, was sich meist sehr angenehm gestaltet, denn der Druck ist von einem abgefallen – die Cutterin erwartet die Musik schon sehnsüchtig, denn sie ist „das Sahnehäubchen“, das letzte Element, das den Bruchstücken des Films endlich Fluss gibt, endlich den göttlichen Odem einhaucht, und so wird man hofiert und als Glücksbringer gepriesen (wenn alles gut gegangen ist).

Da manche Musikstücke mit einer sehr weichen Attackphase beginnen, ist es für das Anlegen von Vorteil, beim Abmischen der Filmmusik vor Beginn des ersten Klangs jeweils einen Cue-Point in Form eines kurzen, perkussiven Sounds aus dem MIDI-Expander (etwa „Woodblock“) zu legen (wie „die Klappe“ im Filmton). Dieser darf natürlich nicht versehentlich verhallt werden (!). Da die Musik ja erst bei Takt 3 beginnt, kann man ihn z. B. immer auf Takt 2 legen. Eine Liste mit sämtlichen SMPTE-Startzeiten, die sich dann auf diesen Cue- Point beziehen, beschleunigt das Anlegen ebenfalls.

Geld-GEMA

Die letzten zu erledigenden Arbeiten sind: a) eine Rechnung schreiben und an den Filmproduzenten/ Sender schicken (was eine sehr angenehme Betätigung ist), und b) ein GEMA-Formular ausfüllen und verschicken (was sehr angenehme Resultate zeitigt). Im Abschnitt „Filmmusik-Verträge“ wurde schon darauf hingewiesen, dass der verspätete Lohn der Angst in Form einer oder mehrerer GEMA-Ausschüttungen von Filmproduzenten gern als Alibi für unzureichende Honorare benutzt wird. Tatsächlich begründet sich das Honorar aber schon dadurch, dass man seine Kreativität in einem Dienstleistungsverhältnis zur Verfügung stellt und für den Film eine „maßgeschneiderte“ Musik erstellt. GEMA ist aber die Abkürzung für „Gesellschafft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“, weshalb die GEMA-Vergütung eben als Vergütung für die Vervielfältigung und Aufführung (sprich: Sendung) der Filmmusik verstanden werden muss. Damit diese Vergütung reichlich ausfällt, ist es von enormer Bedeutung, das richtige GEMA-Formular auszufüllen. Für Filmmusik gibt es zwei mögliche Formulare:

1) das ,Anmeldeformular für Auftragskompositionen bzw. Musikaufstellung zu Fernsehproduktionen‘ (weißer Bogen)

2) die ,Tonfilm-Musikaufstellung‘ (grauer Bogen)

Das erste Formular benutzt man für reine TV-Auftragsproduktionen, das zweite für Kino- Filmproduktionen, die dann evtl. vom Fernsehen gekauft und gesendet werden. Wird nun aber ein Film als Koproduktion für eine Kino- und TV-Auswertung produziert und ist ein Fernseh-Sender Koproduzent, so sollte man unbedingt das (weiße) ,Anmeldeformular für Auftragskompositionen …‘ benutzen, denn die Ausschüttungen für Fernseh-Auftragsproduktionen sind um fast das dreifache höher als jene für vom Fernsehen aufgekaufte (Kino-)Filme.

Ein Beispiel:

Für 21 Minuten Filmmusik als Fernsehproduktion, (FS und FS VR) gesendet in der ARD 1992, bekam man im Juli 1993: 8.199,30 DM Für 21 Minuten Filmmusik als „Tonfilm im Fernsehen“ , (T FS) gesendet in der ARD 1992, bekam man im Oktober 1993: 3.156,78 DM Die GEMA-Abkürzungen FS, FS VR und T FS stehen für:

– FS: Senderecht im Fernsehrundfunk

– FS VR: Vervielfältigungsrecht im Fernsehrundfunk

– T FS: Tonfilm im Fernsehen

Erfreulich (und aus den genannten Gründen gerechtfertigt) sind die erneuten GEMA-Ausschüttungen durch Wiederholungen des Films im Fernsehen. So kann es vorkommen, daß erfolgreiche Filme über einen längeren Zeitraum mehrmals im Jahr wiederholt werden.

Zum Schluss

Wie aus dem Vorangegangenen ersichtlich wurde, ist der Beruf des Filmkomponisten sehr vielfältig. Vielfältig in Hinblick auf die von ihm verlangten Fähigkeiten: er muss Komponist, Interpret, Tontechniker und Produzent von Musik sein, über filmtechnisches und filmästhetisches Wissen verfügen und dementsprechend mit Regisseuren reden können, und er muss letztendlich auch Organisator, Buchhalter und Jurist sein.

Vielfältig sind aber auch die musikalisch künstlerischen Herausforderungen, denen er immer wieder begegnet. So ist der erwähnte Dienstleistungscharakter der Filmmusik Fluch und Segen zugleich: Fluch, weil man sich, besonders wenn man Meinungsverschiedenheiten mit dem Regisseur hat, am Rande von „künstlerischer Prostitution“ bewegt und sich tatsächlich als „Musik-Hure“ vorkommen kann. Segen, weil man sich, sozusagen gezwungenermaßen, in Musikstile und Genres begibt, die man vorher nicht kannte und freiwillig nie ausgeübt hätte. So stellt sich nie Routine ein, denn jeder Film braucht seine spezielle Filmmusik – die im Cage´schen Sinne auch aus Stille bestehen kann (siehe dazu auch das Interview mit Ralph Grierson in dieser Ausgabe). Das Schöne ist, dass man sein „Hobby zum Beruf“ machen kann, denn Filmmusik ist eine reale Möglichkeit, mit seinen musikalischen Fähigkeiten Geld zu verdienen, ohne berühmt werden zu müssen oder in einer TOP40-Tanzband zu (ver-)enden. Auch muss man nicht der akademisch geschulte Komponist sein, denn es kommt bei der Filmmusik mehr darauf an, die Seele des Films zu erkennen und diese musikalisch zu treffen – mit welchen Mitteln auch immer.

Um in diese Gelegenheit zu kommen ist es am Besten, man beschäftigt sich als Musiker mit dem, worauf es bei der Filmmusik ankommt: mit dem Film. Eine gute Möglichkeit, die Produktion eines Films kennenzulernen ist, sich an einer Filmhochschule (wie z. B. die dffb in Berlin) als Mitarbeiter für alle Belange des Tons zur Verfügung zu stellen um dann eine Filmmusik für eine Studentenproduktion zu erstellen. Natürlich ohne Honorar, aber nicht umsonst, denn man lernt eine ganze Menge über sämtliche, mit der Herstellung eines Films zusammenhängenden Arbeiten, Techniken und Kommunikationsformen und vielleicht ist der Student von heute ja der Star von morgen. Wolfgang Petersen (,Das Boot‘) war z. B. Student an der dffb.

Zum Abschluss sei dem werten Leser und jungen Filmmusikaspiranten noch ein Zitat von Norbert Jürgen Schneider mit auf den Weg gegeben: „Ein Filmkomponist muss (noch vor der Beherrschung seines Handwerks) den Film und die Handlung verstehen – sich einfühlen können. Er muss Situationen des Lebens (Angst, Leid, Schmerz, Brutalität, Hoffnung u. a.) zutiefst kennengelernt und erlebt haben – erst dann lässt sich Filmmusik schreiben. Filmmusik ist ihrem Wesen nach eine unakademische Kunst. Filmmusik ist situative Musik. Das heißt: Filmmusik ist eine Musik, die immer auf menschliche Situationen, Stimmungen, auf sozialen Kontext bezogen ist, und deshalb an uralte Bindungen erinnert, die der europäischen Kunstmusik recht fremd geworden sind: Musik begleitete Geburt, Feste, Arbeit, Trauer, Tod und war identisch mit religiösen und medizinischen Ritualen; Musik konnte nie losgelöst vom praktischen Lebensvollzug existieren. In Filmmusik hat sich heute etwas von diesem Archetypischen der Musik gerettet. Oder moderner formuliert: Filmmusik ist eine Art angewandter Musikpsychologie. Filmkomponist ist der intuitiv begabte Musiker, der zur Charakterisierung von Stimmungen und zur Mitteilung von Unaussprechlichem die richtigen Klänge, Töne und Rhythmen findet und dabei nie den Kontakt zu den Hörenden außer Acht lässt. Insofern ist Filmmusik auch angewandte Musiksoziologie.

Sie kann nur funktionieren, wenn hier (meist unbewusst) ein Wissen über den Zusammenhang der Hörer, als vergesellschafteten Einzelwesen, und die Musik selbst zur Anwendung kommt.“

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