Godmother RS7K

Yamaha RS7000 in Aktion

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Eine subjektive Liebeserklärung an die Yamaha RS7000 – Das Music Production (Sampling/Sequenzer) Studio

Hey, das ist wie Ableton Live zum Anfassen, aber begrenz auf 64 MB! (Bild: Viktoria Gurtovaj)

Wir »Die-Hard«-Fans sprechen von der RS7000 gerne so, als sei sie eine eindeutig weibliche Geräteinstanz. Sozusagen die Urmutter der samplingfähigen Grooveboxen. Gleichsam Kali, Magma Mater und eierlegende Wollmilchsau in einem Gerät! Der aus dem griechischen stammende Begriff Anthropomorphismus (aus dem Griechischen anthropos: »Mensch« und morphē: »Form, Gestalt«) bezeichnet das Zusprechen menschlicher Eigenschaften auf Tiere, Götter, Naturgewalten und Ähnliches. In diesem Zusammenhang ist die Yamaha RS7000 eindeutig als Naturgewalt anzusehen, denn mit dem richtigen Piloten am Steuer erschallen ihre Subbässe endlos tief, während ihre kreischenden Modulationen den müdesten Raver aus der Serotoninkrise zu peitschen vermögen … Das volle Spektrum also von Om bis Amen!

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Götterdämmerung

Als sie 2001 auf dem heiß umkämpften synthetischen Musikalienmarkt erschien, gab es viele Prinzen, Könige oder Königinnen im Land der Grooveboxen. Sie alle aber mussten über die letzten Jahre ihr Zepter an die neue Majestät abgeben. Denn auch wenn am Anfang dank einer vermeintlich komplex und kompliziert wirkenden Bedienoberfläche der RS7000 keine brachialen Absatzzahlen beschienen waren, so sind sich heute fast alle Gearheads einig: Die mittlerweile zum Kultstatus avancierte RS7000 ist nun offiziell die Königin der Grooveboxen. Das erkennt man u. a. daran, dass sich aktuell die Producer häufen, die sich gleich zwei Stück nebeneinander stellen.Blicken wir zurück, was war geschehen? Jeder, der etwas auf sich hielt, besaß Ende 1999 bereits eine Roland MC-303, MC-505, SP-808, eine Yamaha RM1X oder SU700, eine Quasimidi Rave-O-Lution, eine AKAI MPC 2000 XL oder stellte sich den Gabentisch voll mit kleinen, bunten Electribes à la EA-1, ER-1 oder ES-1. Gute zehn Jahre Techno, House, Jungle, Electro, D’n’B und alle weiteren Stil- und Strobolichtgewitter sowie der ständig extrem dichte Nebel in den Clubs, Bunkern und Warehouses hatten über die Zeit ihre ganz speziellen, tiefen kulturellen Spuren hinterlassen. Die Welt war nun von einer großen Gruppe elektronisch interessierter junger Menschen bevölkert, die, mit einer nicht zu unterschätzenden Kaufkraft versehen, schnellstens in die Welt der elektronischen Clubmusikproduktion aufsteigen wollten. Während die Gebrauchtpreise für die analogen Vorgänger − der in Techno- und Hip-Hop-Kreisen völlig versehentlich extrem erfolgreichen Roland-Produkfamilie à la TR- 808, TR-909 und TB-303 − in immer höhere Preisspiralen zwirbelten, gingen die Yamaha-, Korg- und Roland-Ingenieure zur Jahrtausendwende erneut in ihre Labore und optimierten weiter. Im Falle der RS7000 muss es gleich eine Legion von ihnen gewesen sein, denn anders lässt sich die Feature-Tiefe und Vielseitigkeit dieser Sampling- und Sequenzerfregatte kaum erklären. Ich entdecke nämlich noch nach Jahren Benutzung immer wieder neue Features und Möglichkeiten in meiner RS. Und ja, statt einer Bibel habe ich das über 350 (!) Seiten starke DIN-A4-Handbuch stets griffbereit in meiner Nachttischschublade. Es geht hier schließlich um Religion!

 


Grooveboxen
vereinen in einer Maschine unter einem livetauglichen Interface mit möglichst vielen simultan nutzbaren Modulations- und Schaltmöglichkeiten gleich mehrere Gerätegattungen. Im Idealfall der RS- 7000 wurden gleich ein Sampler mit maximal 64 MB Speicherausbau und 62-facher Polyfonie, ein 16-SpurSequenzer, ein polyfones Keyboard mit Arpeggiator-Funktion, eine AWM2-Tonerzeugung mit insgesamt 1.054 vorgespeicherten Sounds sowie 63 Drum-Kits, eine vierfache Multiband-Dynamikstufe, ein vierfacher parametrischer Summen-EQ und drei per Send/Return zumischbare digitale Studioeffektblöcke sowie 2 x MIDI-Outs in einem Volumen von gerade mal 44 x 13,4 x 36,3 cm untergebracht.

16 Spuren mit jeweils wahlweise Sample, Slice oder AWM2-Bestückung bilden einen Style. Die Styles sind hier Patterns, die man »chainen« oder zu Songs arrangieren kann. Sämtliche Tasterklicks und Potibewegungen lassen sich bequem on-the-fly automatisieren. MUTE, SOLO und SELECT-Taster ermöglichen die blitzschnelle Auswahl einzelner Spuren/Parts, wobei bei der selektierten Spur sämtliche Potis der rechten Gerätehälfte die händische Manipulation von LFO, VCA, VCF und Pitch-Envelopes zulassen. Damit ist komplexes Sounddesign in Echzeit und im Livebetrieb möglich. Eine per LFO modulierte Wobblebassline, die den Cutoff steuert und dabei an im Beat gesyncte Vielfache einrastet, muss nicht automatisiert werden, man kann das live spielen!

Damit ist komplexes Sounddesign in Echtzeit und im Livebetrieb möglich! (Bild: Viktoria Gurtovaj)

Das mittlerweile etwas seltene Erweiterung-Board AIEB2 spendiert dem Gerät dann noch final insgesamt sechs analoge Outs und digitale Schnittstellen (coaxial und S/PDIF).

Über den eingebauten Sequenzer wird nicht gemeckert: Er gehört zu den tightesten und ausgefuchstesten, die Yamaha je entwickelt hat, und erlaubt komfortables Editing, das auch noch im Jahre 2016 halbwegs Laune macht.

Damals war das alles brutal viel, daher hat die RS- 7000 auch einen derart langen Produktnamen, das man fast von adelig sprechen möchte: Yamaha RS – 7000 Music Production Studio / Integrated Sampling Sequenzer. Ich hab mir dagegen angewöhnt, die RS7K folgendermaßen kurzzufassen: »Hey, das ist wie Ableton Live zum Anfassen, aber begrenzt auf 64 MB!«. Und das meine ich wirklich so, denn sämt – liche in einer Live-Performance relevanten Funktionen wurden per Hardware-Potis auf der Geräteoberfläche realisiert. Unter anderem drei Potis, die optional die Echtzeitmanipulation von sechs verschiedenen MIDI-Effekten namens Beat Stretch, Clock Shift, Swing, Gate Time, MIDI Delay oder Velocity zulassen. Aus einer Achtel-Hi-Hat-Figur macht der Connaisseur mit einer flinken Potibewegung 16tel- oder 32tel-Figuren. Ein Drehen am Beat-Stretch-Parameter staucht oder streckt eine MIDI-Phrase auf vielfache Anteile zwischen 25 und 400%. Von Halftime zu Doubletime oder Slow Motion, alles geht.

Habe ich gerade Phrase gesagt?

Ja, die RS7000 nutzt diverse Slicing-Methoden à la Sony Acid oder Ableton Live, um gesampelte Drumloops per MIDI stets synchron in einem Pattern zu halten. Loops in geslicten Spuren können dann per Druck auf den oben mittig befindlichen Taster »Realtime Remix« solange in Varianten verwürfelt werden, bis etwas Interessantes zu hören ist.

Weiterhin an Bord und direkt per Poti anfassbar: Pitchbend und Portamento Time pro Spur. Wer es also eilig hat, braucht einen Drumsound nicht im externen Audio-Editor oder beim Patchen tonhöhenmäßig an die Stimmung des Styles/Songs anzupassen, sondern kann das Drum-Tuning auch bequem on-the-fly per Pitchbend erledigen oder es als musikalisches Stilmittel einsetzen (z. B. Drumloops langsam in den Keller fahren). Traditionell ist das nach Jahren das am meisten ausgeleierte Poti am Gerät, gleich nach dem Cutoff.

Strategien der Wertefindung

Die RS7K, wie sie neuzeitlich genannt wird, ist ein komplexes Tier. Es macht daher sehr viel Sinn, sich im Rahmen der Vorbereitungen für einen Livegig erst mal ein stimmiges Konzept zu überlegen und sich daran zu halten.

Ich persönlich teile meine Tracks stilistisch in »4- To-The-Floor« oder »Breaks« ein. Das hat den tieferen Sinn, dass ich auf den letzten vier Spuren, nämlich 13, 14, 15 und 16, die stilistische »Invertierung« einprogrammieren kann. Ein Techno- oder House-Pattern (Style) enthält also auf jenen Spuren eher breakige Motive und Loops. In einem D’n’B- oder Dubstep-Track programmiere ich an dieser Stelle dagegen straighte, technoide Elemente in den Style. Auf diese Weise kann ich bei Live-Sets nahtlos von einem Stil in den anderen gleiten. Bei mir liegt außerdem die Kickdrum stets auf Spur 1, dann Snare auf 2, gefolgt von Percussion oder Claps auf 3 und 4. Auf 5 und 6 liegen dann closed und open Hi-Hat. Danach folgen auf den Tracks 7 bis 12 erst Sequenzen, dann Bässe und final Phrasen. Auf diese Weise finde ich mich live auch bei Track-Wechseln schnell zurecht.

Aber auch das Schrauben an den eingebauten digitalen Filtern macht sehr viel Spaß, denn sie klingen wirklich rund und bieten allerlei Varianz: Satte 18 verschiedene resonanzfähige Filtertypen (24, 18, 12 dB) von Highpass, Bandpass, Bandnotch zu Exotischerem wie Dual Band Pass oder LPF+BPF (Low Pass Filter + Band Pass Filter) zählen wir seit dem letzten Update 1.2.

Ein paar geheime Tricks hat die RS7K ebenfalls drauf. Wenige wissen z. B., dass es möglich ist, den in Stereo ausgeführten Sampling-Eingang als 17. Spur einzusetzen. Ein dort eingeflogenes Signal kann als Zuspieler für Synths oder als AUX-Return-Weg eines zuvor per Einzelausgang herausgeführten Stereopaares genutzt werden. Ich persönlich führe manchmal die Einzelausgänge 3+4 in eine externe Effektkette, die mit drei Alesis MOD F/X (Bitrman, Philtre, SmashUp) bestückt ist, was die Klangmöglichkeiten im Livebetrieb enorm erweitert. Diese 17. Spur läuft praktischerweise, wie die Tracks 1−16, in den Multibandkompressor, sodass es ein Kinderspiel ist, einen kompakten und ausproduzierten Gesamtsound live umzusetzen, der sich mit den fertigen und gemasterten Produktionen der DJ-Kollegen durchaus messen kann. Mama! Schau! Kein Mischpult!

Mehr Informationen findet ihr auch unter:

beta.groups.yahoo.com/neo/groups/RS7000/info

usa.yamaha.com/product_archive/music-production/rs7000/?mode=model

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die 64 MB beziehen sich wohlgemerkt nur auf das Sampling, dank verschiedenen Stufen von lofi bis hifi, mit verschiedenen sampling Raten und khz Stufen reicht das völlig.
    Ich benutze sie eher als Ableton live für externe Synths. Kein PC starten mehr, einschalten und loslegen. 100+ user Styles mit je 16 Pattern (sections) a 16 Tracks, alles beliebig kopier und austauschbar, und zusätzlich und individuell pro Track festlegbar, ob mit oder ohne interne Sounds, an 2(!) Midi Ausgänge sendbar. Das macht für mich den Wert aus. Für mich also die Kommandostation für mind. 32 externe Synths und Sampler. Wer nicht nur die RS 7000 hat sollte daher statt einzelausgängen, lieber in thru Boxen für seine externen synths investieren.
    Was ich noch entdeckt habe: im Song Modus 16 Spuren gleichzeitig aufnehmen! Z.b. von meinen gesyncten Drumcomputern. Dann als Pattern wandeln.

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  2. Hallo Kira, was meinst Du it Thru-Boxen? Ich überlege gerade Einzelausgängen nachzurüsten, um nach viele Jahren mal wieder die Drum Sounds aus meiner RS zu nutzen.
    Danke für den Artikel und den Kommentar. Ich wusste nicht das das Teil noch so beliebt ist.

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