Kolumne

Sooper-Patch

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Modular Kolumne Marta Plachetka
(Bild: Emanuel Klempa)

So ein Patch ist schon was Tolles. Ein Berg von Kabeln, bunte Module in verschiedenen Formen und Farben, ein hübsches Case dazu, vielleicht noch das eine oder andere Peripheriegerät wie eine Drum-Machine oder ein Delay-Pedal, und ab geht die Post.

Nachdem ich den Synth resettet, also alle noch gesteckten Kabel entfernt habe, gilt es, von Null auf einen neuen Patch zu bauen und zu überlegen, in was für eine Richtung es denn ungefähr gehen soll. Wie wäre es mit leicht gegeneinander laufenden Arpeggios und Ringmodulator-Sounds für den Anfang?

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Schon auf halbem Weg stoße ich immer wieder auf neue Ideen, unerwartete Abzweigungen, die den Patch erst so richtig interessant machen, bis mich die Experimentierlaune schließlich komplett packt und mich am Ende zu einem völlig anderen Resultat führt als ursprünglich geplant. Und wieder einmal mehr bin ich erstaunt, was für Klänge aus meinem Modular-Case kommen können, und drücke in meiner DAW auf Record, um diese schöne Momentaufnahme festzuhalten.

Kein Patch gleicht dem anderen. Und das ist auch gut so! In der Welt der modularen Synthesizer gibt es Unmengen an Kombinationsmöglichkeiten, die sich durch den Hype der letzten Jahre weiter potenziert haben. Immer mehr Hersteller aus aller Herren Länder, sei es Spanien, Griechenland, Lettland, Indien, Kanada, Österreich, USA oder Frankreich, bieten eine ebenso wachsende Auswahl an Modulen an, vorrangig im Eurorack-Format.

Möchte man sein Modular-System an eine DAW anbinden? Kein Problem. Möchte man ein Kontaktmikrofon in Modulform in sein Case einbauen? Geht. Dazu noch ein Physical-Modelling Modul? Na, welches denn? Ein Sampler-Modul? Done. Oder sein Case mit einer iPad-App ansteuern? Na klar. Es gibt sogar ein »Brain Interface«-Modul, das mittels eines Headsets die Gehirnaktivität ausliest und diese Daten dazu nutzt, um beliebige Parameter im Case zu modulieren, wie beispielsweise die Cutoff-Frequenz des Filters. Es gibt kaum mehr etwas, was es nicht gibt.

Dementsprechend variiert auch jeder Modular-Synthesizer in seiner Zusammenstellung, so auch die entsprechenden Patches. Aber was macht denn nun eigentlich einen »guten« Patch aus? Die Komplexität? Die kompositorische Komponente? Oder der Anteil experimenteller Elemente?

Nun ja, da gibt es zum Beispiel diejenigen, die es puristisch mögen. Eine Fläche, die durch ihre simplen Schwebungen verzaubert, dazu eine Prise perkussive Sounds hier, kombiniert mit vereinzelten, unregelmäßigen Sequenzen, die sich ab und an in den oberen Frequenzen tummeln, da. Andere mögen es wiederum technoid, voll auf die Zwölf, ab in den Club damit. Oder aber man bevorzugt es polyrhythmisch, vertrackt, mit leicht auseinanderlaufenden Sequenzen, die sich langsam auftürmen, um sich anschließend wie Wellen an einer Klippe wieder zu brechen und aufzulösen. Ein hübsches Rauschen kann allerdings ebenso entzücken, sei es brachial als Störgeräusch zelebriert oder zahm in kleine Häppchen geformt. Oder man widmet sich charmanten Musique-Concrète-Kompositionen, akustischen Collagen aus allerlei Audioschnipseln.



№5/6 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • EVANESCENCE
  • Im Gespräch mit Lars Eidinger
  • HÄMMERN MIT DEN GRANDBROTHERS
  • Reisen & Neuanfänge: Lucy Rose
  • Keys4CRO: Tim Schwerdter
  • Klangbastler Enik & Werkzeugmacher Gerhard Mayrhofer
  • Bei Klavis in Brüssel
  • BACK TO THE ROOTS: AKAI MPC X
  • Dexibell Combo J7
  • DICKES BRETT: POLYEND SEQ
  • Mr. Hyde & Dr. Strangelove jagen Dr. No
  • Visionäre: MIDI In My Head!
  • DIE ELKA-STORY
  • Transkription: Michael Wollny
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne


Bei all den unterschiedlichen Herangehensweisen der verschiedenen Stilrichtungen gibt es dennoch eine gemeinsame Eigenschaft, die für mich einen gelungenen Patch auszeichnet. Er sollte in erster Linie zum Experimentieren einladen und über seine ursprüngliche Intention hinauswachsen können, um den Musiker so aus seinen gewohnten Bahnen, der alltagsgrauen Studio-Routine herauszulocken und zum Weiterforschen zu animieren.

Für Inspirationen in allerlei Richtungen kann man sich mit gleichgesinnten Modular-Nerds aus der Community austauschen. Man kann sich beispielsweise auf einem der vielen Portale im Netz informieren, sich in Foren anmelden, Gruppen beitreten, Live-Streams und Tutorials ansehen oder auch Podcasts anhören. Und nicht nur online tut sich einiges, inzwischen gibt es unzählige Events und Synthesizer Meetings, Workshops, Jamsessions und Live-Gigs in unzähligen Ländern und Städten wie Tokyo, Barcelona, München, Wien, Brno, Zürich, New York, Los Angeles, Amsterdam − und natürlich Berlin. Hier fand im April dieses Jahres bereits zum zweiten Mal die Superbooth statt, die man getrost als Superlative aller Synth-Events bezeichnen darf. Und wer ist − wieder einmal − Schuld? Schneider natürlich. »Synthesizer aller Länder, vereinigt euch« war das Motto, und genau das hat die »Messe für elektronische Musikinstrumente« auch dieses Jahr wieder erreicht: ein Nerd-Treffen deluxe mit über 160 Ausstellern wie Make Noise, Endorphin.es, Befaco und Doepfer, der dieses Jahr übrigens sein 25-jähriges Firmenjubiläum feiert, das sich aber auch mit Firmen wie Bitwig, Avid oder Akai nicht nur auf Synthesizer-Hersteller beschränkt.

Die Messe ist allerdings nur ein kleiner Teil der Superbooth, was auch den Charme der gesamten Veranstaltung ausmacht. Denn neben all dem wundervollen Gear, das man sich von vielen Herstellern persönlich demonstrieren lassen oder natürlich auch selbst antesten konnte, gab es zudem etliche Workshops, Vorträge, eine DIY-Area, eine Absinth-Bar, Konzerte von diversen Musikern wie T.Raumschmiere, Moogulator, Colin Benders, Ströme, Frank Bretschneider und Tangerine Dream in verschiedenen Locations auf dem Messegelände, darunter die Seebühne und das Bootsshuttle (ja, es gab ein Bootsshuttle!); dazu noch zahlreiche Gesprächskonzerte, bei denen die Aussteller selbst nach einem kurzen Vortrag ihre Musik zum Besten gaben, Gesprächsrunden mit Daniel Miller, Holly Herndon, Mouse On Mars und dem Veranstalter Andreas Schneider persönlich, zudem noch Einführungskurse für Kids, spontane Jamsessions an den Ausstellerständen, und vor allem … viel gute Laune und viele gute Leute. Man fühlte sich beinahe wie auf einer WG-Party, zugegeben, eine enorm große WG-Party, auf der man mit jedem etwas anfangen konnte. Ein Mekka für alle, die sich austauschen, Kontakte knüpfen, Module testen und spontan mal einen Patch ausprobieren wollen.

Für einen Sooper-Patch braucht man nämlich nicht nur das Equipment und das Know-how, sondern gleichermaßen Inspiration, Anregungen, Feedback − und nicht zu vergessen, auch ein gutes Bier in netter Runde. In diesem Sinne, ich bin dann mal patchen.

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