Die Unterschiede zwischen Konserve und Original

Sampling vs. physical Modeling?

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(Bild: Matthias Keller)

Um den Aufwand gestimmter und mikrofonierter Tasteninstrumente sowohl im Studio als auch auf der Bühne zu reduzieren, gilt die digitale Konserve als dankbarer Ersatz. Aber wie entstehen virtuelle Pianoklänge eigentlich? Was steckt hinter den Technologien Sampling und Physical Modeling? Für welche Einsatzwecke eignet sich welcher Ansatz? Wie lässt sich die Klangqualität beurteilen? Und wo liegen die Grenzen der »virtuellen Welt«, verglichen mit dem Original? Ein Blick auf unterschiedliche Ansätze, Tasteninstrumente zu digitalisieren − und was daraus entsteht.

Wer die virtuelle Instrumentenlandschaft durchstreift, bekommt unweigerlich den Eindruck, ein akustisches Original sei nur noch ein Relikt von Puristen, die sich auf Nuancen versteifen oder sich durch gelebte Rückständigkeit partout nicht dem Fortschritt beugen mögen. Andere konstatieren, Unterscheide seien vorhanden, aber in der Praxis oft vernachlässigbar. Aus Sicht der erwähnten Puristen stellt die Technik nur ein Ersatzvehikel dar, das die Komplexität eines akustischen Originals nie erreichen wird und zudem das Spielgefühl beeinträchtigt. Eigentlich haben alle Recht.

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Aber worin bestehen Unterschiede zwischen Software und akustischer Klangerzeugung, wann kommen sie zum Tragen? Welche Technik eignet sich für welchen Zweck? Und wie lässt sich die Klangqualität beurteilen? Mit meiner Sampling-Firma realsamples nehme ich historische Tasteninstrumente in Museen auf. Dabei entstanden Überlegungen, wie sich die Instrumente möglichst gut umsetzen lassen. Auch die Grenzen der digitalen Umsetzung werden bei jedem Instrument spürbar. Zunächst ein Blick auf die Sampling-Grundlagen.

Sample-Libraries

Wer ein MIDI-fähiges Keyboard besitzt, dazu ein halbwegs modernes Notebook (oder einen Desktop-Rechner) sowie einen passenden Software-Sampler (etwa Native Instruments Kontakt oder Steinberg HAlion), ist nur einen Schritt vom scheinbar idealen Digitalpiano-Sound entfernt: Der Markt ist gut bevölkert mit Sample-Libraries unterschiedlicher Flügel und Klaviere, die mit Gigabytes an Daten ein virtuelles Klangerlebnis versprechen. Das zugrundeliegende Instrument wurde meist chromatisch aufgenommen, mit mehreren Dynamikabstufungen pro Taste.

Samples bieten dank der aufgenommenen Einzeltöne digitale »Schnappschüsse«, während beim Original kein Ton exakt gleich klingt. Beim Spielen eines gesampelten Pianos entsteht − und das ist eine der auffälligsten Einschränkungen − im Idealfall höchstens die Summe der Einzeltöne. Wenn sich die Samples »aufschichten«, fehlen dem Ergebnis die sogenannten Moden des Klavier-Resonanzbodens: Dort schaukeln sich beim Spielen mehrerer Töne Resonanzen auf. Jene Moden sind mitverantwortlich, dass der Klang zu einem »Ganzen« verschmilzt, mit harmonischen Obertönen statt einer abstrakten Anhäufung von Tönen. Ob und wie gut das virtuelle Ergebnis funktioniert, hängt von der Umsetzung der Hersteller ab. Am Ende gilt: Jedes gesampelte Instrument ist nur so gut wie seine einzelnen Töne.

Lieber Original oder Emulation? Bequemlichkeit siegt oft, aber die physische Erfahrung am akustischen Instrument kann nicht digital ersetzt werden. Im Bild: ein Erard-Flügel von 1873 (Bild: Andreas E. Beurmann)

Für ein gelungenes Ergebnis sind mehrere Aufnahmen jeder Taste unerlässlich, selbst bei scheinbar »undynamischen« Instrumenten: Cembali bieten konstruktionsbedingt eine feste Anschlagsstärke. Beim Anschlagen der Taste wird ein Springer ausgelöst, der mit einem Plektrum eine Saite mit gleichem Impuls anreißt. Trotzdem schwingen die Saiten jedes Mal anders. Um dem Rechnung zu tragen, empfiehlt sich, jede Taste mehrfach aufzunehmen und nacheinander abzurufen, sodass kein Sample unmittelbar wiederholt wird − sonst entsteht der gefürchtete sogenannte »Machine Gun«-Effekt, der bei frühen digitalen Cembaloklängen einen Nagelbrettcharakter hervorruft (und den Reiz des Instruments zunichte macht). Bei Klavieren fällt der Effekt wiederholter Samples weniger drastisch aus, lässt aber beim Hörer ebenfalls kaum Zweifel daran, dass es sich um ein Retortenprodukt handelt.

Um den Klang zu verändern, bieten virtuelle Instrumente oft viele Parameter − etwa durch Änderung der Stereobreite, Hall, Manipulation des Timbres, der Stellung des Hinterdeckels oder unterschiedliche Mikrofonpositionen. Auf der Suche nach einem guten Klangbild sollte der Grundklang ohne Effekte überzeugen. Hierbei gilt: Die aufgenommenen Samples stellen einen individuellen Blickwinkel dar − so, wie eine Pianoaufnahme den Geschmack des jeweiligen Tontechnikers abbildet. Gefallen die einzelnen Klänge in ihrer Klangfülle und Direktheit − oder wirken sie eher »weit weg« und dünn? Überzeugt das Ergebnis atmosphärisch, gerade auch beim Spielen von Akkorden? Manche Libraries eignen sich meiner Erfahrung nach besonders für langsame Balladen, weil durch das »Aufschichten« der Samples bei fülligem Grundklang im Tiefmittenbereich Mulm entstehen kann. Bei langsameren Tempi können sich die Klänge noch gut entfalten. Hellere, schnell ansprechende Sounds ohne allzu dichtes Bassvolumen funktionieren mitunter besser für schnelle Stücke. Ein Phänomen, das in der akustischen Realität seltener auftritt: Dank der »Mischung« der Töne im Resonanzboden bleibt das Original flexibler hinsichtlich der musikalischen Bandbreite.

Wie eine mechanische »Hallkammer«, die eine kurze, prägnante Hallfahne erzeugt, wirken Piano- und auch Cembali-Gehäuse. Gerade kürzere Noten − im Extrem Staccato-Laute − werden damit wahrnehmbar verhallt.

Beim Spielen von Samples wird der Nachhall mit dem Loslassen der Taste automatisch abgeschnitten und ausgeblendet: Hier liegt lediglich die Aufnahme der komplett ausklingenden Note (mitsamt ihrem »Flügel-Hall«) vor, nicht aber Varianten, bei denen beispielsweise eine Note gestoppt wird, und der Nachhall weiter ausklingt. Daher müssen sich Sample-Hersteller mit dem Ausblenden der Samples behelfen, sobald der Spieler eine Taste loslässt, um einen möglichst »reibungslosen« Übergang zu vermitteln. Besonders bei schnell aufeinanderfolgenden, kurzen Anschlägen hinterlässt das Fehlen des metallischen Nachhalls einen leicht abstrakten Eindruck. Hier hilft, den Gesamtklang mit einem kurzen Raumhall in der Software zu versehen, um dieses Problem zu mindern. Einen anderen Ansatz verfolgt Bechstein beim »Digital Grand«: Dort lässt sich die Länge des Sample-Abklingens in Abhängigkeit zur Spieldynamik einstellen, was Variation ermöglicht.

Ein wichtiger Teil des akustischen Erlebnisses sind übrigens Nebengeräusche − etwa Geräusche der Mechanik (Schwingen der Hämmer, Dämpfung der Saiten). Die passende Geräuschkulisse vermittelt im Sampler einen überzeugenderen »virtuellen« Eindruck, falls vorhanden. Manche Spieler übertreiben in der Software den Anteil der Release-Geräusche im Mischverhältnis, um den Eindruck eines »echten« Instruments zu verstärken.

Pleyel-Flügel (samt »Luthéal«-Aufsatz aus dem frühen 20.Jahrhundert, für zusätzliche Klangfarben) im Brüsseler Musikinstrumentenmuseum (MIM). Gut sichtbar: die Saitendämpfer im vorderen Bereich des Pianos.Deren leichte »Nebengeräusche« beim Dämpfen, nachdem die Tasten losgelassen werden, sind im Ideal in einer digitalen Variante mit abgebildet, um einen natürlichen Eindruck zu vermitteln. (Bild: Matthias Keller)

Beim Physical Modeling wird im Gegensatz zu Sampling das akustische Instrument anhand festgelegter Parameter mathematisch errechnet. So werden beispielsweise Wechselwirkungen einzelner Bauteile auf Basis physikalischer Gesetze nachgebildet. Die Tonerzeugung im Originalinstrument wird abstrahiert und auf ein machbares Maß reduziert. Zudem ist es schlicht notwendig, die Rechenleistung zu »deckeln«: Bereits ohne sich gegenseitig beeinflussende Parameter sind mitunter tausende Rechenschritte zur Berechnung eines einzelnen Klangs nötig.

Stichwort Wechselwirkungen: Je nach Saitenschwingung regen die Hämmerchen im akustischen Instrument bei erneutem Anschlagen die Saiten unterschiedlich an. Die Saiten selbst verhalten sich im Einschwingverhalten anders als beim Ausklang, mit komplexem harmonischen Obertonverhalten. Dazu kommen Wechselwirkungen bei unterschiedlichen Anschlagstärken. Das Verhalten eines Resonanzbodens lässt sich ebenfalls als Modell nachbilden, was sich dem »Aufschaukeln« beim Spielen mehrere Töne nähern soll.

Erste mathematische Physical-Modeling-Theorien entstanden bereits Anfang der 1970er-Jahre, passende Algorithmen sowie die auf effizientere Rechenleistung getrimmte, sogenannte Digital-Waveguide-Synthese kamen später. Ausreichend »kraftvolle« DSPs zur Umsetzung waren ab Ende der 1980er-Jahre verfügbar. Jene Ansätze blieben allerdings noch auf theoretisch »ideale Zustände« beschränkt, ohne die gegenseitige Rückkopplung von Parametern, geschweige denn die »chaotischen« Zustände eines akustischen Instruments zu berücksichtigen. Zur Nachempfindung jener Vielfalt werden die Algorithmen mittlerweile mit sogenannten »Finite Element«- bzw. Wave-Digital-Filtermethoden kombiniert, was allerdings den Bedarf an Rechenleistung stark erhöht.

Zu Physical-Modeling-Software zählt etwa Modartt Pianoteq (erhältlich in den Abstufungen »Stage«, »Standard« und »Pro«), das Pianos und andere Instrumente nachbildet (siehe Interview-Kasten mit Pianoteq-Chef Philippe Guillaume). Eine Software mit modellierten Pfeifenorgeln, Organteq, soll dieses Jahr erscheinen. Im Digitalpiano-Bereich machte Roland mit seinem »V-Piano« 2009 den Anfang, wobei Roland bereits mit der eigenen COSM-Technologie (»Composite Object Sound Modeling«) und später mit »SuperNatural« in verschiedenen Geräten Modeling-Technologien eingesetzt hat.

Sampling oder Physical Modeling − welcher Ansatz eignet sich? Ein Direktvergleich der beiden Technologien ermöglicht die Bechstein »Digital Grand« Sample-Library, …

Samples vs. Physical Modeling?

Da in meinem Fall der charmante Eigenklang alter Tasteninstrumente wichtig war, erschien ein Sampling-Konzept reizvoller − ganz abgesehen davon, dass ich über keine Fähigkeiten im Modeling-Bereich verfüge und die Expertise hätte auslagern müssen. Mein Eindruck: Zwar boten modellierte Instrumente ein gelungenes Spielgefühl, dem Klang fehlte es bislang an Autorität − dem Eindruck, dass ein Instrument im realen Raum aufgenommen wurde.

Zur Bewertung war für mich relevant, wie sich die Klänge im Kontext einfügen: Klingt das errechnete Stereo-Panorama glaubwürdig im Sinne einer guten Mikrofonabnahme, oder wirkt die Perspektive verzerrt? Entsteht der Eindruck »bewegter Luft« in einem Raum, oder klingt das Ergebnis abstrakt? Erscheint das Impulsverhalten der Töne direkt und definiert? Sind klare Tiefmitten- und Bassanteile vorhanden, oder wirkt der Bassbereich eher diffus und verwaschen? Bleibt das Klangbild über die unterschiedlichen Tonlagen stimmig? Klingt der Höhenbereich »luftig« und offen oder belegt? Vermitteln die Töne »Leben« im Ausklangverhalten, durch abwechslungsreich »reibende« harmonische Obertöne − oder wirken sie glatt und gleichförmig?

… die in der Physical-Modeling-Software »Pianoteq 6« von Modartt virtuell nachgebildet wurde. Als Basis dienten die Samples, aus denen Informationen für das mathematische Pianomodell gewonnen wurden, so Pianoteq-Entwickler Philippe Guillaume.

Einen Direktvergleich ermöglicht Bechstein mit dem erwähnten »Digital Grand«, der für Native Instruments’ Kontakt Player als Sample-Library erhältlich ist. In der aktuellen Modartt »Pianoteq 6«-Version ist der »Digital Grand« als Modeling-Instrument umgesetzt und von Bechstein lizenziert.

Die Sample-Library setzt den Bechstein-Flügel-Sound gelungen und mit flexiblen Eingriffsmöglichkeiten um, die Ästhetik eignet sich für Stilrichtungen von Klassik bis Pop. Die Variante in Pianoteq basiert auf den Samples − statt rund 25 GB ist der Speicherbedarf des Erweiterungs-Packs für Pianoteq 6 mit nicht einmal 2 MB (!) konkurrenzlos niedrig. Der gesampelte »Digital Grand« kostet 249 Euro, die modellierte Erweiterung 49 Euro. Im Vergleich sind für mich leichte Unterschiede im Frequenz- und Impulsverhalten hörbar. Trotzdem erscheint die modellierte Version gut nutzbar. Gerade mit der aktuellen Version 6 hat Pianoteq die Klangqualität der Modelle deutlich verbessert − das Erweiterungs-Pack ist in der Demo-Version von Pianoteq 6 spielbar. Ob das Ergebnis für den eigenen Geschmack »nah genug« dran ist, muss jeder für sich selbst herausfinden. Wer den gesampelten »Digital Grand« nicht besitzt, kann zumindest dessen Audio-Demos als Quelle heranziehen.

Was bleibt?

Welche Technologie für den jeweiligen Spieler besser funktioniert, hängt von der individuellen Zielsetzung ab. Vorteile gegenüber Sampling-Konzepten bestehen − im Falle der Modartt Pianoteq-Umsetzung − in geringerem Speicherbedarf und interaktiverem Spielgefühl. Reicht die Annäherung an den Klang des Originalinstruments, bietet Physical Modeling zudem flexible Einstellmöglichkeiten.

Bei beiden Konzepten gilt: Nicht der »eigene« Fingeranschlag bestimmt den physikalischen Ton, sondern ein fertig aufgenommener (oder durch Parameter errechneter) − der muss möglichst gut für das gewünschte Ergebnis funktionieren.

Was bedeutet das für den Unterschied zwischen komplexitätsreduzierter Konserve und Original? 1913 hat der Journalist Wolfgang Riepl sein »Rieplsches Gesetz der Medien« formuliert − eine Hypothese, wonach alte Medien durch neue nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt werden. Gleiches mag in Bezug auf virtuelle Instrumente gelten: Das akustische Original bleibt für spezialisierte Ansprüche nach wie vor relevant − etwa für Experimentierfreudige, die Klangnuancen selbst erzeugen und eigene Aufnahmetechniken umsetzen möchten. Die digitalisierten Varianten kommen im besten Fall möglichst nah an das Original heran, beide Konzepte bleiben naturgemäß eine Vereinfachung. Am Ende bleibt das Ergebnis eine Geschmacksfrage, welche Umsetzung einem Spieler liegt und ihn inspiriert.

Und manchmal kann die virtuelle Version indes »verloren geglaubten« Klang retten; im Sampler beispielsweise lässt sich ein altes, inzwischen manuell nur schwer spielbares Instrument − wie ich es bei einem italienischen Cembalo aus dem 17.Jahrhundert erlebt hatte − mit der gewohnten Tastatur ohne Rücksicht auf mechanische Einschränkungen problemlos bedienen.

www.bechstein-digital.com/de

www.modartt.com


Interview mit Pianoteq-Entwickler Philippe

Guillaume Philippe, wie kamst du auf die Idee, dich mit Physical Modeling für Pianos zu befassen?

Mein Berufsleben begann als Klavierstimmer, bevor ich mit 31 Jahren zurück an die Universität ging und Professor für angewandte Mathematik wurde. Dadurch kam mir das Thema Klaviersimulation wieder in den Sinn − ein Traum aus meiner Zeit, als ich Konzertflügel für Auftritte regulierte. Physical Modeling ist ein wichtiger Zweig der angewandten Mathematik. Zusammen mit meinem Kollegen Julien Pommier, der ebenfalls in angewandter Mathematik promoviert hat und der mit mir in der Mathematik-Abteilung des Instituts für Mathematik in Toulouse arbeitet (IMT), begann 2003 die Arbeit an einer Echtzeit-Simulation eines Klaviers mit Physical Modeling. 2006 war Pianoteq 1 fertig.

Für die virtuell berechnete Umsetzung der Bechstein »Digital Grand«-Sample-Library dienten die Sample-Aufnahmen als Quellmaterial. Ist das auch bei anderen Pianoteq-Instrumenten die übliche Vorgehensweise, um ein Modell abzuleiten?

Ja, als Eingangsmaterial dienen immer Aufnahmen des Klaviers, das wir simulieren wollen − dazu Informationen hinsichtlich Saiten, Hämmer, Dämpfer und so weiter. Die Aufnahmen werden in mehreren Velocities und mit mindestens einer Note pro Oktave durchgeführt, wobei wir normalerweise alle Noten verwenden. Unser Modell enthält viele Parameter, die anschließend justiert werden, um dem Original so nah wie möglich zu kommen. Das wird im ersten Schritt automatisch gemacht, anschließend erfolgt eine Feinabstimmung nach Gehör − praktisch wie ein Klavierstimmer beim Stimmen und Intonieren eines Pianos.

Philippe Guillaume (Bild: Modartt)

Ursprüngliche Physical-Modeling-Algorithmen mussten vereinfacht werden, um prozessiert werden zu können. Auch heute wären diese Modelle teilweise noch zu rechenintensiv. Gilt das für Pianoteq ebenfalls?

Das Modell, das wir verwenden, wurde von unserem Team von Grund auf entworfen. Es handelt sich in der Tat um eine vereinfachte Version von dem, was ein theoretisch »komplettes« Modell darstellt. Der entscheidende Punkt bei der Reduktion besteht darin, die beste Balance zwischen Effizienz der Berechnung und Präzision des Klangs zu finden.

Physical-Modeling-Algorithmen wurden später beispielsweise mit sogenannten »Finite Element«- Filtermethoden kombiniert, um Interaktionen verschiedener Parameter abbilden zu können. Funktioniert Pianoteq ebenfalls nach diesem Prinzip?

Wir sind recht nah an Standard- Finite-Element/Finite-Difference-Methoden, die eine Basis liefern, auf der das Modell konstruiert wird. Das Modell erlaubt uns − und dem Pianoteq-Nutzer −, die physikalischen Proportionen des Pianos zu modifizieren, inklusive Hämmer, Saiten und Resonanzboden.

Ist für jedes Instrument ein eigener Resonanzboden-Algorithmus notwendig, oder reicht ein generelles Modell, um die Resonanzen nachzubilden?

Jedes Klavier in Pianoteq hat seinen eigenen Resonanzboden, der die Charakteristik des simulierten Instruments abbildet. Natürlich sind die Gesetze der Physik für alle Klaviere gleich. Anders ausgedrückt: Die Gleichungen − und die daraus resultierenden Algorithmen − sind dieselben, aber Parameter wie etwa Holzeigenschaften ändern sich für jedes Instrument.

Im Laufe der Pianoteq-Releases hat sich der Klang stark verbessert, zuletzt mit einem deutlichen Sprung von Version 5 auf die aktuelle Version 6. Waren die Verbesserungen möglich, weil mehr Rechenleistung zur Verfügung stand oder weil die Modelle optimiert werden konnten?

Beides. Es ist ein langer Prozess, das Modell wird Schritt für Schritt verbessert. Manchmal sind das große Schritte, die mehr Details zum Klang hinzufügen, weil sich die verfügbare Rechenpower steigert und sich zudem unser Wissen verbessert. Die komplette Versionshistorie kann online (www.pianoteq.com/changelog) eingesehen werden, samt der neuen Modeling-Features, die bei jeder Version hinzugefügt wurden. Ein wichtiger Teil des Prozesses, den Klang zu optimieren, besteht in der Hilfe unseres fantastischen Teams aus Beta-Testern, geleitet von meinem Kollegen Niclas Fogwall.

Lässt sich Pianoteq auch als App umsetzen, um es als Klangerzeuger auf Tablets zu laden?

Ja, das steht auf unserer To-Do-Liste.


Über den Autor

Autor Nicolay Ketterer betreibt seit 2003 die Sampling-Firma realsamples, hat über die Jahre mehrere Flügel gesampelt und eigene Sample-Libraries erstellt. Dazu zählen historische Pianos und Cembali aus der Sammlung Andreas Beurmann sowie Instrumente aus dem Brüsseler Musikinstrumentenmuseum (MIM) und dem Germanischen Nationalmuseum.

(Bild: Joy Dana)

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