Eiche und Aluminium

Polyend SEQ – 8-Spur-Lauflicht-Stepsequencer im Test

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Polyend SEQ 8-Spur
(Bild: Vika Gurtovaj)

Endlich betritt ein edler Hardware-Sequenzer den Markt, dessen Erbauer nicht den Fehler machte, die Eingabebuttons derart kunterbunt hintergrundzubeleuchten, dass man ständig das Gefühl hat, man würde beim Programmieren der eigenen Geniestreiche mit den Fingern auf dem beleuchteten Dancefloor einer verkleinerten Kinderdisco Irish Step eintanzen.

Ui, ist der hübsch, der Polyend Seq! Darin sind sich alle einig, da bleibt dem einen oder anderen von uns Synthesesparfüchsen schlicht die Spucke weg: abgerundete Ecken, schwarzes Finish auf kühlem Aluminium und dunkle Holzverschalung in Eiche im bewährt zeitlos-funktionalen Braun-Design! Nimmt man das durchaus phallisch anmutende Gerät mit dem kurzen Namen „Seq“ dann einmal in die Hand, fühlt sich jede Nut und Naht, jedes Schräubchen nach Qualität an. Jules Verne hätte seine submarine Todesorgel sicher mal eine Nacht ausgeschaltet gelassen, hätte er den stylischen Sequenzer in seinen misanthropischen Händen gehabt.

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SEQ liegt mit seinen guten 2 kg einfach verdammt gut in der Hand und dank Gummilatschen sicher auf dem Tisch. Ein bisschen kriegt man dann auch Bock, ihn kurz hochzuheben, ihn auf seine Nahkampfqualitäten auszuchecken und wie einen Baseballschläger in der Luft … Nein, das brächte wohl selbst in einer stromversorgungsbefreiten Zombieapokalypse niemand wirklich übers Herz. Wobei es wirklich witzig wäre, die zermatschten Zombies auf den insgesamt 256 Steps mit kleinen Totenköpfchen einzuzeichnen. Aber lassen wird das …

Steptaster bis zum Horizont …

32 Steps in acht Reihen, das ist zurzeit sicher eine Ansage und am Markt keine Normalität: Der NSC-32 von Misa ist z. B. bereits ausverkauft, der ebenfalls gigantisch anmutende Phaedra immer noch in seiner Reißbrettphase und der einladend wirkende Tick Tick Step Sequenzer leider nur Software. Sicher gibt es andere 32-Step-Sequenzer, aber beim SEQ ist eine durchgehende Tasterreihe ohne Umbruch einstellbar, was durchaus luxuriös und einladend zugleich wirkt und angenehm aufgeräumte, übersichtlich aussehende Patternbilder erlaubt. »Endlich!« wird der eine oder andere Keyboardverächter rufen. Und ja: Es ist geradezu eine Wohltat, auf 32 Steps einen Groove einzugeben. Doch immer der Reihe nach.

Eine eigene Klangerzeugung hat der SEQ nicht, das wäre auch konzeptionell nicht puristisch. Je ein MIDI-In und MIDI-Thru, zwei MIDI-Outs sowie ein USB-Port können MIDI-Signale ausgeben und aufnehmen. Und das Loslegen fällt bei dieser sehr intuitiven Hardware wirklich sehr leicht: Bevor eine Sequenz ein externes Gerät triggern kann, wählt man ganz einfach einen der acht Slots aus, indem man einen der Spurtaster, die mit 1 bis 8 nummeriert sind, drückt. Nun kann diese Spur bequem über den »Note«- Encoder konfiguriert werden. Drückt man auf diesen Encoder, stept die Auswahl über die möglichen Menüpunkte wie MIDI-Output-Device (Out1, Out2 oder USB), Rootnote, MIDI-Kanalwahl sowie globaler »Transpose«- Wert für die Spur. So weit fast schon selbsterklärlich.

Sobald der Kontakt hergestellt ist, ertönt beim Setzen eines Steps selbstredend eine Note im extern angeschlossenen Synth. Eine per Taster angewählte Note kann dann ebenfalls mit dem Note-Encoder hoch oder runter korrigiert werden. Sequenzen können in Echtzeit und in laufender Sequenz mit »Length« in beliebiger Sequenzlänge von 1 bis 32 gedehnt werden. Schnell sind so polyrhythmische Meisterwerke zusammengeschraubt, die kaum ein Mensch von Hand spielen könnte.

Bis an diesem Punkt des Tests hatte ich bereits eine 32 Noten lange Electrofunk-Bassline an meinen Korg DS-8 gesendet, die sieben weiteren Spuren mit einzelnen Drumshots an einen angeschlossenen M-Audio Venom geroutet und einen dazu passenden Beat fabriziert, ohne ein einziges Mal in die Anleitung schauen zu müssen. Ich gebe zu: Dieses ist das seit Jahren intuitivste Gerät überhaupt, wahrlich ein Genuss, wenn man sich mal an die eine oder andere verquaste Kiste in der Vergangenheit erinnert: z. B. die 90er-Geräte ohne Exit-Button! Nicht ohne Grund ist die Anleitung dementsprechend knapp gehalten und passt entspannt auf drei sehr luftig gestaltete Seiten. Genauso gut hätte es auch ein Zettel mit der Aufschrift »Viel Spaß!« getan.

Polyend SEQ 8-Spur
(Bild: Vika Gurtovaj)

Sonderfunktionen?

Nicht viele, aber das Ganze ist sehr gut durchdacht und für einen Stepsequencer eher bequem gehalten. Als absolut vorbildlich möchte ich an erster Stelle die Autosave-Funktion erwähnen: Egal wie weit man bei der Entwicklung einer Sequenz fortgeschritten ist, SEQ speichert immer für dich ab! Stromausfälle verlieren so ihre Brisanz, und ein extrem kreativer Flow wird nicht durch behördliche Patternverwaltung gestört. Apropos Verwaltung: »Pattern« gedrückt halten und dann einen der 256 Steps klicken, schon wurde ein Pattern an diese Position gespeichert.

Die Wiedergabe-Modi pro Spur sind: Normal, Reversed, Pingpong und Random. Für zukünftige Firmware-Updates, die vom Hersteller gewollt und wohl geplant sind, wünsche ich mir kreativere Quantisierungs- oder Resequencing-Algorithmen, wie sie der kleine Crazy8 aus letzter Ausgabe besitzt. Dieser konnte, basierend auf bestehenden Notengefügen, harmonisch korrekt dazu improvisieren oder Sequenzen harmonisch sinnvoll oder sinnfrei »verdichten«.

Es ist übrigens auch problemlos möglich, externe Akkorde einzufangen, dafür muss allerdings pro Note eine Sequenzer-Spur geopfert werden. Die acht Spuren des SEQ sind dabei aber nicht monofon!

Die Step-Parameter runden das Bild ab: Note, Velocity, Length, Modulation und Roll sind selbstverständlich möglich. Bei den Spur-Parametern können wir Length, Velocity, Scale, MIDI-Channel, MIDI-Out und Swing einstellen. Klar, versierte Sequenzerprofis, die mit großen Hardware-Sequenzern arbeiten, werden sicherlich ausgetüftelte Edit-Funktionen vermissen. Hier geht es aber nicht darum, eine Yamaha RS7000, QY700, eine Roland MV-8000 oder eine MPC zu ersetzen, sondern um den direkten und intuitiven Zugriff auf die Sequenz. Natürlich darf ein Fußschalter-Input zur Steuerung von Start, Stop und Aufnahme nicht fehlen.

Polyend SEQ 8-Spur
(Bild: Vika Gurtovaj)

Kritik & Fazit

Ich persönlich fände eine dimmbare Hintergrundbeleuchtung für die Steps per Updates recht wichtig. Vor allem in schön-schummriger Studioatmosphäre sind mir persönlich die 264 LEDs wirklich einen Ticken zu hell. Live − und bei starkem Nebel im Club − ist dieser Nachteil wiederum ein klarer Vorteil. Laut Anleitung soll man schließlich auch sternhagelvoll seine Sequenz finden. Hier ein Tipp dazu: Das Gerät kann auch ohne Netzteil per USB-Strom betrieben werden, dann sind die LEDs deutlich dunkler, um nicht allzu viel Saft zu ziehen.

CV ist nicht am Start. Das wirkt auf dem ersten Blick seltsam, aber schließlich bietet der Hersteller mit dem »Poly Eurorack Modul« ein externes Gerät an, dass diese Lücke füllt und sie − gelinde gesagt − totschlägt. CV-Süchtige sollten sich also gleich überlegen, ob sie nicht das externe Modul dazuholen, was natürlich alles in allem nicht ganz billig werden wird.

Noch eine Kleinigkeit: Aufgrund meiner schnellen Arbeitsweise während eines Live-Acts bin ich eher ein Freund von klar definierten Druckpunkten an Tastern, mit dem gewissen »Click!«-Faktor. Die Steptaster des SEQ brauchen meiner Meinung etwas Übung, und man muss sie recht genau und definiert durchdrücken; halbe »Pressure« mögen sie nicht. Vermutlich ist das Absicht, aber somit ist der SEQ eindeutig für ruhigere Musiker gedacht, die ihre Melodien, Rhythmen und Motive erst langsam nach und nach im Studio oder live entwickeln. Vielleicht bin ich da auch etwas picky, der zuletzt hier reviewte Crazy8 hatte für die Steps einen m. E. wiederum etwas zu harten Druckpunkt. Hier hat eine Firma wie Korg − mit den Erfahrungswerten der Electribe&Co-Reihe − längst den optimalen Druckpunkt für Live-Elektroniker ein für alle Male und in Ewigkeiten funktional abgestimmt. Aber Achtung: Dies ist eine Korinthe. Ein Studio-User wird das sicherlich gar nicht bemerken oder bemängeln, außerdem gewöhnt man sich recht schnell daran.

Mit einem Listenpreis von 1.299,− Euro ist der SEQ ganz sicher kein Schnäppchen, das man seiner synthverliebten Freundin mal eben zwischendurch mitbringt. Allerdings ist dieser Preis meines Erachtens angesichts der Produktphilosophie auch nicht überteuert: SEQ will eine direkt und latenzfrei ansprechende Produktionsumgebung für Sequenzen, Beats und Grooves sein, und das ist voll gelungen. Er gibt eine hervorragende Sequenz- und Schaltzentrale für jene Elektropilotengattung ab, die am liebsten alles mit einem Stepsequenzer ansteuern möchte.

polyend.com

+++ Große 32 x 8er Matrix für angenehm aufgeräumte, übersichtlich aussehende Patternbilder

+++ Einfache und intuitive Bedienung

+++ Autosave-Funktion und unkompliziertes gezieltes Abspeichern

+ Externe Akkorde einfangen möglich (aber nur durch Verzicht einer Sequenzer-Spur pro Note)

+ Ansprechendes Design statt Bonbon-Farben

– Beleuchtung nicht dimmbar – aber es gibt wenigstens Trick 17 (siehe Text)

– CV nur in Kombination mit externen Poly Eurorack Modul

– Druckpunkte (vielleicht) nicht ganz perfekt

№5/6 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • EVANESCENCE
  • Im Gespräch mit Lars Eidinger
  • HÄMMERN MIT DEN GRANDBROTHERS
  • Reisen & Neuanfänge: Lucy Rose
  • Keys4CRO: Tim Schwerdter
  • Klangbastler Enik & Werkzeugmacher Gerhard Mayrhofer
  • Bei Klavis in Brüssel
  • BACK TO THE ROOTS: AKAI MPC X
  • Dexibell Combo J7
  • DICKES BRETT: POLYEND SEQ
  • Mr. Hyde & Dr. Strangelove jagen Dr. No
  • Visionäre: MIDI In My Head!
  • DIE ELKA-STORY
  • Transkription: Michael Wollny
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

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