Interview

Metronomy Forever – Joe Mount im Gespräch über Synth, Sounds und Ironie

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(Bild: Dirk Heilmann)

Metronomy ist eine Band, deren Musik irgendwie minimal, überraschend, naiv, infantil und gerne mal ironisch klingt – gleichzeitig aber auch nicht ganz unernst und manchmal gar etwas melancholisch. Wie es zu ihrem Sound und zum Sound ihres aktuellen Albums Metronomy Forever kam, erzählt uns Frontmann und Produzent Joe persönlich.

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht – das erste Mal Fahrradfahren ohne Stützräder zum Beispiel. Ich kann mich außerdem daran erinnern, als ich das erste Mal Metronomy hörte, was bei Weitem nicht auf jede Band zutrifft. Das Album The English Riviera drehte sich damals im CD-Player, als ich den Raum betrat, und ich dachte: »Ah, cooles Lied. Schade, dass das Album gleich vorbei ist. Diese experimentellen Bonus-Tracks am Ende eines Albums sind oft viel interessanter als der restliche populäre Kram, für den eine Band eigentlich bekannt ist …« Überrascht war ich dann, als ich merkte, es gibt noch einen zweiten Bonus-Track, dann noch einen dritten und vierten und … »WOW, ein Album, das nur aus Bonus-Tracks besteht!« Diese Idee war zwar simpel, aber auch genial und längst überfällig – endlich mal wieder eine innovative Band.

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Joseph Mount, der eigentlich immer nur Joe genannt wird, fing bereits 2006 (d. h. zwei Alben vor The English Riviera) an, unter dem Namen Metronomy Musik zu veröffentlichen – gegründet hat er Metronomy sogar noch viel früher. Inzwischen ist daraus nicht nur eine erfolgreiche Band gewachsen, sondern mit Metronomy Forever wurde auch kürzlich das siebte Studioalbum veröffentlicht.

Wir trafen Joe persönlich – ein sehr sympathischer Brite, der uns ungezwungen und offen entgegentrat, seine Antworten mit allerlei Anekdoten spickte und bisweilen tiefsinnig über seine Musik sprach.

Joe (eigentlich Joseph) Mount ist nicht nur Gründer, sondern auch Kopf von Metronomy. Er ist maßgeblich für das Songwriting und Produktion verantwortlich. Außerdem sing er und spielt Gitarre, obwohl er sich an den Keys eigentlich wohler fühlt. (Bild: Dirk Heilmann)

Hallo Joe, zunächst einmal: Ihr habt ein neues Bandmitglied. Seit wann ist Michael Stebbing-Lavett mit dabei?

Eigentlich schon eine ganze Weile. Um genau zu sein, unterstützt er uns live seit Love Letters (das Album erschien 2014; Anm.d.Aut.). Aber jetzt haben wir ihn auch offiziell aufgenommen.

Was sind seine Aufgaben in der Band?

Er spielt Keyboards, Gitarre und singt auch.

Dann macht er also das gleiche wie du, wenn man so will?

Na ja, ich spiele ja gar nicht Keyboards auf der Bühne …

… das tust du gar nicht mehr?

Ja, das ist schon eine Weile her, dass ich auch live Keyboards gespielt habe. Ich glaube, das war wirklich nur bei den ersten Live-Konzerten noch so, dass ich Gitarre und Keyboard gespielt habe. Das heißt, bis zu Love-Letters-Zeiten habe ich noch ein bisschen Keyboards gespielt, aber nicht viel. Im Laufe der Zeit wurde das auf der Bühne immer weniger.

Live hat Michael schon länger ausgeholfen – seit Kurzem ist er auch offizielles Bandmitglied. (Bild: Dirk Heilmann)

Also bist du eigentlich eher ein Gitarrist?

(lacht) Na ja, das eigentlich auch nicht. Ich spiele schon wesentlich besser Keyboards, und im Studio ist es auch das, was ich hauptsächlich mache, aber auf der Bühne habe ich eben eine Gitarre in der Hand.

Wie sieht Songwriting bei dir aus? Passiert das alles in-the-box?

Ja, so ziemlich. (lacht) Das hat seinen Ursprung schon in den Zeiten, als ich das erste Mal Musik gemacht habe, also noch lange vor Metronomy. Als Erstes hatte ich nur einen kleinen Sampler. Später hatte ich irgendwann einen Computer und bastelte dann an Loops. Über die Jahre habe ich immer versucht, etwas dazuzulernen und das Songwriting zu ändern und zu verfeinern. Aber letztendlich hat sich nicht so viel an der Arbeitsweise geändert. Das heißt, ich sitze am Keyboard oder auch an der Gitarre, loope und arbeite an Ideen, und – ja, du hast da schon recht – das passiert eigentlich alles am Computer.

Dann sind das alles auch deine Songs, die von Metronomy als Band nur performt werden?

Ja, aber auf einigen Platten, z. B. auch auf Love Letters und The English Reviera, haben wir auch viel von ihrem Material einfließen lassen. Es ist also von Album zu Album wirklich sehr unterschiedlich.

Wie alle Bandmitglieder hat auch Oscar ein Mikrofon zum Singen. (Bild: Dirk Heilmann)

Wie war es auf dem letzten Album Metronomy Forever?

Da bin ich es wieder, und der Computer. Aber das war eigentlich auch mehr Zufall als Absicht. Ich habe einfach ziemlich viel gemacht, und dann war es irgendwann einfach fertig – ohne dass ich zunächst gemerkt habe, dass es wirklich fertig war. Aber es musste einfach nichts mehr dazu. (beide lachen)

Ist es dann manchmal kompliziert, eure Lieder live auf der Bühne umzusetzen?

Ja, das kann passieren, das kann sogar sehr kompliziert werden. Aber ich habe auch gemerkt, dass die Live-Version nur eine Repräsentation der Studio-Version ist, es kann also auch ganz anders klingen – eigentlich ist es sogar unmöglich, dass es gleich klingt. Einige würden sich das vielleicht wünschen, aber selbst, wenn man eine Aufnahme in dem riesigen Saal über die PA abspielen würde, würde es ja schon wieder anders klingen.

Und es hat ja auch seinen Reiz, die Lieder mal anders interpretiert zu hören …

Ja, genau. Das ist auch etwas, was Live-Musik zu Live-Musik macht und zum Erlebnis.

Was ist deine Meinung zu Software-Instrumenten? Benutzt du sie, oder ziehst du doch lieber die Hardware vor?

(lacht) Das ist witzig, denn ich habe erst vor Kurzem einen Remix von der Band Fold gemacht und wurde dann gefragt, was das für ein Synth sei, und ich musste antworten: ›Hmm, ja … ich glaube das war ein Softwaresy…‘‹ (lacht)

Es gab eine Zeit, da waren die einzigen physischen Keyboards, die ich mir leisten konnte, sowas wie die kleinen Yamaha Portasounds – also habe ich die natürlich auch benutzt. Dann gab es auch mal einen polyfonen Synthesizer als Software zu einem anderen Programm, dass ich mir gekauft hatte, gratis dazu – ich glaube 2002 –, und dann habe ich den auch eine ganze Zeit lang genutzt.

Heute benutze ich überwiegend Hardware-Synthesizer, denn – und da bin ich mir schon sicher – ich höre tatsächlich den Unterschied. Das Original ist irgendwie ästhetischer. Wenn ich den Juno-60 mit einem Software-Juno-60 vergleiche, dann nehme ich das Original – es gibt einfach keinen Weg, die beiden gleich klingen zu lassen.

Aber (!) es gibt auch Synthesizer wie die FM-Synths in Logic Sculpture, die imitieren keine Hardware-Synths – okay, vielleicht gibt es da auch ein paar Ausnahmen. Aber im Grunde funktionieren die so, wie eigentlich kein analoger Synth funktioniert. Solche haben natürlich absolut eine Daseinsberechtigung, und die nutze ich auch gerne.

Gilt der klangliche Unterschied, den du angesprochen hast, nur im Vergleich von analogen Keyboards zu Software-Instrumenten, oder gilt Gleiches auch für digitale Keyboards?

Tja, das ist wirklich manchmal etwas komisch. Ein Beispiel wäre die Yamaha Reface-Serie: Das sind wirklich coole Geräte, sowohl zum Erlernen, wie ein Synth funktioniert, aber auch klanglich sind die wirklich gut und brauchbar. Aber wenn man sie aufnimmt, was ich gemacht habe, dann klingen sie nicht mehr besonders gut. Vielleicht liegt das daran, dass es eben doch eher günstige Geräte sind.

Und wie macht ihr das live? Benutzt ihr auf der Bühne auch analoge Synthis?

Auf der Bühne hatten wir bislang einen Juno-60, einen Juno-106 und einen Alpha Juno. Aber nach einer Zeit fühlt man sich damit doch schlecht, weil die Dinger ja auch kaputtgehen. Deswegen nutzen wir jetzt den Alpha Juno, einen Roland D-50, eine Novation Bass Station und einen Roland Juno-D. Also alles Dinger, die leichter zu bekommen und auch nicht unendlich teuer sind.

Wir nutzen aber keine Laptops oder Backing-Tracks – das ist wirklich alles live. Einzige Ausnahme ist der Roland SP-404SX, der für einen Song gebraucht wird. Als ich damals euer Album The English Rivera das erste Mal hörte, ist mir sofort euer unikater Sound und Stil aufgefallen, durch den jeder Song ein wenig wie ein Bonus-Track klingt.

Oscar bedient den Juno-D und einen Alpha Juno-2. Der untere Synth ist für eine ergonomischere Spielbarkeit im Stehen jeweils geneigt.
Zu beachten sind auch die Rollen, die Michael und Oscar etwas Bewegungsfreiraum bieten.

Ich habe mich immer gefragt, wo nehmen die diese Idee her? Was sind deine Einflüsse?

(schmunzelt) Also, ein Einfluss bin natürlich ich, als Mitglied dieser Band. Und als ich noch jung war, da hörte ich viel Beatles, war aber auch großer Nirvana- und Weezer-Fan …

… also eigentlich mehr »Gitarren-Musik«?

Ja, bis ich etwas älter wurde, dann wurde es elektronischer, z. B. mit Aphex Twin und Ähnlichem. Ich fand eigentlich immer experimentelle Sachen gut und bewegte mich gerne am Rande verrückter Sounds. Wenn ich ein Teil eines komponierenden Teams wäre, dann wäre mein dazu beigetragener Teil immer ziemlich kontrolliert. Wenn ich aber meine eigene Musik mache, dann ist es mehr aus einem Guss und am Ende klingt es ein bisschen wie ein Bonus-Track, wie du schon sagst. Und eigentlich ist das ziemlich der Sound, den ich einfach gerne mag.

Du bist auch dein eigener Produzent. Hast du mal versucht, mit einem Produzenten zusammenzuarbeiten?

Ja, ich habe natürlich mit anderen Leuten auch schon zusammengearbeitet. Ich glaube, Metronomy hat inzwischen seinen eigenen Sound, und es ist jetzt einfach zu spät, um es noch von jemand anderem produzieren zu lassen. Natürlich kann ich mir gut vorstellen, mich, als Joseph Mount, von jemand produzieren zu lassen. Aber Metronomy ist jetzt schon etwas weird und crazy, das wäre sicher problematisch. Prinzipiell finde ich den Gedanken aber angenehm, wenn mir mal jemand sagen würde, was ich tun muss. (schmunzelt)

Kommen wir mal zu eurem aktuellen Album: Gab es da eine Art Hauptidee, die über Metronomy Forever schwebt?

Ja, schon irgendwie. Ich wollte ein Album machen, das repräsentativ dafür steht, wie ich Musik höre und wie ich über Musik denke – es gibt da ja einen steten Wandel …

… du meinst den Wandel, der zwangsläufig mit der Zeit einher geht?

Ja genau. Die Art, wie man Musik konsumiert – über CDs, mp3, Streamen – aber natürlich auch die Art der Musik selbst. Und weil ich ja Musiker bin, geht es auch darum, wie sich meine Musikrichtung gewandelt hat. Musik ist ja ein großer Teil von mir und unter anderem mein Job.

Irgendwie bin ich gar nicht mehr so der Album-Hörer, sondern höre auch gern die Playlist eines Streaming-Portals – ich finde das sehr spannend und irgendwie auch crazy, dass es da einen Algorithmus gibt, der deinen Musikgeschmack »errät«. Das ist ziemlich cool: Manchmal ist das total falsch, aber manchmal lernt man dadurch auch neue Musik kennen. Ich habe also einfach mit Ideen gespielt, die am Ende ein bisschen klingen wie eine Playlist.

“BEI DEN GRÖSSTEN UND BEKANNTESTEN ALBEN SPIELT HUMOR EINE ESSENZIELLE ROLLE.”

(Bild: Dirk Heilmann)

Wenn man einmal Erfolg gehabt hat, ist es dann leichter oder schwerer, Musik zu schreiben? Immerhin gibt es da vielleicht Erwartungen, die erfüllt werden sollen …

Das ist manchmal schon ein wenig komisch, ich habe da etwas widersprüchliche Wünsche, was unsere Musik angeht. Einerseits sind wir natürlich happy, dass wir uns etablieren konnten und nicht wenige Fans haben, die auch die alten Songs genauso mögen wie die neuen – das ist schon bequem irgendwie. Gleichzeitig habe ich die Befürchtung, dass die Leute nicht mehr erwarten, dass von uns etwas Neues kommt. Also bei den Rolling Stones z. B. erwartet niemand mehr, dass sich da nochmal etwas Grundlegendes ändert – im Gegenteil. Wir wollen hingegen sehr gerne noch neue Sachen machen.

In der Regel ist es ja so, dass die jüngeren Musiker die aufregendste und hippste Musik auf den Markt bringen. Ich versuche, da auch mit einer ähnlichen Intension ranzugehen, um unseren Stil etwas Frisches zu geben und gleichzeitig aber auch original zu klingen.

Hast du einen persönlichen Lieblingssong auf Metronomy Forever?

Ja, ich glaube Miracle Rooftop. Der Song zeigt vielleicht auch ganz gut, wo es mit unserer Musik hingeht. Der ist instrumental, sehr minimal, etwas housy. Lying Low geht auch ziemlich in die gleiche Richtung.

Was sind denn deine Pläne für Metronomy?

Also, was ich jetzt schon sagen kann: Ich möchte gerne noch ein Album machen, das ernster ist. Ich habe bisher sehr viel Zeit verbracht, Leuten zu erklären, wie ich über Humor in Musik denke – das gehört für mich zusammen. Bei den größten und bekanntesten Alben spielt Humor eine essenzielle Rolle. Bei meiner Musik habe ich aber gemerkt, dass die Leute es oft etwas flippig wahrnehmen, also will ich mal was »Schweres« und »Ernstes« machen. (… und er kann sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen).

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