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Kolumne – Grundloses Bedienungseinkommen

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Bob Humid

»Und was passiert nochmal, wenn ich diesen, äh, dynamischen… ist das richtig? … äh, Doppelfader hier ganz hoch schiebe, bis er links und rechts einrastet?« Günther Lietscha setzte aus Versehen sein dümmlichstes Gesicht auf. Die extrem versierte Verkäuferin des Future-Tones ließ sich unter ihrem todschicken und präzise geschnittenen schwarzen Beatnikbob nichts anmerken und hielt ihren hilfreichen Ton stabil und freundlich: »Ganz einfach. Das ist der globale Stylefaktor. Damit bestimmst du bei deiner Produktion die untere und obere Stil- und Geschmacksgrenze. Was für den einen immer noch Underground ist, kann für einen anders sozialisierten Beat-Scheme-Producer bereits klingen wie ›kommerzieller Ausverkauf‹.«

Günther legte den Kopf schief und sah nun aus, als ob er psychologische Hilfe bräuchte. Sein Mund wurde trocken, und das Fragezeichen über seinem Kopf war sicher kilometerweit zu sehen. Sie lächelte keck und erklärte weiter: »Schau mal: Für extrem einfach und übersichtlich gehaltenen Minimal Tech House der ›Beatport Anno 200X‹-Sorte, musst du beide Fader ganz eng zusammenschieben, sodass die sich fast berühren. Hier, da auf der Skala wo ›Minimal‹ steht − aber nicht auf ›geriatrisch‹, das ist zu viel! Der Stylefactor wird natürlich durch die anderen Potis, Taster und Fader des PRODUCA DECK ONE mitbestimmt. Zum Beispiel haben die Doppelfader ›Handmade/ Electronical‹ und ›Vintage/Futuristic‹ darauf ebenfalls Einfluss! Warum zur Abwechslung nicht mal handgemachter, akustischer Deep House? Ich persönlich würd’s halt nicht übertreiben, sonst klingt es schnell nach singender Säge mit Waschbrett. Aber Hey! Wer bin ich, dir vorzuschreiben, was für Beat-Schemes du mit dem PRODUCA DECK ONE kreieren wirst?«

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»Aha. Ok. Ja also, und die Samples schneidet die K.I. von selbst, und die Library umfasst alle existierenden Drumloops der Musikgeschichte, richtig?« Die Verkäuferin nickte und flog wie zum Beweis mit ihren geschickten Händen über die insgesamt zwei Dutzend Bedienelemente des DECK ONE, bis aus dem Gerät eine oberfuturistische Drum’n’Bass-Nummer in der Produktionsqualität der besseren Hidden-Agenda-Jahre aus der FUNKTION TWO im Laden ballerte. Diese Hyper-Edits! Unglaublich musikalisch, kein Vergleich zu den erratisch wirkenden EDM-Brizzelbrazzel-Tools seiner Jugend. Begeisterung stieg in ihm hoch. Das war schon ein irre moderner Laden. Selbst das Personal wirkte hier äußerst cool und souverän, als wären die alle erfolgreiche Szeneproduzenten und würden hier nur aus Spaß oder so arbeiten.

»Krass. Echt krass. Ein Amen-Break. Genau zerschnitten und mit nem Filter in das Arrangement eingewoben. Das hätte ich selber nicht hingekriegt. Mein Kumpel Michael vielleicht, aber ich hab ja zwei linke Sampleschneidehände, hahaha …!« Die Verkäuferin lächelte höflich und ließ sich den flachen Witz nicht anmerken. Günther überspielte mit einer weiteren Frage: »Und abgerechnet wird über IOTA, Ether oder schwedische E-Krona, richtig? Ok, eine Frage noch: Was macht denn dieser seitlich angebrachte, etwas versteckte rote Schalter hier? Der mit dem zugleich traurigen und lächelnden Gesicht drauf?«

»Sehr gute Frage! Also, damit schaltest du dein monatliches Abonnement für das Grundlose Bedienungseinkommen ein und aus. Wir haben es seitlich angebracht, da es in der Vergangenheit hier und da zu Problemen kam. Du musst den Knopf auch online registrieren und entriegeln.«

Günther zog eine Augenbraue hoch: »Und was ist das Problem damit?« − »Das … Haha! Nun, das kommt ganz drauf an. Es schaltet nämlich parallel auch deine Sozialversicherungen an und aus.«

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