Die Renaissance der Maschinen

Kolumne: Der Synthesizer-Sound Gestern und Heute

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Modular Kolumne Marta Plachetka
(Bild: Emanuel Klempa)

Es kommt einem ja manchmal so vor, als wäre der Begriff »Synthesizer« bei dem einen oder anderen noch recht negativ behaftet und würde Assoziationen hervorrufen, die schon seit Jahren nicht mehr zeitgemäß sind. Synthesizer … das klingt so synthetisch, und was synthetisch ist, kann ja nicht gut sein, oder? Hmm… das waren doch diese künstlich klingenden Sounds, die in gefühlt jedem 80er-Jahre-Track zu hören waren?

Natürlich gab es da Zeiten − an dieser Stelle verweise ich mal vage auf die Zeit vor der Jahrtausendwende, um die 80er-Jahre nicht zu sehr zu verunglimpfen −, in denen man Synthesizer-Sounds recht exzessiv und des Öfteren vorbei an den Grenzen des guten Geschmacks einsetzte. Synthetische Drum-Sounds, die einen mit ihren Grand-Canyon-ähnlichen Hallfahnen immer noch verfolgen, kitschige Streicher-Sounds, die mehr Chorus verpasst bekamen, als das herkömmliche Durchschnitts-Ohr vertragen hätte, oder Lead-Sounds im Arpeggio-Modus, die wie Kaugummi in ihrer Dauerschleife immer fader wurden und eher mechanisch als rhythmisch daherkamen.

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In vielen Köpfen scheint das Instrument »Synthesizer« in dieser Epoche verhaftet zu sein, obwohl es zu so viel mehr fähig ist als nach synthetischen und angestaubten 80er- oder 90er-Jahre-Sounds zu klingen. Tatsächlich hat sich dieses Instrument bereits in unzähligen Film-Soundtracks, Popsongs, Werbeproduktionen, Videogame-Scores − die Liste ließe sich noch eine Weile fortführen − hinlänglich bewiesen und in allerlei Formaten verewigt, ohne dass es nach Plastik oder künstlichen, »unechten« Sounds geklungen hätte, ganz im Gegenteil.

»Echte«, also natürliche Klänge mit einem Synthesizer simulieren zu wollen und sie daran zu messen, wie nahe sie dem Klang einer Gitarre, eines Cellos oder meinetwegen auch einer Flöte kommen, ist meiner Meinung nach auch gar nicht erstrebenswert und führt am Ziel vorbei. Auch eine Gitarre würde nie ihr volles Klangpotenzial entfalten können, wenn man sie stets daran messen würde, wie nah sie an den Klang einer Violine käme. Synthesizer können ihrerseits ebenso vollwertige, eigenständige Klänge in den unterschiedlichsten Timbres generieren − von pompös zu elegant zurückhaltend, von düster beklemmend zu lustig und leicht, von traurig zu euphorisch beschwingt, von intensiv bis hin zu sanft und lieblich.

So ein Synthesizer ist ein nach wie vor enorm innovatives und mächtiges Instrument − ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Synthesizer mitunter zu den anspruchsvollsten und versatilsten Instrumenten gehören, die derzeit auf dem Markt zu finden sind. Um es mit den Worten von Vangelis zu sagen: »All die akustischen Instrumente sind … ich finde sie perfekt. Aber wenn man darüber hinaus gehen möchte, dann benutzt man einen Synthesizer.« Denn eines der spannendsten Features eines Synthesizers ist es, nebst all den unterschiedlichen Stimmungen und Klangfarben, die man hervorzaubern kann, sich den grundlegenden Sound den eigenen Wünschen entsprechend selbst definieren, programmieren oder patchen zu können, beinahe so, als würde man sich immer wieder ein neues Instrument bauen. Und das eröffnet musikalische Türen, die einem mit herkömmlichen Instrumenten in dieser Art und Weise verschlossen sind. Denn so schön eine Gitarre in all ihren verschiedenen Bauformen, Lackierungen, unterschiedlichen Holzarten und Tonabnehmern auch klingen mag, so klingt sie doch immer unmissverständlich wie eine Gitarre. Ein Synthesizer hingegen kann nach allem Möglichen klingen, man muss es sich nur vorstellen können. Von bedrohlich lauernden Drone-Sounds und zarten, polyrhythmischen Klängen bis hin zu verträumt-weichen Lead-Sounds mit einem warmen Mittenspektrum ist die Klangpalette von Synthesizern sehr breit.

Natürlich kann man sich bei der Klangfindung auch an existierenden, akustischen Instrumenten wie Streichern, einem Schlagzeugset oder einer Flöte orientieren oder auch Geräusche wie Wind oder Wellen nachahmen; das ist durchaus eine interessante Übung und lässt einen sein Instrument besser kennenlernen. Doch es lohnt vor allem, alle weiteren Kombinations- und Experimentiermöglichkeiten auszuschöpfen und Sounds zu bauen, die für sich stehen, einzigartig und originell klingen, die sich nur schwer vergleichen lassen und beizeiten auch eingefahrene Hörgewohnheiten aufbrechen können.

Eines der berühmtesten Beispiele für einen mutigen, neuartigen Umgang mit Synthesizern ist wohl die Filmmusik zu »Blade Runner« von Vangelis, der gemeinsam mit Ridley Scott etwas Ungehörtes, Experimentelles und auch Extravagantes wagte und zu der bildgewaltigen Geschichte eine ebenso beeindruckende Tonwelt erschuf.

Und auch heute noch entstehen viele beeindruckende Sounds aus Experimenten, aus dem Erforschen, zu was ein Synthesizer alles fähig ist. So wie auch Hans Zimmer regelmäßig diverse Synthesizer für seine Scores einsetzt, darunter beispielsweise Modular Systeme von Moog: »Für ein Gerät, das eigentlich relativ wenige Bauteile besitzt, bietet es eine enorme Anzahl an Klängen, die es noch zu entdecken gilt. Ich bin davon überzeugt, dass es viele Sounds gibt, die man noch nie gehört hat − weil sie bislang einfach noch niemand gemacht hat.«

Wie gut ein mutiger Synth-Soundtrack auch heute noch funktionieren kann, konnte man beispielsweise bei der 2016 angelaufenen Serie Stranger Things beobachten. Auch wenn der Soundtrack sich vieler Instrumente aus den 80er-Jahren bedient, klingt er dabei trotzdem modern, neu und gewagt − und ließ eine durchweg begeisterte Fangemeinschaft zurück. Denn auch wenn der Begriff Synthesizer bei manchem immer noch ominöse 80er-Sounds in Erinnerung rufen mag, gibt es auf der anderen Seite immer mehr Musiker, Produzenten und Enthusiasten, die das Potenzial von Synthesizern für sich entdecken − bestimmt nicht zuletzt auch ein Grund für den nun schon seit Jahren anhaltenden Boom der modularen Synthesizerbranche.

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