Mystischer Piano-Groove

Im Interview: David Helbock

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(Bild: Markus Thiel)

Mit seinem aktuellen Album Into The Mystic bereichert der österreichische Ausnahme-Pianist David Helbock die Jazzlandschaft mit einer atmosphärisch dichten und zugleich poetischen Mischung. Dabei macht er mit seinen beiden Mitstreitern Raphael Preuschl an der Bass-Ukulele und Reinhold Schmölzer am Drum-Kit weder vor Beethovens 7. noch vor dem Star-Wars-Theme halt.

Ich traf mich mit David vor einigen Wochen zu einem intensiven Gespräch über seine Musik und die Kunst der Inspiration im Alten Pfandhaus in Köln.

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Wie lange bist du jetzt schon mit deinem aktuellen Trio unterwegs?

In der aktuellen Besetzung spielen wir jetzt schon einige Zeit lang zusammen. Ich komme ursprünglich aus Vorarlberg ganz im Westen von Österreich und bin dann vor knapp vier, fünf Jahren nach Wien gezogen, wo ich die Jungs dann kennengelernt habe. Mittlerweile verschlägt es mich aber immer mehr nach Berlin!

Was zieht dich nach Berlin?

Eigentlich wollte ich einfach nur wieder weg von Wien, da es mir einfach zu eng geworden war. Nichts gegen Wien, das ist wirklich eine schöne Stadt, aber es ist doch eher wie in einem Museum.


№2/3 2017

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  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Ich denke, die Musikszenen unterscheiden sich auch deutlich?

Ja, in Berlin ist die Szene einfach viel größer − allerdings hatte ich auch noch nicht wirklich viel Zeit einzutauchen, da wir mit dem Trio im Moment einfach viel unterwegs sind. Aber dort zu Leben macht mir schon Spaß!

Deine Musik hat einen ausgesprochen eigenständigen Charakter. Wie würdest du selber deinen eigenen Stil beschreiben?

Ich hab schon auch meine musikalischen Vorbilder und Einflüsse im Bereich der Musiker und Komponisten, zum größten Teil sind dies allerdings doch eher die unbekannteren. Ein großes Vorbild, wenn man es denn so nennen möchte, ist der brasilianische Pianist und Multiinstrumentalist Hermeto Pascoal.

Woher nimmst du deine Inspiration?

Wenn ich komponiere, inspirieren mich eigentlich meistens außermusikalische Dinge. So kam es auch zu der Bearbeitung des Star-Wars-Themas, wobei es mir dabei gar nicht so sehr um die Titelmelodie, sondern mehr um die Filmreihe als Ganzes ging. Ich glaube, ich gehe da einen anderen Weg als die meisten. Zudem habe ich ja auch nie wirklich Jazz studiert, sondern komme direkt aus der klassischen Ausbildung.

Wie bist du dann schließlich im Jazzfach gelandet?

Über einen privaten Lehrer, Peter Madsen, der einen ausgesprochen offenen Unterrichtsstil pflegt, da er auch selbst in den unterschiedlichsten Stilen unterwegs ist. Ich habe mir dann einfach immer rausgepickt, was mir so gefiel.

(Bild: Markus Thiel)

So gesehen hattest du also das seltene Glück, auf sehr undogmatische Lehrer zu treffen.

Mit meinen Lehrern hatte ich wirklich sehr, sehr großes Glück!

Beim Hören deines aktuellen Albums ist mir auch ein gewisser Sinn fürs Perkussive aufgefallen, der zudem auch von einem utratighten Zusammenspiel mit dem Drummer unterfüttert wird. Wie hat sich das entwickelt?

Das ist jetzt lustig, dass du das sagst, denn für mich ist die aktuelle Platte eigentlich eine der ruhigsten, die ich je gemacht habe, für meine Verhältnisse schon fast Balladen-lastig. Ich wollte eben auch ein wenig in dieses mystische Gefühl abtauchen, das ich mir thematisch für diese Platte vorgenommen hatte.

Aber natürlich kommt das Perkussive auch immer wieder durch. Das liegt vielleicht auch an dem Umstand, dass ich selber neben dem Klavier auch intensiven Schlagzeugunterricht hatte. Es klingt zwar etwas klischeehaft, aber ein Stück weit sehe ich das Klavier tatsächlich ein wenig als ein Schlagzeug mit 88 Tasten. Das war mir aber auch schon sehr früh sehr wichtig. Ausgehend von der Klassik habe ich ziemlich schnell angefangen, auch die modernen zeitgenössischen Komponisten zu studieren, wie etwa John Cage oder George Crumb, die ja auch schon viel für das Innenleben des Klaviers geschrieben haben. Parallel dazu habe ich aber auch immer versucht, mit diesen Dingen improvisatorisch und frei umzugehen. Irgendwann fing ich dann an, auch mit Perkussion-Instrumenten wie etwa Rasseln oder kleinen Trommeln im Klavier herumzuexperimentieren.

Selbst bei deinen ruhigen Stücken scheint ja auch immer ein sehr prägnanter Groove durch dein Spiel. Das hängt vielleicht auch ein wenig mit meinem Anschlag zusammen, der insgesamt doch sehr viel Attack mitbringt. Darüber hinaus spüre ich aber auch immer eine sehr enge Beziehung zum Schlagzeug. Das kommt vielleicht auch daher, dass ich in den letzten Jahren neben dem Trio auch sehr viel solo gespielt habe, und wenn man alleine spielt, ist man halt nicht nur Pianist, sondern muss den Schlagzeug- und Bass-Part mit übernehmen. Ich würde sogar sagen, dass alle Stücke der aktuellen CD am Solo-Piano entstanden sind und erst später vom Trio adaptiert wurden.

Wie gehst du bei der Komposition vor? Unter anderem hast du ein eigenes Real Book mit 365 Stücken in einem Jahr verfasst. Wie geht sowas?

Letzteres Projekt geht auch auf eine Idee von Hermeto Pascoal zurück, der dies auch so um 1998 herum gemacht hat. Er nannte es »Calendário do som«. Das hatte mich so sehr inspiriert, dass ich das einfach mal ausprobieren musste. Ich habe es beim ersten Mal aber nicht lange durchgehalten. Erst zwei Jahre später habe ich das Projekt dann komplett linear durchgezogen.

Kann man sich das wie eine tägliche Meditation vorstellen?

Anfangs und über Monate ist es das sicher, vor allem da man, sobald die Inspiration so richtig ins Fließen gerät, glaubt, dass man unendlich viele Ideen hat. Irgendwann kommt das Ganze dann aber ins Stocken, und man hat plötzlich gar keine Ideen mehr. Nach knapp drei Monaten bin ich in ein regelrechtes Loch gefallen − an diesem Punkt begann der Lernprozess. Man beschäftigt sich plötzlich mit Dingen, mit denen man sich noch nie beschäftigt hat, um Neues zu entdecken. Irgendwann beginnt es dann wieder zu fließen. So landete im Übrigen auch viel Experimentelles in meinem Buch.

Das heißt, du musstest ganz aktiv auf die Suche nach Inspiration gehen?

Ja, irgendwie schon! Man lernt das, wenn man es in diesen täglichen Prozess einbaut. Anfangs ist das dann auch schon mal recht technisch. Man beginnt vielleicht lediglich mit einer Akkord-Progression oder einen kleinen Rhythmus.

Am idealsten ist es allerdings, wenn die eigentliche Inspiration gar nichts Musikalisches ist, wie etwa eine Frau kennenlernen, ein Spaziergang in der Natur oder ein gutes Buch lesen. Meist fließt es dann von selber. Man kann das Ganze aber auch aktiv anschieben, indem man kleine erlernte Techniken anwendet.

Warum ist es bei dir das Klavier geworden?

Mein Vater ist auch Musiker − er spielt Gitarre. Ich bin eigentlich von klein auf mit Musik aufgewachsen. Mit etwa 6 habe ich dann mit Klavier angefangen, wobei ich mir eigentlich mehr die Lehrerin ausgesucht habe als das Instrument − die war einfach sehr nett und unterrichtete eben zufällig Klavier. Mit ein wenig Schlagzeug nebenher bin ich dann dabei geblieben.

Ist dir das Klavier auch vom Sound her mehr entgegengekommen als vielleicht ein anderes Instrument?

Das ist schwer zu sagen. Irgendwie bin ich auch schon ein Soundtüftler. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch sehr früh von mir aus angefangen, ins Klavier zu gehen und an Saiten herumzuzupfen. Insgesamt gefällt mir beim Klavier aber auch die Möglichkeit, umfangreich solo zu spielen. Ich bin mit dem Klavier schon ziemlich zufrieden. (lacht)

(Bild: Markus Thiel)

Was braucht für dich ein perfektes Klavier?

Ich mag es, wenn etwas zurückkommt, was wahrscheinlich auch an meinem Anschlag liegt. Ich bin kein Fan davon, wenn eine Tastatur zu leicht ist, das war auch eigentlich immer mein Problem mit Keyboards und Synthesizern. Na ja, Letztere sind halt einfach auch andere Instrumente.

Was ich bei einigen Klavieren schade finde ist, wenn diese den Griff in die Saiten mit Metallstreben verhindern. Bösendorfer-Flügel haben dieses »Manko« leider, obwohl diese für meinen Geschmack zu den klanglich besten Instrumenten überhaupt gehören.

Auf der anderen Seite finde ich es aber auch extrem spannend, mit einem vorhandenen Klavier und seinen Besonderheiten kreativ zu arbeiten. Schön ist es immer, wenn ein Klavier die Stimmung hält. Bei älteren Pianos ist es mir mit meinem Anschlag leider schon passiert, dass die Stimmung nach ein, zwei Stücken hin war.

Aber ansonsten, magst du die kreative Herausforderung?

Auf jeden Fall! Auch mit dem Trio probieren wir eigentlich jeden Abend etwas Neues aus. Zurzeit steht zum Beispiel das Schlagzeug bei Konzerten in der Mitte, aber das kann sich je nach Location auch spontan ändern. Das Schöne ist, wenn man eine Kleinigkeit ändert oder einfach mal anders macht als gewohnt, ändert sich auch sofort die Art, wie man ein Stück spielt. Viel entsteht wirklich auch einfach durch die Rahmenbedingungen und das Einnehmen neuer Perspektiven.

Eine Frage noch: Was hat es mit der Mütze auf sich?

Die hat mir meine Mutter gehäkelt, als ich so ungefähr 15 war! Mein Ursprungsgedanke war, dass ich etwas Eigenes habe, sozusagen ein persönliches Markenzeichen. Zawinul und Monk hatten ja auch etwas auf dem Kopf, deshalb habe ich mich für eine Mütze entschieden, aber es sollte schon eine besondere sein. Mittlerweile ist das aber schon viel mehr geworden als nur ein Markenzeichen, es ist eigentlich heute mehr wie ein Ritual. Etwa 15 Minuten vor einem Konzert setze ich die Mütze auf, und das hilft mir dann schon auf eine Art − irgendwie macht es was mit mir. Ich werde auf einmal ganz ruhig und fokussiert.

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