Techno-Import und Queen of Liveact

Giorgia Angiuli Italiens No.1

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Viva la Giorgia! Sieht man Giorgia Angiuli live performen, geht die Sonne auf! Jeder kennt das beglückende und mitreißende Gefühl, wenn man einen neuen, überragenden Künstler auf der Bühne entdeckt. So ist es auch uns ergangen, als wir die zierliche Italienerin bei der „WIR Schwestern“-Veranstaltung in Köln trafen.

(Bild: JAMAICA DE MARCO)

Und das ist keineswegs übertrieben. In kürzester Zeit reißt sie mit ihrem hypnotischtechnoiden und perfekt gemischten Live-Set die Menge in ihren Bann. Giorgia begeistert dich von der ersten Sekunde. Ehe du dich versiehst, bist du ihr verfallen und kannst Augen und Ohren nicht mehr von ihr abwenden.

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Wer sich in den Gefilden der elektronischen Tanzmusik bewegt, ist ihr eventuell schon einmal begegnet. 2014 war sie fast jedes Wochenende auf den Timetables nicht nur Deutscher Klubs und Festivals zu finden. Und das gefällt uns natürlich richtig gut, sind es doch immer noch relativ wenige Frauen, die als DJ und noch weniger als amtlicher Live-Act unsere Klub- und Festivallandschaft bereichern. Und der Begriff „live“ ist bei der Florentinerin bestimmt nicht nur eine Floskel der modernen Verkaufsstrategie. Selbst ihre Performances auf ihrem Vimeo- oder YouTube-Channel begeistern. Charmant glamourös und doch unprätentiös präsentiert sie ganz lässig, wie sie ihre clever arrangierten Tracks aufbaut – alles live, keine Tricks, einfach nur tolle Musik!

Mit sehr viel Liebe zum Detail kreiert sie den perfekten Mix aus technoider Tanzmusik, ihrem eigenen Gesang, kreativ eingesetzten Effekten und bemerkenswert gut koordinierten Liveloops. Und zweifelsohne setzt sie live auch außergewöhnliche Instrumente ein.

Rewind Selector: Ales auf Anfang

Sieht man das erste Mal deine Videos, bekommt man den Eindruck, als würde dir alles ganz einfach von der Hand gehen. Nie ist ein Instrument zu viel oder zu wenig, und es wirkt, als wäre jeder Handgriff das Selbstverständlichste von der Welt. Wie viel Arbeit und Zeit steckt dahinter, um dein perfektes Sound-Setup zu finden?

Ich habe klassische Gitarre auf dem Konservatorium studiert und viele Jahre in einer NuMetal-Band gespielt. 5 Stunden täglich im Studio waren keine Seltenheit. Diese Erfahrungen hatten einen starken Einfluss auf die Entscheidung, mich selbst musikalisch zu verwirklichen.

Im Moment ist für mich persönlich ein spannender Liveauftritt attraktiver als die einzelne Musik-Produktion. Deswegen versuche ich, alle zwei Wochen mein Sound-Setup zu ändern. Seit zirka einem halben Jahr habe ich für meine Bedürfnisse das perfekte Grundkonstrukt gefunden, welches mir ermöglicht, sehr schnell neue Sounds, Patterns und Rhythmen auszutauschen und neu einzubinden.

(Bild: JAMAICA DE MARCO)

Wann war für dich klar, dass du selbst auf die Bühne musst?

Ich war in viele Musikprojekte involviert und habe auch etliche Male meinen Künstlernamen geändert. Mein letztes großes Projekt war eine Audio/Video-Arbeit für das Berliner Label BPitch Control Records unter dem Namen „We Love“. Zwei Jahre zuvor habe ich das erste Mal überhaupt einen Soundtrack für einen Film produziert.

Diese Erfahrung habe ich wirklich genossen und konnte mir auch gut vorstellen, meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Nachdem mich der Regisseur fragte, wie ich im Abspann genannt werden möchte, sagte ich ihm, er solle ruhig meinen richtigen Namen verwenden – Vor- und Zuname. Die Entscheidung war gefallen, mich nicht mehr hinter einem Künstlernamen zu verstecken und meine wahre Identität öffentlich zu machen.

Ein paar Monate später fragte mich das Team des Tenax Klub – einer der erfolgreichsten Techno Klubs Italiens –, ob ich nicht ihr Resident Live-Act werden möchte. Die Erfahrungen im Tenax änderten meine komplette künstlerische Vorstellung. Zu anfangs dachte ich noch, es ist doch Wahnsinn, jeden Samstag ein neues, zweistündiges Live-Set zu spielen. Aber als ich mich der Situation stellte, war schnell klar, dass es kein besseres Training gab.

Wenn ich ehrlich bin, mochte ich früher keine Klubs. Ich kam ja nicht aus der elektronischen Klubszene, meine erste große Liebe war schließlich der klassische Rock.

Aber im Nachhinein bin ich sehr glücklich, wie sich mein Sound entwickelt hat. Es ist für mich ein warmes, fantastisches, fast schon magisches Gefühl, wenn die Leute ganz nah vor mir zu meiner Musik tanzen.

Heutzutage ist es keine Frage mehr, mit dem Laptop als Master-Instrument auf die Bühne zu gehen. Wie sieht dein weiteres technisches Setup aus?

Ich habe einige Zeit gebraucht, um für mich persönlich das beste und kompakteste Equipment, bestehend aus MacBook, Controllern, MIDI-Keyboard und Instrumenten, zusammenzustellen. Und das Wort „kompakt“ ist dabei relativ: Ich wiege im Moment weniger als 50 kg – mein Setup besteht aus zwei Cases, die je 35 kg wiegen. (lacht)

Auf meinem Laptop läuft Ableton Live 9. Als Interface habe ich mich für die Apogee Duet entschieden – und für das klassische SM 58 Bühnenmikrofon von Shure. An Controllern und Keyboards verwende ich von Livid Instruments Alias 8, das Axiom 25 MIDI-Keyboard mit Pads von M-Audio, das Novation Launch Control, den Akai Wind Controller (Breath Control) sowie ein Moog Theremin. Wenn es der Platz erlaubt, packe ich am liebsten auch noch analoge Synths mit ein. Aber ein wirklich wichtiger und spezieller Teil meines Instrumenten-Parks sind meine „Toy Instruments“.

Spielsachen sind faszinierend. Im Allgemeinen liebe ich schöne Gegenstände. Ich glaube fest und gerne an die Idee, dass schöne Objekte schöne Töne erzeugen. Darum würde ich auch gerne irgendwann meine eigene Sonderanfertigung in Sachen (Toy-) – Controller entwerfen. Ich denke oft daran, meinen Laptop in die Ecke zu stellen und mir lieber eine Hardware-Maschine wie z. B. den Octatrack von Elektron anzuschaffen. Ich werde wahrscheinlich bald mein Setup erweitern, denn ich liebes es, mich mit neuen Dingen zu beschäftigen und bin sehr experimentierfreudig.

Bleibt dir mit diesem Setup noch genügend Freiheit zur musikalischen Improvisation?

Ich starte Ableton und mappe mir meine Novation Launch Control Pads mit Clips, die ich dann während des Spiels starte und erneut aufnehme. Zum Beispiel spiele ich einige Akkorde via MIDI-Keyboards ein, loope und editiere sie dann live. Ich bin ein großer Fan der „Loop“-Technik. Da ich ja gelernte Gitarristin bin, habe ich bereits in der Vergangenheit die Loop-Pedale von Boss benutzt.

Aber mit Ableton funktioniert es viel einfacher und komfortabler. Neun Kanäle in Ableton Live sind mit dem Livid Alias-8- Controller verknüpft, mit dem ich dann den Gesamtmix mache. Die einzigen Instrumente, die bereits vorher im Studio aufgenommen wurden, sind die Basslines und die Kickdrums. Die meisten Basslines kreiere ich mit dem Little Phatty von Moog. Einige Groove-Samples habe ich natürlich auch vorher schon live recordet.

Außerdem habe ich auch noch ein komplettes Drum-Kit in Ableton zu meiner freien Verfügung, Einzelsounds wie z. B. Tom, Snare, Clap, Glitch oder Hi-Hat steuere ich dann mit den Pads des Axiom an. Nicht zu vergessen die Klavier-, Piano- und Orgel-Sounds, die ich nach demselben Muster live einspiele. Und da wären auch noch mein Moog Theremin, welches mit vielen Effekten gespielt wird, mein Breath-Controller von Akai, die Spielsachen … und natürlich meine Stimme. Ich spiele auch nicht meine kompletten ausproduzierten Tracks, sondern verwende nur einige Bausteine, die ich mir extra für den Live-Einsatz optimiere.

Ich schätze an diesem Setup, dass ich ad hoc entscheiden kann, was ich gerne in der nächsten Sekunde spielen möchte, und dass ich wirklich den Freiraum habe, zu improvisieren.

Dein Sound klingt nie überladen. Alles scheint an seinem perfekten Platz zu sitzen. Wie schwer ist es, einen perfekten Instrumental-Mix hinzubekommen?

Für mich ist es das Schwierigste von allem. Denn zuallererst brauchst du eine gute akustische Umgebung – und das kostet Geld und Zeit. Ich treffe Leute, die sehr viel Geld für das perfekte Studio-Equipment und ihre Mixing-Tools ausgeben. Das Wichtigste vergessen die die meisten aber: Der perfekte Mix beginnt mit einer guten Studio-Akustik!

Aus Italien kommen viele gute Techno- und House-Produktionen und noch viel mehr Liebhaber elektronischer Tanzmusik. Wie sieht die Situation allgemein für weibliche DJs und Live-Acts in Italien aus?

Es gibt nicht viele Frauen in der Szene, und das ist wirklich sehr, sehr schade. Auf jeden Fall gibt es in Italien eine große, teilweise auch sehr mainstreamige Techno-Szene – dafür bekommt die kleine Underground-Szene kaum Beachtung. Ständig liest man irgendwie immer die gleichen großen DJ-Namen. So ist es fast unmöglich, neue Talente und Künstler kennenzulernen und sich von etwas völlig Frischem inspirieren zu lassen.

Sind deine Veröffentlichungen hilfreich fürs Booking?

Ja und nein. In der Vergangenheit war es auf jeden Fall nützlich. Aber durch den schnell wachsenden digitalen Markt ist das Veröffentlichen ein Klacks geworden. Dadurch schwappt täglich eine riesige Welle von neuen Produktionen auf den Markt, und das geht oftmals auf Kosten der Qualität. Zudem investieren viele Labels auch kaum noch Energie in Produktion und Vermarktung. Deswegen ist es auch so wichtig, deine Tracks auf dem richtigen Label zu veröffentlichen.

Im Moment bin ich diesbezüglich total happy. Bald erscheint eine Vinyl-Scheibe auf dem Harry-Klein-Label in München. Außerdem habe ich für einige Tracks auf KMS Records unterzeichnet, dem Label von Kevin Saunderson.

Du hast auch eine eigene Radio-Show. Welche musikalischen und thematischen Schwerpunkte stehen dort im Fokus?

Die komplette Show heißt „Soundzrise“ und wird jeden Samstag um 5 Uhr morgens auf dem Sender M2O, einem Italienischen Radio-, TV- und Online-Sender, ausgestrahlt. Mein Beitrag zur Show nennt sich „Live Is More // On Air“, und wir konzentrieren uns schwerpunkttechnisch auf Live-Acts.

Hast du einen Lieblingsklub in Deutschland?

Ich liebe das ehemalige Kater Holzig, jetzt Kater Blau, in Berlin. Es herrscht jedes Mal eine einzigartige und magische Atmosphäre, das Team und die Partygäste sind toll. Ganz zu schweigen von den tollen Open-Air-Partys, die nicht nur im Kater Blau, sondern in ganz Deutschland wahnsinnig kreativ auf die Beine gestellt werden.

Möchtest du uns noch einen Tipp für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Weniger Facebook und mehr Musik!

Weniger Photoshop und mehr Ableton!

Weniger Makeup und mehr Synthesizer!

 

Sehenswerte/Hörenswert:

www.giorgiaangiuli.com/
vimeo.com/giorgiaangiuli
www.youtube.com/user/giorgiaangiuli
www.m2o.it/special/soundzrise_reloaded/
www.facebook.com/giorgia.angiuli

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