Modular-Nerds

Ein Zwiegespräch unter Modularisten: Panic Girl & An On Bast

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(Bild: Emanuel A. Klempa / Paweł Brudło)

Panic Girl aka. Martha Bahr, unsere Autorin der Modular-Kolumne, ist bereits vor einigen Jahren in die Welt der modularen Synthesizer eingetaucht und tummelt sich hier seitdem so wohl wie eine Katze im Fressnapf. Über diese Szene kam sie mit An On Bast aka. Anna Suda ins Gespräch.

Modularisten werden selbst unter Musikern oft als etwas nerdy beäugt – vielleicht nicht zuletzt auch aus etwas Neid heraus, weil einem die Bedienung der Kisten mit den vielen Knöpfen und Kabeln selbst so magisch erscheint wie einem Nichtmusiker das Klavierspielen.

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Wir hatten die Möglichkeit in ein Skype-Chat zu lunzen – das Zwiegespräch zwischen Panic Girl und An On Bast. Panic Girl ist dem einen oder anderem vielleicht schon durch KEYBOARDS aufgefallen, An On Bast ist eine Polnische Künstlerin, die sich bereits seit 2006 im elektronischen Metier tummelt und bald ihr achtes Album veröffentlicht.

An On Bast: Darf ich dich fragen, ob dein Künstlername Panic Girl etwas mit dem Duran Duran Song Girl Panic zu tun hat?

Panic Girl: Nicht wirklich, ich habe den Namen vor einigen Jahren mit einem Freund von mir erfunden. Ich bin keine Person, die in Panik gerät oder so, wir mochten nur den Klang, also blieb ich dabei!

AOB: Aha, deine Musik klingt auch nicht nach Panik.

PG: Wie bist du auf deinen Künstlernamen gekommen, und was bedeutet das?

AOB: Ich wollte einen einzigartigen Künstlernamen, der mich sehr gut beschreiben würde, ein Name, der mindestens ein paar Elemente dessen enthält, was ich bin. Es gibt also Bast (ägyptische Göttin – halb Frau, halb Katze) als Katzenelement und Anon als Snowboardelement – und es beginnt mit einem „A“, wie mein Name. Am Ende habe ich es in drei Teile geteilt, weil mir die Melodie gefiel – so wie bei Boards of Canada oder Mouse on Mars.

An On Bast (Bild: Dirk Heilmann)

PG: Cool! Zu deinem Album und zum Einstieg in die elektronische Musik …

AOB: Das Album (Welcome Scissors, 2006) ist wirklich experimentell. Es war einfach mein Traum, ein Album aufzunehmen, also habe ich es getan – das sind auch meine ersten elf Tracks, die ich überhaupt gemacht habe. Das ist zwar in Eigenregie veröffentlicht, aber es hat mir damals viele Türen geöffnet. Was ist deine erste veröffentlichte Musik? Ist es das Album von 2010?

PG: Ja, genau. Es war die EP Burn And Rise mit fünf Downtempo-Tracks. Ich konnte es auf dem Label Shadybrain veröffentlichen, das eher ein Drum’n’Bass-Label war. Aber die fanden meine Musik super und wollten die EP trotzdem veröffentlichen.

Es ist wirklich ein Traum für alle, dass das Debütalbum die Türen für weitere Projekte, mehr Veröffentlichungen oder sogar eine ganze Musikkarriere öffnet. Welche Türen haben sich dir damals geöffnet?


Panic Girl könnt ihr auch in folgenden Interview-Gespräch mit Audio-Engineer und Musiker Richard Devine erleben. 


AOB: Das war ja 2006 – noch zu Zeiten von Myspace. Ich wusste damals gar nicht, dass überhaupt jemand elektronische Musik macht. Ich habe mein erstes Album auf CD veröffentlicht und es einfach an einige polnische Portale geschickt. Darauf wurde ich eingeladen, auf ein paar großen Festivals zu spielen, außerdem wollten sie gerne ein zweites Album von mir veröffentlichen.

Aber das Wichtigste: Im gleichen Jahr wurde auch meine Bewerbung von der Red Bull Music Academy ausgewählt – das war der viel größere Schritt. Ich ging für die RBMA nach Melbourne und traf viele große Produzenten und Künstler. Damals wurde mir klar, dass ich bis zum Ende meines Lebens mit Musik und Sounddesign arbeiten möchte. Das war der Anfang – so wurde es ein Full-Time-Job, und ich war mit Leidenschaft dabei.

Würdest du sagen, du machst aktuelle Musik? Ich habe gelesen, dass du eigentlich Toningenieurin bist – wie arbeitest du so? Was ist dein Audio-Hintergrund?

PG: Ich mache Musik, seit ich Kind war. Natürlich keine elektronische Musik von Anfang an. Ich habe mit Klavier angefangen, später auch Gitarre. Ich habe schon gesungen, spielte in Bands als Sängerin und Gitarristin und entdeckte schließlich das ganze Reich der elektronischen Musik, was für mich wirklich wie Offenbarung war. Es gab mir die Freiheit, mich nicht nur in Bezug auf Melodien und Rhythmen auszudrücken, sondern auch, indem ich meine eigenen Klänge entwarf und mit Klangfarben und Effekten zu experimentieren. Damals öffnete sich für mich ein ganz anderes Universum!

Ja, ich habe bereits 2002 am SAE-Institute Tontechnik studiert und arbeite seitdem als Audio-Ingenieurin, Sounddesignerin, Komponistin und Autorin. Das gefällt mit gerade wirklich sehr. Ich liebe die Vielfalt der ganzen Jobs, die Herausforderungen damit, die verschiedenen Ansätze, und es wird auf jeden Fall nicht langweilig, da ich die ganze Zeit neue Dinge lernen muss.

Was war deine Ausbildung? Oder hast du dir alles selbst beigebracht?

Panic Girl (Bild: Dirk Heilmann)

AOB: Oh, das klingt gut! Ich bin völlig autodidaktisch. Das heißt, als ich wirklich noch ganz klein war, hat mir meine Oma etwas Klavierspielen beigebracht. Später habe ich dann noch Gitarre und Schlagzeug gelernt. Irgendwann zog die Ambient- und Experimentalmusik meine Aufmerksamkeit auf sich. Und mit der Technik (Cool Edit, Ableton Live 2.5) konnte man nicht nur selbst komponieren, sondern sich auch selbst produzieren. Das war und ist genial!

PG: Ja, das stimmt. Es ist erstaunlich, was man heutzutage mit den Werkzeugen erreichen kann!

AOB: Genau. Was waren deine ersten Werkzeuge? Ich hatte ein Clavia Nord Modular G2.

PG: Gutes Ding. 🙂 Mein erster Synth war ein Virus TI.

AOB: Fantastischer Synthesizer! Hast du den noch immer? Ich habe mich vor einigen Jahren von meinem G2 verabschiedet. Ich will auch keine Synthesizer sammeln, sondern sie nutzen – ich liebe es einfach, neue Sounds auszuprobieren. Von daher ist modular genau mein Ding. Ich bin froh, dass es die Dinger gibt und dass ich das für mich entdeckt habe.

PG: Das sehe ich genauso! Ich habe meinen Virus TI vor zwei, drei Jahren verkauft, und bereue es bisher nicht. Meinem modularen System schenke ich heute viel mehr Beachtung.

Wenn man dich fragt, was für eine Musik du machst, was sagst du?

AOB: Ich mache Musik, weil ich das Gefühl habe, dass das die beste Sprache ist, die beste Art zu kommunizieren; sehr emotional und ich muss keine Worte verwenden. Ich war nie ein DJ, ich wollte schon immer Liveacts spielen, was ich hauptsächlich solo mache, Ansonsten habe ich noch ein paar andere Projekte, meist Duos. Ich bin froh, über den ganzen Globus spielen zu können und irgendwie Energie durch meine Musik zu teilen.

Ich mache Musik, die mich interessiert, hauptsächlich Ambient, IDM, Techno, Tech-House, House, Deephouse – also einfach alles, was elektronisch ist. Mein achtes Album mit dem Titel Coherent Excitations erscheint bald über das Kölner Label Modularfield auf weißem Vinyl, da freue ich mich schon riesig drauf – das ist ein Live-Konzeptalbum, das ist sogar für mich speziell.

PG: Das Album ist wirklich sehr geil! Danke, dass ich schon vorab reinhören durfte!

Ich habe auch das Glück, dass mein nächstes Album Cake On Jupiter noch dieses Jahr bei Modularfield erscheint, ebenfalls auf weißem Vinyl. Es ist schön, bei dem Label neben Künstlern wie Nathan Moody, Surkid, HHNOI, Ann Ann Annie und natürlich dir in guter Gesellschaft aufgehoben zu sein. Ich liebe verträumte Vibes und experimentelle Sounds. Ich begann als totaler Massive-Attack-Fan, Musik zu machen; ich war fast besessen von ihrer Musik, insbesondere von Mezzanine. Im Laufe der Jahre wurde meine Musik immer verträumter, blieb aber immer experimentell.

Mit Anatol Locker mache ich noch als Duo namens Lucid Grain Musik. Das ist auch experimentelle Ambient-und Electronic-Musik. Unsere Tracks sind meist improvisierte Live-Jams, was sehr befreiend und limitierend zugleich ist, da wir nach der Aufnahme keine einzelnen Sounds bearbeiten, mischen oder ersetzen können. Es ist genau das, was es ist, nachdem wir unseren Patch gespielt haben, also ist es das Ziel, einander beim Spielen aufmerksam zuzuhören und das Beste daraus zu machen.

Martha Bahr und Anatol Locker sind das Elektro-Duo Lucid Grain (Bild: Dirk Heilmann)

AOB: Womit ich nicht umgehen kann, sind die Grenzen der Stile. Manchmal habe ich als Produzentin die Befürchtung (auch wenn ich andere produziere), dass ich wegen eines Filters o. Ä. die Musik in ein anderes Genre schiebe.

Ich habe euch dieses Jahr auf der Superbooth gehört, klang sehr gut! Hat mir extrem gefallen.

PG: Oh, danke! Wir haben dich auch gehört, Killer-Set. Wie bist du auf dein Live-Setup gekommen?

AOB: Vielen Dank! Seit drei, vier Jahren spiele ich mit modularem Synthesizer als Basis, mit Octatrack und Novation Peak als Polysynth, da es schwierig ist, einen polyfonen Sound im 7U-Intellijel-Case zu bauen, mit dem ich unterwegs bin. Vor dem Modularen habe ich bereits Hardware-Setups mit analogem Rytm, Octatrack, Boss RC505, verschiedenen Gitarreneffekten, Korg Minilogue.

Und du? Was ist dein derzeitiges Setup als Panic Girl?

PG: Das ist ein ziemliches großes Setup mit vielen Optionen, aber trotzdem noch transportabel. Meine Basis ist auch mein Modular-Synth, ich habe gerade ein 12-HE-Gehäuse, in das alle wichtigen Module passen, das aber trotzdem noch tragbar ist. Dann habe ich einen Octatrack, mein iPad (u. a. mit Samplr und Borderlands), ein Avalanche Run Effektpedal und ein OP1. Manchmal nehme ich auch meine Jomox Xbase09 mit, je nachdem, was genau ich vorhabe und wie viel ich mitnehmen kann. Es ist mir auch wichtig, sehr praxisnah zu spielen mit Raum für Improvisationen. Das macht am meisten Spaß.

Wie hat der Modular-Synth deiner Meinung nach deinen Zugang zur Musik verändert?

AOB: Hm, würde ich sagen, mir ist nun ganz bewusst, wie man den Stromfluss beeinflussen muss und kann, um Sounds zu kreieren oder zu verändern. Ja, ich finde das wirklich verrückt, wenn man daran denkt, dass man eigentlich die Elektronen kontrolliert!

PG: Schön ausgedrückt! Wann und wie bist du zum ersten Mal auf den Modular-Synth gekommen?

AOB: Ich wurde von einem Freund aus Berlin gefragt, der mich in meinem Studio besucht hat, ob ich mir ein Eurorack zulege. Meine Antwort war: „Nein, ich bin gerade happy, und ich will nicht als introvertierter Nerd enden, rundum eingeschlossen in Wänden aus Modulen.“ Natürlich weiß ich heute, dass es ein Mythos ist – so wie vieles, was man über die Modular-Synth-Szene denkt. Tatsächlich habe ich durch die modulare Welt viele neue Freundschaften mit Musikern schließen können. Dafür bin ich wirklich dankbar.

Also kurz gesagt, ich ging eines Tages zu Schneidersladen für abendliche Workshops für Anfänger, ich betrat den Laden aber schon viel früher. Alles in allem verbrachte ich drei Stunden mit Thomas, der so nett war, mir zu erklären, wie die Dinger funktionieren. Ich war so aufgeregt, dass ich den Laden mit einem Gehäuse und fünf Modulen verließ, ich nahm nie an dem Workshop teil, fuhr einfach zurück und erkundete die Module selbst.

Panic Girl (Bild: Dirk Heilmann)

PG: Ha, tolle Geschichte. 🙂 Und du hast es von Schneider bekommen, schön! Das Epizentrum.

AOB: Ja, ich hatte mich völlig verliebt in die modulare Welt, aber es dauerte einige Zeit, bis ich mich davon wirklich überzeugen konnte, dass ich mit ihr arbeiten will. Als ich es dann aber erste Mal tat, gab es keinen Weg mehr zurück.

Was waren deine Impulse? Erzähl mir deine Geschichte.

PG: Vor etwa neun Jahren ging ich in unseren lokalen Musikladen Hieber Lindberg, nur um ein wenig nachzuschauen, was sie auf Lager hatten, das mich interessieren könnte. Als ich in der Synthie-Abteilung ankam, saß es einfach da und wartete auf mich: ein Doepfer 6U-System, das mit silbernen Modulen gefüllt war, direkt wie aus einem Sci-Fi-Film! Ich war total verliebt und musste es sofort haben, da gab’s kein Halten mehr für mich.

Seitdem bin ich quasi süchtig und habe es nie bereut. Es öffnete mir viele Türen, es befreite mich auch von einigen traditionellen Arten des Musizierens, einigen Grenzen, die ich in meinem Kopf hatte, als ob man nicht linear sequenzieren müsste! Das war eine wirklich neue Erfahrung für mich. Und auch, dass mit einem modularen Synthesizer Fehler oft das Beste sind, was passieren kann – zumindest im Studio, nicht auf der Bühne –, weil man dadurch oft klanglich erstaunliche Ergebnisse erhält.

Experimentieren macht viel Spaß, und ich bekomme so viele Sounds heraus, die ich mit einem Computer nie erreichen würde, obwohl ich auch gerne in Logic oder Ableton arbeite. Nicht falsch verstehen, aber für mich ist es wirklich befreiend, durch Hardware weniger eingeschränkt zu sein.

Und die ganze Modular-Community sind sehr coole und aufgeschlossene Leute mit vielen talentierten Künstler. Es macht einfach Spaß, dabei zu sein.

AOB: Da stimme ich dir völlig zu. Es ist fantastisch!

AOB: Danke, Martha, es war wirklich toll, sich mit dir zu unterhalten, auch wenn es nur über Skype war.

PG: Danke, Anna! Ja, das war wirklich schön!

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