Weniger Kopf, mehr Intuition

DJ Joris Voorn über sein neues Album Four!

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Joris Voorn (Bild: Jos Kottmann )

Der niederländische DJ Joris Voorn wurde für sein neues  Album  ‘\\\\’ (Four) von der europäischen Elektronikszene Mitte der 90er Jahre inspiriert. Das neue Werk reicht von bewährten Dancefloor-Tracks bis hin zu introspektiven Kompositionen. Gitarren reiben sich an zarten Synth-Arpeggios, Breakbeats kontrastieren seelenvollen Gesang, Piano-Töne gleiten über geisterhafte Hip-Hop-Rhythmen und klassischer Techno durchdringt atmosphärische Parts. Wir haben mit dem smarten DJ über seine Musik, analoge Synthesizer und seine Work-Life-Balance gesprochen.

Joris, du hast ein neues Album. Was kannst du uns über den Namen sagen?

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Das ist eine gute Frage! (lacht) Eigentlich ist es nicht wirklich ein Name, weil wir es einfach mit vier Backslashs schreiben. Man kann es nicht wirklich aussprechen oder bei Google suchen, deshalb haben wir noch einen alternativen Namen gesucht, der ist Four! Es gab keinen speziellen Grund dafür, außer, dass es mein viertes Album ist. Aber das war eigentlich auch Zufall.

Ich habe gelesen, dass du deine Inspiration aus der Elektronik-Szene Mitte der 90er beziehst. Um welche Acts geht es da?

Als ich zur elektronischen Musik kam, beschäftigte ich mich viel mit Bands wie Underworld, Leftfield, Blade, viele englische Techno-Acts. Es war der atmosphärische Sound von vielen Acts wie Ralf Hildenbeutel, die mich inspirierten. Ambience Music und Techno waren zu der Zeit ganz groß!

Wie gehst du an die Produktion deiner Musik heran?

Ich arbeite schon seit mehr als 10 Jahren in Ableton, ich mag die Plug-ins.  Vieles von der Musik für das neue Album entstand auf meinem Laptop während Flügen, da ich viel getourt bin und unterwegs war. Im Flugzeug hatte ich dann die Gelegenheit, mich auf die Ideen zu fokussieren und sie voranzubringen. Das hat trotz wenig Schlaf sehr gut geklappt, und nach den Gigs war ich auch immer sehr inspiriert. Das Album entstand also auf dem Weg von einem zum nächsten Gig und nach nachhause.

Man nutzt dabei weniger den Kopf, sondern eher die Intuition.

Nutzt du auch Hardware-Synthesizer?

Ja klar, auch für dieses Album! So sehr ich es mag, mit dem Computer zu arbeiten, so sehr mag ich es, mit „real machines“ zu arbeiten. Synthesizer oder Drum Machines verleihen der Musik nochmal einen anderen Vibe und eine andere Wärme. Man nutzt dabei weniger den Kopf, sondern eher die Intuition. In einem der Tracks habe ich den OB6 Hardware-Synthesizer genutzt. Den habe ich vor ca. einem Jahr gekauft und ich liebe ihn. Er ist so warm und klingt organisch. Ein anderer Synthesizer, den ich verwende, ist der Prophet 6. Er klingt etwas ähnlich, ist aber trotzdem ganz anders. (lacht) Natürlich nutze ich auch meinen Juno 106, das war mein erster Synthesizer, den ich 2000 gekauft habe. Ich verwende aber auch Sounds aus meinem Roland SH-101, den ich 2001 gekauft habe, und den ich lange nicht verwendet habe, da ich für seine Sounds die Software-Version TAL-101 einsetze. Das Plug-in ist auf all meinen Tracks, egal ob Bass-Lines, Arpeggios oder andere Sounds! Es klingt so nah am Original, das ist unglaublich. Trotzdem ist es mir wichtig, das echte Gerät reinzupacken, weil man an den Knöpfen einfach ganz anders Musik macht und Sounds generiert. Natürlich muss man auch alles selbst einspielen, da er nicht über MIDI verfügt.

Arbeitest du in einem Studio?

Ich habe mir in 2018 ein Studio in der Nähe von meinem Haus gebaut. Das ist echt schön. Davor hatte ich ein Studio in meinem Haus, dann sind wir allerdings umgezogen und ich konnte das Studio im neuen Haus nicht unterbringen. Jetzt habe ich ein Studio mit sehr viel Tageslicht, und das ist sehr wichtig für mich. Ich arbeite am Tag und möchte dann auch die Sonne fühlen oder das Tageslicht sehen. Es war mir wichtig, einen Raum zu schaffen, indem ich mich wohlfühle. Und der Raum klingt einfach unglaublich gut, natürlich wurde die Akustik angepasst. Nach all den Jahren Musikmachen bin ich froh, einen Raum zu haben, in dem alles stimmt. Das einzige Problem, was ich in diesem Raum habe, ist, dass er in Kombination mit meinen Barefoot Speakern fast zu gut klingt. Es ist egal, was ich mache, es klingt vom ersten Moment an unglaublich. Manchmal stelle ich dann im Club fest, dass es doch nicht so gut klingt, wie ich eigentlich gehofft hatte. Ich musste erst das Klangverhalten des Raums verstehen, um das Ganze an die Musik anpassen zu können.

Kannst du dokumentieren, wie der Arpeggio-Sound aus dem Track Dark entstand?

Das Arpeggio kommt aus dem Prophet 6. Am Anfang habe ich es mit dem TAL 101 gespielt, aber dann suchte ich nach etwas, das etwas musikalischer klingt. Der 101 klingt schnell nach einem Mono-Synth, aber ich wollte einfach breiter und spaciger klingen. Beim Prophet 6 gibt es die Stereo-Funktion und das funktionierte perfekt.

Die Kick-Drum ist das „Make-or-Break-Objekt“ im Song.

Im gleichen Track gibt es auch diese runde, fast samtige Kick! Woher kommt der Sound?

Für mich ist die Kick-Drum das schwierigste an einem Track. Die Kick-Drum ist das „Make-or-Break-Objekt“ im Song. Wenn du eine wunderschöne Melodie hast, die auf der Tanzfläche funktionieren soll, dann brauchst du eine Kick-Drum, mit der du das auch fühlst. Wenn du es aber übertreibst und die Kick zu hart ist, zerstört das komplett den Vibe der Musik. Also versuche ich sie immer präsent, aber nicht penetrant zu machen. Bei Dark und auch generell nutze ich viele nach 808 klingende Kicks. Die 808 ist allerdings generell auch etwas schwierig, da sie dem Bass im Track oft den Platz wegnimmt. Ich verbringe sehr viel Zeit damit, die Melodie und das restliche musikalische Arrangement an die Kick und die Bass-Line anzupassen, damit es nicht nur im Studio, sondern auch zuhause und im Club kraftvoll klingt. Die Strings und die Pads kommen aus einem Kontakt-Instrument von Native Instruments und die Bass-Line aus meinem Juno 106.

Wie sah die Zusammenarbeit mit dem britischen Trip-Hop-Outfit HÆLOS aus, mit denen du ein Feature auf deinem Album hast?

Das war wirklich spannend. Ich kannte sie gar nicht, bevor das Label sie vorschlug. Ich habe ihnen eine Demo-Version des Songs geschickt, und die Sängerin der Band hat wirklich eine tolle Stimme. Ich mochte sie direkt und fühlte auch, dass die Kombination aus meiner Musik und der Stimme wirklich großartig ist. Dann haben sie mir den Gesang geschickt und ich habe das Arrangement des Songs komplett umgestellt und an die Vocals angepasst. Wir haben also keine Zeit zusammen im Studio verbracht, aber ich habe sehr viel Inspiration aus ihrer Stimme gezogen.

Testest du die Songs vorher in deinem Live-Set?

Ja klar! Die Tracks, die ich unter der Woche produziere, nehme ich am Wochenende mit zu Gigs, höre sie vorher im Flugzeug oder im Hotel auf meinen Kopfhörern und baue sie dann auch in mein Live-Set ein. Das ist für mich ein wichtiger Part, um herauszufinden, wie der Track funktioniert, und wie er auf einer großen Anlage klingt. Und oft denke ich dann, die Kick ist zu fett oder zu dünn, oder es fehlt der Punsh! Mit diesen Erfahrungen gehe ich dann zurück ins Studio und passe den Sound an.

Es scheint mir, als seist du viel unterwegs. Du hast auch Familie und einen kleinen Sohn, wie bekommst du alles unter einen Hut?

Es ist sicher eine Herausforderung aber nicht unmöglich. Bei einer Karriere musst du draußen und präsent in der Musikszene sein. Auf der anderen Seite muss man auch schauen, dass man genug Zeit zuhause mit der Familie verbringt. Ich glaube, die Balance ist ok. Ich nehme mir jeden Monat ein freies Wochenende. Das mache ich schon seit längerem. Ich liebe es, zu spielen und auf Tour zu sein, aber ich liebe es auch, Zeit zuhause zu verbringen. Aber da ich ja von zuhause aus arbeite, und ich die Kinder von der Schule abhole, wenn ich kann, klappt das schon!

Vielen Dank für das Interview! 

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