The funkiest Instrument aller Zeiten!

Das Hohner Clavinet und sein Erfinder Ernst Zacharias

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(Bild: Jörg Sunderkötter)

Das Hohner Clavinet ist eines der beliebtesten Vintage-Keyboards. In der Musik der 60er- und 70er-Jahre spielt dieses Instrument neben Rhodes und Wurlitzer eine wichtige Rolle, und Weltgrößen wie Herbie Hancock, George Duke oder Stevie Wonder entwickelten damit einen unverwechselbaren funky Sound. Eigentlich aber müsste es „Zacharias Clavinet“ heißen …

Anfang August veranstaltete das Eboardmuseum in Klagenfurt eine Ausstellung rund um das Clavinet, zu deren Eröffnung auch der Entwickler anwesend war: Ernst Zacharias, der, wie sich herausstellte, für eine Menge anderer Instrumente aus dem Hause Hohner verantwortlich zeichnet. Angefangen von verschiedenen Melodicas über das Electra Piano bis zum Clavinet: Die von Herrn Zacharias geschaffenen Instrumente beschreiben eine Erfolgsgeschichte über mehrere Jahrzehnte und sind heute legendär.

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Einzelheiten erfuhr man während einer Führung durch das Eboardmuseum, wobei Herr Zacharias – inzwischen 87 Jahre alt – die Ausführungen von Eboard-Chef Gert Prix immer wieder mit Erklärungen und Anekdoten aus seiner Zeit bei Hohner ergänzte. Ein Dialog, wie er interessanter nicht sein konnte und im Wechsel von Gert Prix’ österreichischem und Herrn Zacharias’ norddeutschem Akzent äußerst amüsant zu verfolgen war.


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№2/3 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • Mit Mark Forster auf Tour
  • MANDO DIAO IM INTERVIEW
  • Amy Lives: Xanthoné Blacq
  • Ströme− Eurorack Clubbing
  • MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
  • Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
  • NONLINEAR LABS C15
  • AKAI MPC LIVE
  • GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Das erste Clavinet entstand in den 60er-Jahren und war fürs Wohnzimmer gedacht.  Ernst Zacharias ist selber Musiker und wollte ein Clavichord schaffen, das mithilfe eines Verstärkers höhere Lautstärken erzeugen sollte. Beim ersten Modell wurden die Saiten noch von unten angeschlagen, was bei härterem Anschlag die Stimmung der Saite auslenkte – man könnte den Effekt auch Pitch-Modulation mit polyfonem Aftertouch nennen … Aber das war natürlich nicht erwünscht, so entwickelte Ernst Zacharias einen anderen Anschlagmechanismus, wobei mit einem Stößel die Saite von oben auf eine Auflagefläche gedrückt wurde. Diesem Prinzip folgten sämtliche späteren Clavinet-Modelle. Ohne diesen Anschlagmechanismus wäre es gar nicht möglich gewesen, dem Instrument seine markigen Aspekte zu entlocken, die mit berühmten Stücken wie Superstition von Stevie Wonder oder Nutbush City Limits von Ike & Tine Turner untrennbar verknüpft sind.

Dennoch war das erste Serienmodell, das Hohner Clavinet 1, Mitte der 60er-Jahre zunächst für den Heimgebrauch gedacht – gediegene Optik im Holzfurnier. „In der Jugendzeitschrift Bravo“, so berichtete Gert Prix, „inserierte Hohner das Instrument zunächst noch ohne Nummer, weil man gar nicht davon ausging, dass es ein Nachfolgemodell geben wird.“

Das Instrument wurde aber schnell von den Beat-Bands entdeckt, sodass das Äußere des Folgemodells schon deutlich poppiger wirkte. Das Clavinet C war rotweiß und auch kompakter gebaut. Es wurde zu einem riesigen Erfolg und war z. B. das erste Modell, das schließlich auch Stevie Wonder einsetzte. Wie das Clavinet 1 konnte man beim Clavinet C mit zwei Wippschaltern den Klang variieren. „Und es gab eine Bohrung auf der rechten Seite“, ergänzte Herr Zacharias. „Es gab da immer so viele Brandstellen von Zigaretten. Also habe ich gesagt: ‚Da hängen wir einen Aschenbecher rein!‘ “ In Gert Prix’ Museum ist tatsächlich eine solche Modellvariante zu finden, allerdings mit dem Namen Beat-Spinett unter dem Label des Herstellers Echolette (leider ohne Aschenbecher).

Zum Mega-Erfolg und Inbegriff des Clavinet wurde aber das Modell D6: rotbraunes Holz mit schwarzem Tolex-Body und zusätzliche Filterschalter. Das Instrument war in abertausenden Band-Setups weltweit ein Standard-Keyboard, das gewöhnlich auf dem Fender Rhodes thronte. Außerdem kam der Schiebeschalter rechts neu hinzu, mit dem sich die Saitenschwingung dämpfen ließ. Der Sound wird dadurch zunehmend perkussiver und trockener – ein sehr beliebter Sound, den bis heute keines der unzähligen Presets in Keyboards, Modulen und Workstations auch nur annähernd überzeugend nachempfindet – wenn überhaupt, denn meistens wird diese Ausdrucksmöglichkeit des Instruments einfach unter den Tisch gekehrt.

Der Nachfolger des Clavinet D6 erschien mit der Bezeichnung E7. Das Design war sehr anders: Komplett in Schwarz getaucht, hatte das Instrument knuffige Seitenteile bekommen. Den krönenden Abschluss fand das Instrument mit dem Modell Clavinet-Pianet DUO, das dem E7 recht ähnlich sieht. Wie die Bezeichnung andeutet, vereint es zwei Instrumente in einem, und neben dem Clavinet besitzt es die E-Piano-Klangerzeugung des Pianet T – übrigens auch eine Erfindung von Herrn Zacharias. Hier werden winzige Klangzungen angeschlagen, die einen sehr glockigen Sound erzeugen. Das Clavinet-Pianet DUO kam in den 80er-Jahren heraus – eine Zeit, in der analoge Synthesizer erschwinglicher wurden und Instrumente wie Rhodes, Wurlitzer und Clavinet verdrängten. Das DUO ist daher nicht so verbreitet wie das Clavinet D6 und heute eine gefragte Rarität unter den Vintage-Keyboards.

Man muss sich vor Augen halten, welchen Erfolg die Serie dieser fünf Modelle beschreibt „Von Mitte der 60er bis in die 80er – das sind ca. 20 Jahre Clavinet“, stellt Gert Prix fest und fragt in die Runde, „welches Instrument aus der heutigen Zeit können Sie mir nennen, das über eine solche Zeitspanne existiert?“ Man fragt sich gleichermaßen, warum eine Firma wie Hohner Ernst Zacharias nicht die ihm gebührende Ehre und Anerkennung hat zukommen lassen, denn als Entwickler des Clavinet ist er heute nur eher Insiderkreisen bekannt. Damit teilt er das Los vieler bei einem Hersteller in Lohn und Brot stehenden Kollegen, aber man muss sich vergegenwärtigen, dass das Clavinet zu den berühmtesten Vintage-Keyboards gehört. Die Musik der 60er und 70er – von Beat, Soul, Funk über Disco bis zu Rock, Pop und Jazz – hätte ohne Ernst Zacharias’ Erfindungen sicher anders geklungen.

Der Name Clavinet ist heute in den Preset-Listen eigentlich jeden elektronischen Keyboards enthalten – ausnahmslos vom Spielzeugkeyboard bis zur Profiworkstation. Und erstaunlich ist, dass es viele Varianten dieses Klanges in digitaler Form gibt, die in der Praxis funktionieren, aber es gibt extrem seltene Exemplare, die überzeugen können. Der aus den verschiedenen Filter-Kombinationen resultierenden Klangvielfalt wurde erstmalig das Nord Electro 2 gerecht, das dank Waterfall-Tastatur sogar das das Spielverhaltens ein wenig authentisch macht.

Ganz ähnlich wie bei den beliebten Vintage-Pianos hat auch das Clavinet einige Insuffizienzen aufzuweisen, die für das Klang- und Spielverhalten so charakteristisch sind. Ein aktuelles und sehr ambitioniertes Samplingprojekt ist der Clavinet-Sound von Christian Frentzen – seine Rhodes- und Wurlitzer-Samples sind schon jetzt Legende. Erste Klangvergleiche zwischen Original und Sample hat Christian auf YouTube gestellt – wir sind jetzt schon gespannt, diesen beeindruckenden, ca. 1 GB großen Sound hoffentlich bald antesten zu können.

Weitere Erfindungen

Neben den Vintage-Keyboards Clavinet, Pianet und Electra Piano sind noch viele andere Instrumente und Ideen das Ergebnis von Ernst Zacharias’ Arbeit. Sehr früh befasste sich Ernst Zacharias mit Kirchenorgeln und entwickelte ein neuartiges Klangerzeugungsprinzip, das den modernen Orgelbau revolutionieren könnte, da es dynamisch spielbar ist. Er demonstrierte es bei seinem Vortrag im Eboardmuseum, wo auch der Prototyp ausgestellt ist. Erstaunlich: Es handelt sich lediglich um ein simples Kunststoffrohr, in dem sich eine Klangzunge befindet. Durch unterschiedliche Anblasstärken kann dieses System nicht nur in der Lautstärke variieren, sondern auch den Obertongehalt. Es erzeugt einen kräftigen und warmen Sägezahn- ähnlichen Ton, der schon fast wie ein Blasinstrument losschmettern kann. Sogar ein Klangerzeugungsprinzip, das auf Basis von elektroakustischer Rückkopplung eine Orgelpfeife ganz ohne Luftstrom Töne erzeugen lässt, präsentierte Ernst Zacharias als eine seiner aktuellen Erfindungen. Alles folgt eigentlich doch sehr einfachen Schwingungsprinzipien, trotzdem: einfach genial!


Eboardmuseum

(Bild: Jörg Sunderkötter)

Das Eboardmuseum in Klagenfurt am Wörthersee ist Europas größtes Museum mit dem Schwerpunkt elektronische Tasteninstrumente. Gert Prix und sein Team haben hier auf ca. 1.700 qm über tausend Exponate zusammengestellt, die die Entwicklung der verschiedensten Keyboards ausführlichst dokumentieren. Darunter finden sich wirklich außergewöhnliche Stücke, beispielsweise das erste Hammond-Modell, die berühmten Transistororgeln von Vox und Farfisa, der weltweit erste Minimoog und viele andere legendäre Synthesizer von ARP, Sequential Circuits, Yamaha, Oberheim, Roland, Korg bis hin zu den digitalen Instrumenten wie Kurzweil und Fairlight. Ebenso finden sich hier Heimorgeln und Combo- Orgeln sowie natürlich auch E-Pianos wie Rhodes, Wurlitzer in vielen und teils extrem seltenen Modellvarianten.

(Bild: Jörg Sunderkötter)

Die Sammlung ist so umfangreich und ausführlich – für einen Besuch sollte man viel Zeit mitbringen. Auf keinen Fall sollte man sich die Führungen mit Museumsgründer Gert Prix entgehen lassen, denn er weiß nicht nur, detailreich über die Instrumente zu berichten, sondern kann sie auch stiltypisch und beeindruckend virtuos spielen

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