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Yamaha YC88 – Stagekeyboard der Premiumklasse im Test

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(Bild: René Marx)

Die essenziellen Must-Haves des gemeinen Bühnenkeyboarders dürften sich in der Regel in variablerer Gewichtung aus der klanglichen Dreifaltigkeit Klavier, E-Piano und Orgel zusammensetzen – angereichert um Synthesizer- und Akustik-Sounds in haushaltsüblichen Mengen. Ausgestattet mit pragmatischen Controller- und Anpassungsmöglichkeiten erhält man schließlich ein Instrument, das den Begriff Stagekeyboard mit dem füllt, was man heutzutage darunter versteht.

Je mehr Anforderungen man gerecht werden möchte, desto höher sollte man auch den qualitativen Anspruch an die Umsetzung ansetzen. Yamahas YC-Serie möchte in dieser Hinsicht eine kompromisslose Lösung vorstellen, die keine Wünsche offen lässt. Ist das gelungen? Die jüngsten Modelle YC73 und YC88 erweitern den Anwendungsbereich des Orgel-affinen Wegbereiters YC61 auf jeden Fall noch mal deutlich um den bisherigen Kompetenzbereich der CP-Reihe.

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Grundlegendes

Technisch gesehen sind die drei solide konstruierten Geschwistermodelle YC61, YC73 und YC88 erst einmal vollkommen identisch. Was sie im Wesentlichen unterscheidet, sind Tastenanzahl sowie mittlerweile drei Tastatur-Varianten. Während die 61er-Version mit einer ausgezeichneten Waterfall-Tastatur glänzt, erweitern YC73 und YC88 das Portfolio um die Klaviaturen der pianesquen Geschwistermodelle CP73 und CP88. Von Letzterem erbt unser Proband die gewichtige und luxuriös zu spielende Holz-Komposit-Klaviatur des Typs NW-GH3 (Natural Wood Graded Hammer). Als klangliches Grundgerüst stehen mit Yamahas VCM(Virtual Circuit Modeling)-Engine, der bekannten AWM2-Engine und einer FM-Klangerzeugung gleich drei ausgesprochen potente Technologien bereit.

Anschlussfertig: Das YC88 bringt alles mit, was man sich auf der Bühne oder im Studio wünscht. (Bild: René Marx)

Konzept & Vision

Sowohl das Stahlgehäuse als auch die insgesamt robuste Verarbeitung des YC88 lassen keine Zweifel daran, dass dieses Instrument für die Bühne und alle damit verbundenen tagtäglichen Widrigkeiten konzipiert wurde. Die klar strukturierte Oberfläche des Instruments sowie die damit einhergehende Top-Level-Bedienung sind ebenfalls perfekt auf die Bedürfnisse eingefleischter Live-Performer zugeschnitten. Kennern skandinavischer Stagekeyboard-Kultur wird dieser puristische Ansatz bekannt vorkommen, Yamaha interpretiert diesen aber auf eine vollkommen eigene Art und Weise. Vom Design her treffen analog zur CP-Serie auch beim YC88 Vintage-Elemente auf das familiäre Erbe der Synthesizer-Modelle Montage und MODX. Neben einem messerscharfen OLED-Screen, LED-bekränzten Encodern und zweistelligen alphanumerischen LED-Anzeigen fallen vor allem die perfekt umgesetzten Drawbars mit LED-Kette und transparentem Mittelelement ins Auge – da weiß man, wo man steht!

Die von der Optik geweckten hohen Erwartungen werden auch haptisch nicht enttäuscht. Zugriegel, Drehknöpfe und Schalter fühlen sich enorm hochwertig und langlebig an. Geschmackssache ist hingegen die Integration von Pitch- und Mod-Whee… äh … Stick als stylische Edelstahl-Pins. Auch wenn sich die Bedienung in der Praxis als durchaus praktikabel erweist, hätte ich mir hier doch ein bisschen mehr Material unter den Fingern gewünscht. Sometimes design doesn’t follow, but hollows function!

Alles außer Orgel: die Keys-A/B-Sektion des YC88 (Bild: René Marx)

Schön gelöst wurde das Ein- und Ausschalten der Soundsektionen (Orgel, Keys A/B) und Effekte über Kippschalter, die im Falle der YC-Modelle als zurückfedernde Umschalter mit Vintage-Faktor umgesetzt wurden. Beim Schalten werden diese also immer in die gleiche Richtung (nach oben) betätigt. Auch wenn dies für den Live-Einsatz die richtige Wahl gewesen sein dürfte, hätte ich mir persönlich aus rein haptischen Gründen an dieser Stelle einen klassischen On-Off-Toggle gewünscht.

Toggle-Schalter: Vintage-Feeling pur! (Bild: René Marx)

Konnektivität deluxe

Anschlussseitig bleiben beim YC88 nahezu keine Wünsche offen. Abgesehen vom Kopfhöreranschluss und dem obligatorischen Klinke-Ausgangspaar (unsymmetrisch) hält das Instrument auch symmetrische XLR-Anschlüsse bereit (nur YC73 und YC88). Das In-Out-MIDI-Doppel wird von einem DAW-bereiten bidirektionalen USB-Anschluss (Audio & MIDI) sowie einem USB-A-Port zum Anschluss eines Speichermediums ergänzt. Darüber hinaus bietet das Rückpanel über einen AUX-IN eine Anschlussmöglichkeit für externe Stereoquellen, zwei mögliche Foot-Controller sowie einen Sustain- und einen zuweisbaren Pedalanschluss. Ein rundherum vorbildliches Setup, das im Studio oder auf der Bühne sogar in der Lage ist, ohne ein zusätzliches Audio-MIDI-Interface mit einem Host-Rechner oder Tablet zu kommunizieren.

Orgelkonzert, Klaviersession oder Gitarrensolo

Die Engines der YC-Serie haben so einiges in petto. Vor allem Yamahas Virtual Circuit Modeling spielt bei der Umsetzung der integrierten elektromagnetischen und transistorbasierten Orgelklassiker seine ganze Stärke aus. Das Vintage-Sound-Spektrum zwischen Tonewheel und Transistor wird perfekt mit allen Macken und Eigenheiten (beispielsweise Übersprechung der Tonabnehmer/Leakage) der Originale virtualisiert wiedergegeben, womit sich die Orgelsimulationen inklusive Key-Click, Percussion, Chorus und Vibrato in puncto Authentizität klar und unverkennbar von der Samplefraktion abheben. Die Interaktion mit den nicht nur stylischen, sondern auch in exzellenter Haptik umgesetzten LED-Drawbars krönt das Erlebnis zudem auf vorbildliche Weise. Angereichert mit etwas Drive und der richtigen Portion Leslie kommt im Handumdrehen echtes Hammond-Feeling auf, an dem wahrscheinlich auch Jimmy Smith und Jon Lord ihre Freude gehabt hätten. Auch wenn das Orgelspiel über die Hammermechanik-Tastatur des YC88 überraschend viel Spaß macht, hat eine wie beim YC61 verbaute Waterfall-Tastatur für ausgedehnte Grinds doch live immer noch deutlich die Nase vorn. Wer es einrichten kann, sollte daher für den nächsten Gig mit seinem YC88 noch eine zusätzliche leichte Keyboard-Tastatur als organistisches Beiboot mit einplanen.

Geschmackssache: Pitch- und Modulations-Controller-Umsetzung (Bild: René Marx)

Aber auch die von CP73/88 übernommene Piano- und E-Piano-Rubrik kann sich sehen und hören lassen. Als echtes Highlight sei hier natürlich die ganze gesampelte Herrlichkeit von Yamahas CFX 9′-Flügelboliden mit seiner eindrucksvollen Dynamik und klanglichen Variabilität genannt. Aber auch das seit dem OS-Update auf Version 1.1 hinzugekommene und unter Zuhilfenahme authentischer Bandmaschinentechnik abgenommene Nashville C3 Grand-Piano entfaltet mit seinem warmen Sound einen ganz besonderen und individuell einsetzbaren Charme. Leider wurde analog zur CP-Serie auch bei den YCs auf die Integration Sympathetischer Resonanzen sowie die Reproduktion charakteristischer Nebengeräusche wie Dämpfer und Pedal verzichtet. Während das Fehlen Letzterer bei einem Stagepiano gut zu verschmerzen ist, gehört die authentische Umsetzung von Saitenresonanzverhalten mittlerweile doch eigentlich schon zum guten Ton.

Bei einem Stagekeyboard aus dem Hause Yamaha dürfen neben Bühnenklassikern wie Rhodes und Wurli natürlich weder FM-Pianos noch eine digitalisierte Variante des elektrifizierten Bühnenveteranen CP80 fehlen. Abgerundet wird das Setup mit exklusiven Instrumentalsamples, Synthie-Pads, Strings und Bässen aus dem »Bread & Butter«-Fundus der Montage-Synthesizer-Libraries.

Ein echter Hingucker: die exklusiven LED-Drawbars mit transparentem Mittelelement (Bild: René Marx)

Folge deiner Intuition

Die Bedienung des YC88 ist im Prinzip durch die Bank weg selbsterklärend. Die der Orgelsektion gegenübergestellte Keys-Abteilung operiert mit den zwei identisch aufgebauten und parallel nutzbaren Slots Key A und Key B, die sich sowohl mit individuellen Sounds als auch Effekten ausstatten lassen. Neben der Möglichkeit, zwischen beiden Bänken hin und her zu schalten, lassen sich diese auch layern oder unterschiedlichen Split-Bereichen zuweisen.

“SCHÖN GELÖST WURDE DAS EIN- UND AUSSCHALTEN DER SOUNDSEKTIONEN (ORGEL, KEYS) UND EFFEKTE ÜBER KIPPSCHALTER, DIE IM FALLE DER YC-MODELLE ALS ZURÜCKFEDERNDE UMSCHALTER MIT VINTAGEFAKTOR UMGESETZT WURDEN.”

Über die Live-Set-Funktion ist es möglich, bis zu 20 verschiedene Seiten abzulegen, in welchen sämtliche Einstellungen des Instruments inklusive Sounds, Effekten sowie externer Programmwechselbefehle als komplettes Setting gespeichert und im richtigen Moment wieder geladen werden. Ein wirklich umfangreiches Total-Recall-Feature, das vor allem Band-, aber auch Studio-Keyboarder zu schätzen wissen dürften.

(Bild: René Marx)

Resümee

Das 88-tastige Yamaha YC88 hat das Zeug, die Profiklasse live-orientierter Stagekeyboards am Markt mehr als gründlich aufzumischen. Das Instrument liefert höchste Flexibilität, gepaart mit praxisgerechter Simplizität, ohne dabei klangliche Kompromisse einzugehen. Die Klaviatur bietet darüber hinaus einen wirklich exklusiven Spielkomfort – nicht nur zusammen mit Grand-Piano-Samples. Zudem erhält man mit den Modellen der YC-Serie analog zu den bereits länger erhältlichen CP-Stagepianos ein umfangreiches Update-Pflegeversprechen des Herstellers, welches nicht nur kleinere Optimierungen, sondern komplette Sounderweiterungen per Software mit echtem Mehrwert in Aussicht stellt. Alles in allem präsentiert sich das YC88 als rundherum professionelles Bühnenwerkzeug – allerdings auch zu einem entsprechenden Preis.

Hersteller/Vertrieb: Yamaha
Maße (B x H x T): 1.298 mm x 142 mm x 364 mm
Gewicht: 18,6 kg
Preis: 2.750,– Euro
Internet: www.yamaha.com

Unsere Meinung:
+++ Konzept
++ Sound
+++ Qualität & Verarbeitung

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