Vintage Park

Yamaha SK 20 Symphonic Ensemble (*1979)

Anzeige

Der isländischen Band Sigur Ros geht es beim Produzieren weniger um den Song als darum, eine atmosphärische Dichte zu schaffen, die einen einsaugt. Mit ihrem im Jahr 2000 von Fat Cat Records international veröffentlichten Album Agaetis Byrjun überzeugte die Postrock-Band nicht nur die Kritiker mit ihrem ganz eigenen Sound, der so wohl nur im hohen Norden entstehen kann.

13
Yamaha SK 20 Symphonic Ensemble (*1979) (Bild: Dieter Stork)

Bei Sigur Ros kommen diverse Keyboards zum Einsatz, neben einem Roland Juno-106, einem Yamaha VSS-30-Sampler und einer Hammond B3 auch ein Yamaha SK 20 (vor allem auf den ersten Alben der Band), ein Vintage -Keyboard, das heute nur noch selten benutzt wird. Sigur Ros nahmen das Instrument auch auf die Bühne mit und waren so angetan von seinem Klang, dass man sich direkt drei Stück zugelegt hat. Der SK 20 gehört zu einer Serie von Multikeyboards mit analoger Klangerzeugung, die Yamaha ab 1979 bis in die frühen 80er-Jahre fertigte. Multikeyboards waren in den späten 70er-Jahren beliebt, denn sie boten schnellen Zugriff auf eine breite, meist polyfone Soundpalette, die damals nur mit mehreren hochpreisigen Tasteninstrumenten realisierbar gewesen wäre. Das Gerät bietet eine gut ausgestattete Orgelsektion, einen polyfonen Synthesizer mit einem Oszillator und eine einfache Stringsektion. Alle polyfonen Sektionen sind siebenstimmig.

Anzeige

Die SK-Familie

Die SK-Synthesizer von Yamaha waren die Nachfolger der SS 30 Stringmachine und bieten mehrere verschiedene analoge Klangerzeugungen. Der kleinste Spross der Familie ist der SK 10, der nur über Orgel-, String- und Brass-Sektion verfügt. Er wurde später durch den konzeptionell ähnlichen, aber leicht verbesserten SK 15 ersetzt. Der SK 20 bietet ähnliche Features wie der SK 10, allerdings wurde die simple Brass-Sektion des Vorgängers durch einen polyfonen Synthesizer ersetzt. Beim damals 4.400 Mark teuren SK 30 kommt dann noch eine monofone Lead-Synth-Sektion dazu. Ziemlich monströs ist der SK 50 D, der neben einer zweiten Tastatur zusätzlich über eine Bass-Klangerzeugung verfügt. Außer den Strings bieten alle polyfonen Sektionen der SK-Serie neben der manuellen Registrierung zwei bis drei Preset-Sounds.

Äußeres

Charakteristisch für die SK-Serie sind die ultrabreiten furnierten Holzwangen und das slicke Design mit dem angeschrägten Bedienfeld. Es wirkte einerseits futuristisch, ist aber u. a. durch die Farbgebung irgendwie noch ein wenig im Orgelmilieu verhaftet, sodass der Eindruck einer Space-Age-Heimorgel entsteht, die dem Gelsenkirchener Barock nicht ganz entkommen kann. Das fünfoktavige (vier Oktaven beim SK 10) Keyboard ist sehr leichtgängig und lässt sich gut spielen; der SK 30 bietet sogar Aftertouch, der auf die Filtereckfrequenz der Synths und das Vibrato geroutet werden kann. Außerdem stehen diverse Split-Kombinationen zur Verfügung. Die Klänge lassen sich in der Master-Sektion stufenlos mischen und z. T. auch gegeneinander verstimmen.

Orgel

Die Orgelsektion orientiert sich an klassischen Hammond-Orgeln und bietet relativ viele Parameter: Es gibt neun Fader für die Fußlagen (16′, 8′, 51/3′, 4′, 22/3′, 2′, 1′), die nach dem Zugriegel-Vorbild gestaltet sind, sodass der Sound beim Hochschieben der Regler leiser wird, was den Normal-Keyboarder im ersten Moment verwirrt, den Orgler aber erfreut, da er die Fader wie echte Drawbars zur Klangformung kneten kann. Zwei weitere Fader und ein DECAY-Regler stehen zur Einstellung des Percussion-Registers zur Verfügung. Außerdem findet man noch einen BRILLIANCE-Regler, zwei Hüllkurvenschalter (DECAY und SUSTAIN) und einen SUSTAIN-Fader.

Polysynth

Der Polysynth verfügt über einen Oszillator mit sechs Standard-Wellenformen in verschiedenen Fußlagen und einem Lowpass-Filter mit Resonanz. Es arbeitet als Tiefpass-Filter mit 12 dB Absenkung pro Oktave oder als 6-dB-Bandpass (Letzterer allerdings nur mit einem Sägezahn in 8′-Fußlage). Das Filter klingt schön kraftvoll und rund, was nicht verwundert, da es ein naher Verwandter des Filters der CS-Serie (CS-80 etc.) ist. Außerdem ist der Polysynth mit einer ADSR-Hüllkurve und einem LFO mit Sinus-Wellenform ausgestattet. Alle sieben Stimmen müssen sich allerdings das Filter und die Hüllkurve teilen, was die Leistungsfähigkeit dieser Sektion bei mehrstimmigem Spiel etwas einschränkt.



Strings

Viele Musiker schätzen die SK-Synths vor allem wegen der gut klingenden Strings. Sie lassen sich in zwei Oktavlagen betreiben und teilen sich mit dem Polysynth zwei Schalter zur Aktivierung der Decay- und Release-VCA-Hüllkurve.

Effekte

Für die Sektionen Orgel, Polysynth und Strings lassen sich Vibrato-, Tremolo- und Ensemble-Effekte zuschalten. Insbesondere der wunderbare Ensemble-Effekt gibt den Klängen eine samtige Weite, die ein wenig an Korgs Polysix erinnert; da nimmt man dann auch gern ein wenig Rauschen in Kauf.

Sound

Multikeyboards sind eine merkwürdige Spezies: Beim Erstkontakt bekommt man einen mittleren Kalorienschock wegen des erhöhten Cheese-Faktors, dann aber kann man sich der Faszination nicht mehr entziehen und wird direkt in die 70er-Jahre gebeamt. Die Strings erinnern ein wenig an Jean Michel Jarre und klingen wie eine Mischung aus Solina Strings und Crumar Multiman. Sigur Ros’ Keyboarder Kjartan Sveinsson ist ein großer Fan des runden und weichen SK-Orgelsounds und setzte ihn häufig ein. Wenn man ein Leslie anschließt und es ein wenig verzerrt, kann man sogar eine passable Hammond-Kopie erzeugen.

Der Polysynth klingt trotz seiner Limitationen kraftvoller als die Synth-Sektionen vieler anderer Multikeyboards. Er profitiert genauso wie der Monosynth vom organischen Klangcharakter der Oszillatoren und des Filters. Ein bisschen schade nur, dass die Filterresonanz nicht bis zur Eigenschwingung reicht und die Hüllkurven nicht die aller schnellsten sind. Das Zauberwort heißt aber hier genauso wie bei den meisten Multikeyboards: Layern! Erst wenn man die soliden, aber nicht wirklich spektakulären Soundblöcke übereinander legt, geht richtig die Sonne auf und man taucht in ein Sounduniversum ein, das virtuell nur aufwendig nachzubauen ist. Nicht unwichtig ist dabei auch der gute Ensemble-Effekt, der vor allem den Strings und der Orgel erst die richtige Politur gibt.

Der SK 20 wurde uns freundlicherweise von Thorsten Scholz zur Verfügung gestellt, der bei eBay den Xtractor-Music-Shop (www.ebay.de/sch/xtractor-music/m.html) betreibt und neben Neugeräten immer wieder schöne Vintage-Geräte mit Garantie anbietet. Das Gerät wurde von Sebastian Czech (www.musikelektronik-halle.de) fachgerecht restauriert. Für den SK 30 bedanken wir uns bei den Nukeblaster Girls.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.