E-Piano Deluxe

Vintage Vibe Electric Piano 73 im Test

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Fender Rhodes – das ist der E-Piano-Sound schlechthin, und die Modelle Mark I und Mark II sind die Kult-Instrumente überhaupt. Gut erhaltene Original aus den 60ern und 70ern werden zu Höchstpreisen gehandelt, und je nach Zustand können Anschaffung und Restauration ein teurer Spaß werden. Dank des Herstellers und Ersatzteilevertriebs Vintage Vibe aus New Jersey, USA kann man aber auch ein echtes elektromechanisches Instrument kaufen, das dem Rhodes in vielen Details gleicht…

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Schickes Design und originalgetreue Details: Das Sustain-Pedal sieht aus wie bei einem alten Rhodes, ist aber deutlich leichter. Die mechanische Übertragung der Bewegung erfolgt über eine Teleskopstange mit Flügelschraube.

Es gibt einige Situationen, in denen man gern auf digitale Simulationen zurückgreift, die z.B. von Nord Stage oder Nord Electro in sehr guter Qualität geboten werden. Auch gibt es einige Software-Lösungen, die in der digitalen Musikproduktion sehr gut funktionieren. Aber das real thing ist das natürlich alles nicht, es beginnt ja schon bei dem speziellen Spielgefühl eines echten Rhodes.

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Mechanisch betrachtet ist die Rhodes-Tastatur das simpelste, was man haben kann – da sind selbst die preiswerteren aktuellen Masterkeyboards mit Pianotastaturen weit überlegen. Aber: Jeder erfahrene Rhodes-Spieler wird bestätigen, dass man auf einem echten Rhodes einfach anders spielt und sich musikalisch besser ausdrücken kann als auf jeder noch so guten Hammermechanik-Tastatur,die einen digitalen Sound steuert. In unserer Story im KEYBOARDS-Special über Vintage Instrumente nennen die beiden E-Piano-Experten Jens Lübke und Tom Wauch als gewichtigen Faktor, dass man beim echten Rhodes ein spezielles taktiles Feedback bekommt, da sich die mechanische Eigenschwingung auf Gehäuse und Tastatur überträgt.

Nicht wie neu, sondern funkelnagelneu!

Hier kommen die Jungs von Vintage Vibe ins Spiel, die durch Restauration und Reparatur die Originale bis ins kleinste Detail kennen. Da sie als weltweiter Hersteller und Vertrieb von Ersatzbauteilen ohnehin schon Zugriff auf alle Einzelteile hatten, war der Gedanke nicht fern, ein neues Electric Piano zu konstruieren, das inzwischen in drei Größen (44, 64 oder 73 Tasten) und verschiedenen Modellvarianten angeboten wird. Den Vertrieb der Instrumente hat in Deutschland EMC – Electronic Music Components übernommen, der auch als offizielle Vertretung von für Moog und Mellotron bekannt ist (www.emc-de.com).

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Sieht alles aus wie bei einem Fender Rhodes. Aufbau und Form der Tine/Tonebar-Harfe weicht aber zugunsten des geringeren Gewichts ab.

Mega-cooler Look!

Zum Testen bekamen wir das 73er Electric Piano mit aktiver Elektronik und Sparling-Top-Gehäuse. Die Bezeichnung „Deluxe“ trifft den Nagel auf den Kopf, denn das Piano sieht einfach nur edel aus. In schönes Bühnenlicht getaucht funkelt es nur so – pure Magie ist das. Unterstrichen wird das edle Äußere durch den Vintage-Look der Bauteile und Bedienelemente, die spiegelnde Frontblende und die plastische Beschriftung.

Vom Design erinnert es ein wenig an ein Wurlitzer, aber das Vintage Vibe klingt durch und durch wie ein Fender Rhodes – und es spielt sich auch so. Auch wenn man spontan sagen würde, die Tasten spielen sich etwas härter als die eines echten Rhodes, sollte man sich nicht täuschen lassen: Die Holztasten und die Mechanik sind genauso aufgebaut wie beim Original, nur ist eben alles neu und nicht über 40 Jahre eingespielt. Das Vintage Vibe spielt sich angenehm und leichtgängig – wer ein eher träge reagierendes Mark I spielt, wird sich hier vermutlich umgewöhnen müssen.

Transportfreundlich?

So einfach wie das Rhodes lässt sich das Vintage Vibe nicht mit einem Deckel für den Transport verschließen. Die vier verchromten Beine und das Sustain-Pedal muss man ebenfalls verstauen, da sollte man ein entsprechendes Case beim Kauf gleich mit einplanen. Wer das Instrument hingegen auf dem Rücksitz seines PKW transportieren kann, wird sich über das deutlich geringere Gewicht freuen: Das Vintage Vibe ist nämlich längst nicht so ein Schwergewicht wie ein Rhodes. Es ist dabei auch so kompakt und robust gebaut, dass man es durchaus selber vom Auto in den Proberaum schleppen kann.

Die Gewichtsersparnis ist auch auf innere Details zurückzuführen, so ist die Harfe der Tines/Tonebars aus Birkenholz schmaler geschnitten als beim Original. Ansonsten sieht die Klangerzeugung so aus wie bei einem Rhodes – lediglich ist die Harfe durch zwei Metallstreben mit dem Gehäuseboden fest verschraubt, um Stabilität zu gewährleisten. Ob und wie sich diese Abweichung auf die mechanischen Schwingungseigenschaften des Instruments auswirken mag, ist schwer zu beurteilen. Das Sustain der Töne ist so wie man erwartet und das Instrument spielt sich hervorragend.

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Zwei Metallstreben stützen die Tine/Tonebar-Harfe im mittleren Bereich.

Passiv oder aktiv?

Vintage Vibe bietet das Piano auch mit passiver Elektronik an, das sich im Prinzip wie ein einfaches Fender Rhodes verhält. Es benötigt keine Stromzufuhr und bietet neben Volume aber eine 2-Band-Klangregelung. Die aktive Elektronik unseres 73ers beinhaltet einen Preamp mit Klangreglung (Bass/Treble) und einen Tremolo, der sich in Geschwindigkeit und Stereobreite (mono bis extrem left/right) stufenlos einstellen lässt.

Wer nicht schon einen Preamp wie z.B. den TRamp von www.tasteundtechnik.de oder den Suitcase von Reußenzehn hat, der sollte auf jeden Fall die aktive Elektronik vorziehen, denn man ist damit klanglich sehr flexibel. Mit unserem Testgerät ließen sich drahtige und obertonreiche Sounds (wie z.B. typisch für George Dukes Rhodes-Sound) und ebenso knochentrockene Sounds problemlos nachvollziehen. Und überhaupt der Tremolo, das klingt einfach cool.

Der Preamp bietet außerdem mehrere Grundeinstellungen: Man kann zwischen Classic- und FET-Mode wechseln oder auch beide Charakteristiken gleichzeitig nutzen. Dafür muss man allerdings das Gehäuse öffnen und die DIP-Schalter auf der Platine entsprechend einstellen.

An der Unterseite befinden sich die Anschlüsse, neben einem Stereo-Audio-Ausgang finden sich hier Send- und Return-Buchsen. Wer das Instrument eher zu Hause spielen möchte, kann einen Kopfhörer anschließen und schleift dann vielleicht einen Multieffekt mit Reverb ein – der Insert-Weg ist zwar mono ausgelegt, aber mit diesem kleinen Manko kann man sicher leben, zumal das Ganze praxisnah ist, denn in erster Linie wollen hier Wah-Pedal, Ringmodulator, Phaser & Co eingeschleift werden.

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Identisch mit dem Rhodes sind die Holztasten und Hämmer des Vintage Vibe.

Tuning

Damit kommen wir zu einem Feature, das das Fender Rhodes so berühmt gemacht hat. Man kann relativ einfach auf den Grundklang Einfluss nehmen, indem man die Pickup-Positionen und die Tine-Winkel davor justiert. Auch das Nachstimmen über die Tine-Federn kann man mit etwas Geschick durchaus selber machen. Die Möglichkeit der Intonation ist neben den verschiedenen Baureihen ein Grund, warum es so viele verschiedene Rhodes-Sounds gibt.

Die Bedienungsanleitung beschreibt die Klangerzeugung des Vintage Vibe Instruments sehr detailreliert, wer also in die Intonation des Rhodes einsteigen möchte, kann hier loslegen. Allerdings muss man zum Öffnen des Deckels drei Schrauben an der Unterseite herauslösen, um an die Klangerzeugung zu gelangen. Das geht bei einem alten Rhodes einfacher.

Fazit

Den Kultstatus eines echten Rhodes wird ein Instrument von Vintage Vibe vermutlich nie haben. Dennoch muss man klanglich und spieltechnisch auf nichts verzichten, außerdem sollte das tolle Design den Kultfaktor allemal wettmachen. Das Vintage Vibe mit Sparkling Top ist ein echter Hingucker und sollte in jedem Jazzclub auf der Bühne stehen.

Wer als Kenner ein Vintage Vibe mit einem alten Rhodes vergleicht, wird sicher auf viele Details stoßen, in denen sich die Instrumente unterschieden. Wer z. B. im Vintage Vibe den zu 100% identischen Sound eines frühen Mark I sucht, wird vermutlich eher enttäuscht sein, der Blick ins Innere des Vintage Vibe zeigt warum: Der Aufbau der Klangerzeugung entspricht den neueren Mark-II-Modellen, entsprechend „moderner“ klingt auch das Vintage Vibe. Es ist im Ganzen obertonreicher im Sound als ein Mark I und hat je nach Einstellung des Treble-Reglers auch einen schönen Glockenanteil. Mit dem Preamp unseres Testgeräts ließen sich diese Charaktereigenschaften sehr gut herausarbeiten. Wer den coolen Mark-I-Sound liebt, kann sich mit Hilfe der Klangregelung annähern – aber diese Smoothness hat das Vintage Vibe letztendlich nicht zu bieten.

Dennoch: Das Vintage Vibe zu spielen ist ein Genuss! Den Unterschied zu digitalen Simulationen bekommt man dabei unmittelbar zu spüren, denn sowohl im Grundsound bis hin zu den nuancenreichen Ausdrucksmöglichkeiten fühlt man ihn – den unverkennbaren Vintage Sound!

Okay – beim Preis von deutlich über 5.000 Euro (UvP für die aktive 73er-Version) muss man erst mal tief Luft holen, aber die Straßenpreise liegen deutlich darunter – am besten beim Händler nachfragen. Grundsätzlich darf nicht aus den Augen verlieren, dass man es hier mit einem mechanischen Instrument zu tun hat, das in Handarbeit gefertigt wird. Ein Instrument von Vintage Vibe ist keine Massenware, sondern wie ein Rhodes eben ein Einzelstück. Und nicht zuletzt begeistern der tolle Sound und das schicke Design.

Hersteller- und Produktinfos

Hersteller/Vertrieb

Vintage Vibe / EMC

Internet: www.emc-de.com

(Leider ist das Piano derzeit nicht in Europa erhältlich. Bei Interesse muss es direkt beim Hersteller in den USA erworben werden.)

Pro und Contra

+  Überzeugender Remake des Fender Rhodes

+  toller, authentischer Sound

+  klanglich flexibel dank aktiver Elektronik

+  edler Look

–   Spielgefühl der Tastatur etwas hart

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