Innere Werte zählen

Vintage Park: Solton Projekt 100

Anzeige

Solton ist ein Name, den viele Synth-Liebhaber nicht auf dem Schirm haben, obwohl die Firma eine Reihe interessanter Vintage-Geräte inklusive eines klangstarken Analog-Boliden herausgebracht hat.

Anzeige

Solton wurde in Pocking in Süddeutschland 1972 von Josef Sperl gegründet. Gefertigt wurden anfangs vor allem Verstärker, Boxen und Rotorkabinette. Die wachsenden Umsätze ermutigten Sperl, neue Wege zu beschreiten, und Solton stieg 1977 mit der in Ancona ansässigen, italienischen Partnerfirma CRB in die Produktion von Orgeln ein. Zu den ersten Ergebnissen der neuen Produktlinie gehört die professionelle Stage-Orgel Solton B 1000, die auch als Heimmodell von Monarch angeboten wurde. Sie wurde von CRB-Chef-Designer Sandro Fontanella in Zusammenarbeit mit Josef Sperl entwickelt und verkaufte sich sehr gut.

1981 trennte sich Solton von CRB, und es kam zu der Neugründung der Firma Ketron mit Beteiligungen von Solton und dem Entwicklungsteam von CRB. Es folgte eine neue Version des Orgelschlachtschiffs, die mit einem einfachen monofonen Synthesizer und einer aufwendigen Begleitautomatik (beide mit analoger Klangerzeugung) mit dem zukunftsfrohen Namen »Computer Band 2000« bestückt war.

Die begehrte Expanderversion
SM 100 ist mit einem
27″-Gehäuse (statt 19″) nicht
wirklich Rack-kompatibel.

Innenansicht des Solton SM 100 mit sechs Voice-Cards

Solton Gründer Josef Sperl ist einer
der ersten, der Rotor-Kabinette in
Europa gefertigt hat.

Auf der Rückseite des SM 100 findet man neben dem Stereoausgang ein MIDI-Trio, ein Tape-Interface zur externen
Soundspeicherung und einen Anschluss für ein Release-Pedal.

Wer die High-End-Orgel B 1000
von Solton erwerben wollte,
musste
den Kauf des nächsten
Mittelklassewagens verschieben,
denn der Preis betrug mehr als
13.000 Mark (ohne Fußpedal).

Josef Sperl mit CRB-Chef-Entwickler Sandro Fontanella

Die »Computer Band 2000« der B 1000

Ein früher Begleitautomat mit analoger Klangerzeugung: Solton Disco 64

Auf vielen Italo-Disco-Platten der 80er-Jahre zu hören: der Solton Arranger Plus

Uvi hat den Sound des SM 100 und des Arrangers 24 in dem Software-Instrument Programmer
24 wieder aufleben lassen. (www.uvi.net/program-24#inspiration)

</div >

Project 100

Ab 1983 wagte man sich in das Synthesizer-Segment und baute mit der erfahrenen italienischen Entwicklermannschaft einen professionellen, polyfonen Analogsynthesizer. Der Project 100 ist ein sechsstimmiger Analogsynth mit MIDI und einem einfachen integrierten polyfonen Vierspur-Sequenzer. Eine Expanderversion namens SM 100 (ohne Sequenzer) wurde ebenfalls angeboten.

Durch die pseudo-gotische Beschriftung wirkt das Design des soliden Aluminiumgehäuses etwas eigenwillig. Statt über klassische Spielhilfen wie Pitch- und Modulationsrad verfügt der Solton-Synth über einen Joystick mit einem zugeordnetem Poti für die Bend-Range. Dem Zeitgeschmack dieser Ära entsprechend bietet der Synth wenig Bedienelemente und eine »digitale « Bedienoberfläche: Der Parameter muss angewählt und der Wert anschließend mit den Tipptasten eingegeben werden – von intuitivem Zugriff auf die Klangbausteine kann hier keine Rede sein. Dafür kann man die Parameter aber mit MIDI-CC-Befehlen steuern, und man wird durch die inneren Werte des Synthesizers mehr als entschädigt, denn hier wurde nicht gespart.

Jede der sechs analogen Stimmen basiert auf zwei SSM2056-ADSR-Chips (wurden auch im Korg Polysix und im Siel Opera 6 verbaut) und einem SSM2045-VCA/Filter-Chip (dieser verrichtet seinen Dienst u. a. im E-Mu Emulator II, im Fairlight CMI II/IIx und im Siel DK-80). Die Klangarchitektur arbeitet mit zwei DCOs pro Stimme (Rechteck, Sägezahn, Pulse, Pulse mit veränderbarer Pulsweite) und verfügt über zwei Hüllkurven (VCA und VCF), ein 4-Pol-Filter mit Resonanz und einen LFO (mit Rechteck, Sinus und Delay-Funktion) zur Modulation von DCO, VCA und VCF. Als Effekt kommt ein analoger Eimerketten-Stereo-Chorus zum Einsatz.

Der Project 100 (und seine Expanderversion SM 100 ohne Sequenzer) gehören zu den unterschätzten Synthesizern, denn seine mit hochwertigen SSM-Chips bestückte Klangerzeugung liefert einen warmen und offenen Grundklang, mit dem man lebendige und überzeugende Pads und Flächen, Strings und viele klassische, durchsetzungsfähige Poly-Synth-Sounds erzeugen kann, die gut im Mix sitzen. Auch schöne Solo- und Bass-Patches lassen sich erstellen; experimentelle, abgefahrene Sounds gehören aber nicht zum Repertoire des Project 100. Das SSM-Lowpass-Filter und auch die etwas rauschende, aber charmante BBD-Chorus-Sektion haben einen großen Anteil an der charakterstarken Klangqualität des Synths und an einer Eigenschaft, die im englischen Sprachraum mit dem schönen Adjektiv »lush« treffend beschrieben wird.

Der Project 100 kam zu einem Preis von 3.500 Mark auf den Markt, wurde aber trotz guter Klangeigenschaften kein Verkaufsschlager, denn Yamahas Erfolgs-Instrument DX7 wurde zum Sensenmann für die meisten Analogsynths dieser Ära: Alle wollten jetzt einen Digitalsynth. Es wurden nur ca. 300 Project 100 gebaut.

Mehr Glück hatte Solton mit späteren Synthesizern wie dem Hybridsynth K 160 und vor allem der digitalen MS-Serie, die neben samplebasierter Klangerzeugung auch eine FM-Engine bietet und mit einer ausgefuchsten Begleitautomatik ausgestattet ist. Sie wurden vor allem in der Alleinunterhalter- und Heim-Keyboard-Szene sehr gut verkauft.

Um 2000 trennte sich Solton aufgrund von Meinungsverschiedenheiten von Ketron. Während Letztere weiter im Keyboard/Entertainer-Sektor aktiv sind, konzentrierte sich Solton wieder auf seine Ursprünge und bietet erfolgreich hochwertige Beschallungstechnik an.

Instant Italo Disco

Zu den Kultgeräten von Solton gehören neben dem Project 100 auch der Programmer 24 und sein Nachfolger Arranger Plus. Dabei handelt es sich um intuitiv bedienbare Begleitautomaten mit MIDI, die 1985 bzw. 1987 (Arranger Plus) auf den Markt kamen.

Die Geräte sind mit einem 3-Oktaven-Keyboard ausgestattet, und man kann mit ihnen komplette Arrangements mit Echtzeitsteuerung erstellen. Die Drum-Sektion ist mit typischen 80er-Jahre-Sounds mit 14 bzw. 16 wunderbar rauen und durchsetzungsfähigen 8-Bit-Samples ausgestattet. Außerdem gibt es eine Analog-Sektion auf Basis des M112 B1 Polyphonic Sound-Generators (der u. a. auch in den Siel-Synths DK 70 und DK 80 verbaut wurde), mit der Bässe, Lead- und String-Sounds erzeugt werden. Der analoge BBD-Chorus basiert (wie beim Project 100/SM 100) auf dem bekannten TDA1022-Chip, der u. a. auch im Haible Triple Chorus zu finden ist. Beide Begleitautomaten sind auf zahllosen Italo-Disco-Produktionen zu hören und auf dem Gebrauchtmarkt begehrt.

Wir bedanken uns bei Josef Sperl für Fotos und Infos zur Solton-Firmengeschichte sowie bei Frank Tenz für die Fotos von der B 1000.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.