Born in the 70ies

Vintage Park: Oberheim SEM – Synth Expander

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Oberheim SEM Synth Expander
(Bild: Dieter Stork)

Wie hat Jan Hammer eigentlich seinen legendären Synth-Sound auf Scheiben wie Jeff Becks Wired, Cobhams Quadrant oder beim Mahavishnu Orchestra hinbekommen? Klar, es war natürlich ein Minimoog involviert, aber manche der Solo-Sounds sind allein damit nicht zu machen; der pfiffige Keyboard-Wizard peppte seine SynthExkursionen auf, indem er parallel zum Moog ein Oberheim SEM-Modul ansteuerte.

Der kompakte Expander wurde für Oberheim der Grundstein zum Aufstieg in den Synthesizer-Olymp. Oberheim Electronics war in den frühen 70erJahren nämlich nicht als Synth-Schmiede, sondern als Hersteller hochwertiger Effektgeräte bekannt; darunter waren Phaser, hüllkurvengesteuerte Filter oder Ring-Modulatoren. Oberheim fungierte anderthalb Jahre auch als ARP-Dealer und bemerkte, dass viele ARP-Kunden sich einen Sequenzer wünschten; es entstand der (144 Steps fassende) Oberheim Sequenzer DS-2, einer der ersten digitalen Sequenzer überhaupt. Die nimmersatten Synth-Freaks äußerten nun den Wunsch nach einer weiteren Synth-Stimme, mit der sie zu den laufenden Sequenzen spielen könnten. Also entwickelte Tom Oberheim mithilfe von Dave Rossum von Emu-Systems einen kompakten Add-On-Synth ohne Tastatur, den man per CV-Gate von anderen Geräten ansteuern kann. Der eigenwillige, beige Zauberwürfel wurde 1974 auf der AES (Audio Engineering Society)-Convention in Los Angeles vorgestellt. Er kostete damals 700 Dollar.

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Synth-Lego

Der SEM-Expander wird in den folgenden Jahren zum Basisbaustein weiterer Kultgeräte; Oberheim kombinierte mehrere SEM-Module mit einem Keyboard, einem einfachen Sequenzer und später auch mit einem Speichermodul für einige Soundparameter und erschuf die legendären Two-, Four- und Eight-Voice-Polysynths (sie kosteten bei Markteinführung 2.000, 4.000 und 8.000 Dollar). Ihr Charme lag zum großen Teil auch in den leichten klanglichen Differenzen zwischen den einzelnen Stimmen. Auch der Oberheim OB-X, dessen Voiceboards den SEM-Modulen technisch sehr ähnlich sind, profitierte davon. Er kam 1979 heraus und bietet Speicherbarkeit aller Parameter sowie eine komfortable Bedienoberfläche.

User

Jan Hammer gehört zu den bekanntesten und frühesten SEM-Usern; für seinen gitarrenartigen Sound jagte er den Minimoog und den SEM manchmal durch einen MXR-Flanger und diverse Verzerrer oder synchronisierte die Oszillatoren des SEM.

Zum weiteren Userkreis gehören u. a. auch Leute wie Synth-Wizard Larry Fast aka Synergy (z. B. auf Electronic Realizations), Electro Producer Bolz Bolz (Data Error und Lift Going Up), Goldfrapp (Ohh-La La) und Geoff Barrow von Portishead (bei seinem Side-Projekt Drokk).

Klangerzeugung

Das SEM-Modul besitzt eine schnörkellose, analoge Klangerzeugung: Zwei Oszillatoren liefern Sägezahn und Pulsweiten-modulierbare Rechteck-Wellenform; sie lassen sich bei Bedarf auch synchronisieren.

Eine Besonderheit stellt das Filter dar: Anders als die damals üblichen 4-Pol-LowpassFilter ist es als Multimode-Filter ausgelegt und verfügt über Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Notch-Charakteristik. Tom Oberheim wollte hier eine Alternative zu den gängigen, sich an Moog orientierenden Filtermodellen schaffen. Das wunderbar klingende Filter macht den SEM zu einem flexiblen Klangwerkzeug. Die Resonanz lässt sich allerdings nicht in die Eigenschwingung fahren, was manche Klänge, wie etwa Acid-artige Zwitscher-Sounds, ausschließt.

Zur weiteren Klangformung dienen ein LFO mit Dreieck-Wellenform und zwei dreistufige Hüllkurven.

Sound

Das Oberheim-typische 2-Pol-Filter trägt viel zum charakteristischen SEM-Sound bei; es gibt dem Synth einen offenen und runden Basisklang, der niemals harsch wirkt, sich aber trotzdem sehr gut durchsetzt und angenehm präsent agiert. Der SEM macht sowohl bei Bass-, Lead- oder Sequenzer-Sounds eine sehr gute Figur. Wenn es mal etwas energischer zugehen soll, schaltet man die Oszillatorsynchronisation ein. Experimentelle, sehr aggressive oder geräuschhafte Klänge gehören aber nicht unbedingt zum Kern-Repertoire des SEM.

Das Gerät wurde uns freundlicherweise von Andreas »Bolz« Bolz (www.worldelectric.de) zur Verfügung gestellt.


Loops & Sample-Sets des Oberheim SEM
Downloaden für NI Maschine, Arturia Spark. Akai MPC Renaissance

Vintage Park Soundset Oberheim SEM


Klangeigenschaften: Der charakteristische SEM-Sound − das 2-PolFilter gibt dem Synth einen offenen und runden Basis-Klang mit viel Präsenz, klingt niemals harsch, setzt sich aber trotzdem sehr gut durch

Bühnentauglichkeit: begrenzt Soundforschungspotenzial: groß, vor allem beim Einsatz der Patchbays

Inspirationsfaktor: groß

Parameterzugriff: optimal

Bedienfreundlichkeit: sehr gut

Preis: ca. 1.100,− Euro

Nahe Verwandte: Kürzlich hat Oberheim auch den legendären 2-Voice wieder aufgelegt: Für ca. 3.700,− Euro erhält man einen zweistimmigen, auf SEM-Modulen basierenden Synthesizer mit vielen Extras.

Wer wird glücklich mit dem Synth? Synth-Freaks, Analog-Liebhaber, Elektronik-Produzenten mit Geschmack

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich bin mir nicht sicher, daß die Emu-Leute bei Entwicklung und Konzipierung des SEM involviert waren, das dürfte wohl Tom Oberheim im Alleingang gewesen sein. Bei der Konzeption des Four Voice bzw. Eight Voice waren Emu Partner von Oberheim, weil sie das Knowhow hatten, eine mehrstimmig polyphone Tastatur zur Ansteuerung der SEMs bauen zu können.

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