Der Hutmacher-Sequencer

Twisted-Electrons Crazy8 – Portabler 8-Spur-Step-Sequenzer im Test

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Crazy8 Twisted Electrons
(Bild: Viktoria Gurtovaj)

Ein kompakter und tourfreundlicher achtspuriger Step-Sequenzer, der vier externe Geräte per CV/Gate und MIDI ansteuern kann, dabei vorwärts, rückwärts oder »in pendulum« spurunabhängig hin und her abspielen kann, Akkordfunktionen besitzt, Transposing »on-the-fly« erlaubt und per Wahrscheinlichkeitsfunktion noch Motivvariationen improvisiert? Ganz klar, dafür hätten die meisten Elektronikkünstler ca. 1983, als der MIDI-Standard langsam, aber sicher eingeführt wurde, schlicht getötet.

Richtig originelle und innovative Sequenzer-Entwürfe sind selten. Umso erfreulicher, dass Twisted-Electrons aus Frankreich da um die Ecke denken und sich für den Crazy8 sogar die Punchline »No Bullshit Sequencer« ausgedacht haben. Die Zielgruppe dürften die vielen Modular- und Boutiquesynthesizerfreaks da draußen sein, die neben spannenden Sequenzermethoden auch sattsam Anschlüsse benötigen, um alles sinnstiftend miteinander zu verbinden.

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Mit seinen paar Hundert Gramm Fliegengewicht und reisetauglichen Abmessungen von gerade mal 210 x 100 x 45 mm erinnert er mich zunächst an einen Yamaha QY10 oder QY20. Das schicke, gebürstete Metallgehäuse macht aber gleichsam einen wertigeren und tourversierteren Eindruck als die kleinen Yamaha-Workstationzwerge. 86 weiße LEDs mit zwei Helligkeitsstufen, 22 Taster (13 davon in der Mitte des Crazy8 als 1-Oktav-Keyboard angeordnet) sowie ein klickbarer Encoder runden das stylische Bild ab. Im Lieferumfang befinden sich noch ein Netzteil, ein kleines Quickstart-Manual sowie ein Adapterkabel von Miniklinke auf MIDI-DIN.

Ein Verrückter, sie alle zu binden …

Das kleine Schwarze hat es laut Funktionsbeschreibung ziemlich in sich. Einem solchen Sequenzer schaut man also am besten erstmal hinten auf die Anschlüsse. Von links nach rechts liegen hier: MIDI 2 In, MIDI 1 In/Out, Track 1 bis 4 CV/Gate Out sowie SYNC rein/raus. Sehr löblich. Der Kleine scheint prädestiniert zu sein, das Kontrollherz eines Tisches voller kleiner externer Klangerzeuger zu werden. So kann der Crazy8 in der Tat vier polyfone MIDI-Spuren an MIDI-Send geben, während er gleichzeitig vier analoge Spuren CV/Gate triggert. Sync liegt mit klassischen 5V an und ist per Miniklinke patchfreundlich realisiert. Die MIDI-Ins/ Outs von MIDI 1 sowie MIDI-Out 2 sind ebenfalls per Miniklinke ausgelegt. MIDI-Sync wird empfangen, ebenso Transpositionsbefehle und Noteneingabe. Alles angeschlossen? Angeschnallt? Los geht’s!

Patternbildung …

Ein Pattern zu erstellen ist ziemlich intuitiv, obwohl die schicken Einführungsvideos auf YouTube (und auch der Quickstart), die man laut Handbuch zuerst aufsuchen sollte, die Eingabe von Noten unterschlagen. Step-Sequenzer-Neulinge wären hier meiner Meinung etwas aufgeschmissen und müssten wohl jemanden Großes fragen. Im Prinzip ist es aber sehr einfach: Der Drehknopf im rechten Bereich des Crazy8 kann geklickt werden und schaltet zwischen Pattern und Step um. Man selektiert also zunächst eine der acht Spuren mit den weißen Keyboardtasten (1−8) und schaltet dann den Step-Modus ein. Mit dem Drehregler lassen sich nun bequem die 16 Notenpositionen durchfahren, die dann auch aufleuchten. Wer eine Note an einer bestimmten Taktposition einer Spur setzen will, drückt sie dann einfach mit dem Keyboard rein.

Mit diversen Editing-Funktionen und der Hilfe der Shift-Taste lassen sich so einzelne Noten (Rest) muten, unmuten oder aus der Sequenz subtrahieren (der Step wird entfernt und das Pattern kürzer!). Duty regelt übrigens die Notenlänge »global« pro Pattern und in Echtzeit. Doch damit nicht genug: Tracks können ihre Abspielrichtung ändern: Vorwärts, rückwärts oder pendulum − also »hin und zurück« − sowie »random« sind möglich. Somit kann man Track 1 vorwärts abspielen, während Track 2 eine Variation von Track 1 rückwärts abspielt.

Ebenfalls bekloppt und geil: Die eingeschaltete Crazy-Funktion liefert in den Stufen 1−8 eine zufallsgesteuerte Reduktion der Spielwahrscheinlichkeit einer Sequenz. Die Stufen 9−16 fügen improvisierte Noten hinzu, die ihre harmonische Daseinsberechtigung aus der vorhandenen Melodieführung berechnen. Naturgemäß ergibt das verschiedene Qualitäten von Ergebnissen, mal congenial-genial, mal haarsträubend wonky. Diese Art von Sequenzing wäre in den 70ern bis Anfang der 80er-Jahre keineswegs »so mal eben« ohne Hochschulkontakte realisierbar gewesen. Toll!

Doch es geht noch mehr: Die Länge der Patterns kann 1 bis 16 Schläge sein. 16 Steps pro Pattern sind möglich, per »Pattern Chain« von bis zu acht Patterns ergeben sich daraus dann bis zu 128 Steps. Die Sequenzen können selbstredend per Rate (pro Pattern) im Timing dividiert oder multipliziert werden. Möglich sind: /4, /3, /2, ×1, ×2, ×3, ×4 und ×8. Und last but not least hätte ich fast den achtstufigen Swingfaktor (zwei Modi) vergessen. Ach ja: Wer im Livebetrieb MIDI-Melodien per »punch in« einfliegen will, kann auch das tun. Hierfür muss man einfach nur, während das Kistchen läuft, die Shift-Taste drücken (natürlich vorher den entsprechenden Track 1−8 selektieren) und von einem externen Keyboard aus einspielen.

Verrückt …

Crazy8 ist, sequenzertechnisch verwandt mit der ebenfalls fantastischen Acid8, wieder mal ein Geniestreich von Twisted-Electrons. Klein, handlich, stabil und dabei recht mächtig im Funktionsumfang. Er kann im Studio oder auf der Bühne eine CV/Gate/MIDI-Box ersetzen, da er über genug Anschlüsse verfügt, um als kleine Livezentrale einen vollgestopften Tisch elektronischer Klangerzeuger zu bedienen. Der Sequenzer unterstützt außerdem nicht nur Monofonie, sondern triggert auf Wunsch auch Akkorde und mehrere polyfone MIDI-Spuren. Die kreativen Möglichkeiten des Crazy8 erlauben es außerdem sowohl Anfängern als auch versierteren Synthpiloten, auf immer wieder neue Möglichkeiten von Sequenzen zu kommen. Seine Sinnlichkeit als effektives Musikinstrument dürfte er daher im Leben nicht verlieren.

https://twisted-electrons.com/product/crazy8/

 

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