Großes Kino

Synthesizer-Schlachtschiff: Sequential Prophet X im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Mit dem Prophet X schicken Dave Smith und seine wackeren Sequential-Mannen ein echtes Schlachtschiff um den ultimativen Synthesizer ins Rennen. Er vereint die klassische subtraktive Synthese mit einer potenten Sample-Engine und einem leistungsfähigen Sequenzer- und Effekt-Arsenal. Ist der Prophet X möglicherweise das einzige Gerät, das man als Synthfreak für ein selbstbestimmtes Leben braucht?

Der Prophet X stammt ja aus einer hoch angesehenen Familie mit legendären Vorfahren wie dem Prophet-5, der Hybrid-Legende Prophet VS und dem Kult-Sampler Prophet 2000. Irgendwie schien da der Schritt, viele Vorzüge unter eine Haube zu packen, logisch und ließ sich dank aktueller Prozessor-Power auch problemlos realisieren. Der achtfach polyfone Prophet X bietet ein ungewöhnliches Hybridkonzept, das einen analogen Signalweg mit digitalen Oszillatoren und einem Sampleplayer kombiniert und das man bei der Konkurrenz vergeblich sucht. Dank des letzten Betriebssystem-Updates lassen sich jetzt auch eigene Samples laden.

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Äußerlich überzeugt der 11 kg schwere Bolide im Stahlmetallgehäuse durch gute Verarbeitung und ein klassisches Sequential-Design, das eine solide Souveränität ausstrahlt und an den Prophet 6 oder den Pro Rev2 erinnert. Als Keyboard kommt hier eine fünfoktavige, halbgewichtete Fatar-Tastatur mit Aftertouch zum Einsatz, die sich sehr gut spielen lässt und diesbezüglich ältere Dave-Smith-Modelle wie etwa den Prophet 08 hinter sich lässt. In der Spielhilfensektion findet man über den beiden Handrädern zwei mit LED-Ketten ausgestattete Touch-Strips, die allerdings nicht druckempfindlich sind. Dafür besitzen sie eine praktische Latch-Funktion, die sich den letzten erreichten Wert merkt, wenn sie aktiviert ist. Drei gut lesbare OLED-Displays (eines davon ist für die Sample-Sektion reserviert) informieren über die inneren Angelegenheiten.

Die bi-timbrale Klangerzeugung bietet einen Stack- und Split-Mode. Sie ist hybrid ausgelegt und arbeitet mit digitalen Oszillatoren und analogen Filtern. 16 Stimmen lassen sich erzeugen, im Stereo-Modus wird die Stimmenanzahl allerdings halbiert. Pro Stimme lassen sich zwei Oszillatoren mit den Wellenformen Sinus, Sägezahn, Puls und Supersaw und zwei samplebasierte »Instruments« aktivieren. Ein kleines Highlight für Soundtüftler sind die Waveshaping-Features der Oszillatoren, die je nach Wellenform und der Einstellung der Polarität zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Beim Sinus wird im Waveshaping beispielweise die zweite Harmonische erzeugt, bei der Supersaw die Amplitude von bis zu fünf zusätzlichen Sägezähnen erhöht. Zu den weiteren Features gehören neben Hardsync und polyfonem Glide ein Pitch-Drift-Parameter, um klassische VCOs zu emulieren.

Die Oszillatoren lassen sich über einen sehr weiten Bereich von neun Oktaven stimmen und klingen auch in hohen Lagen Aliasing-frei. Auch die Möglichkeit, einen Oszillator von der Keyboardsteuerung abzukoppeln, ist gegeben. Vermisst habe ich hier nur einen Noise-Generator und einen Suboszillator, der ja bei der Soundprogrammierung mitunter sehr praktisch sein kann; für diesen Zweck muss man dann eben einen Sample-Slot opfern. Man kann den Synth seit dem letzten Update übrigens auch mit 32-stimmiger Polyfonie betreiben; dann agieren die Filter allerdings nur parafon, und es stehen nur ein Sample-Oszillator und ein konventioneller Oszillator pro Stimme zur Verfügung.

Auf der Rückseite des Prophet X findet man folgende Anschlüsse: Buchse für das externe Netzteil, MIDI-Inund Out, USB-MIDI, USB-Port für den Import eigener Samples via Stick, zweimal Stereo Out, Expression- Volume- und Sustain-Pedal, Fußschalter-Anschluss zum Starten des Sequenzers, Kopfhörerausgang. (Bild: Dieter Stork)

Chipsfrisch

Ein echtes Glanzlicht der Klangerzeugung sind die zwei analogen 24-dB-Lowpass-Resonanz-Filter, die seriell oder parallel (stereo) geschaltet werden können. Sie arbeiten mit den neuentwickelten SSI2144-Chips, die auf den klassischen SSM-2044- Filterbausteinen basieren, welche u. a. in den frühen, heißbegehrten Versionen des Prophet-5 ihren Dienst verrichten. Die Prophet-X-Filter klingen wie die Vorbilder sehr warm und kraftvoll und tragen viel zur Klangqualität des Boliden bei. Im achtstimmigen Stereo-Modus geht die Sonne im Stereopanorama auf, wenn man den Filter-Offset-Modus nutzt, in dem der rechten und der linken Seite unterschiedliche Filter-Werte zugewiesen werden.

Die Oszillatoren durchlaufen einen klassischen, subtraktiven Signalweg, der konsequent in Stereo ausgelegt ist, was imposante, breitwandige Klänge begünstigt. Die vier ADSR-Hüllkurven punkten mit Loop- und Delay-Funktion. In der großzügig gestalteten Modulations-Abteilung lassen sich 87 Modulationsquellen mit 28 Modulationszielen verknüpfen. Vier LFOs mit Key-Sync-, Wave-Reset-Funktion und fünf Wellenformen (inkl. Random), deren Geschwindigkeit bis in den hörbaren Bereich (500 Hz) reicht, was für FM-Effekte ideal ist, stehen zur Verfügung.

Instruments

Was den Prophet X momentan außergewöhnlich macht, sind die beiden samplebasierten Oszillatoren, »Instruments« genannt, die neben den konventionellen Oszillatoren pro Stimme zur Verfügung stehen. Sie werden durch eine fette, 150 GB große Library gespeist und liefern Multi-Samples im Format 16 Bit/48 kHz. Die Samples können vielfältig bearbeitet werden: Start- und Endpunkt der Sampleslassen sich auf Wunsch mit Crossfade einstellen, zur Zähmung unerwünschter Frequenzen steht ein EQ zur Verfügung, und es gibt mehrere Loop-Modes inklusive »Forward/Reverse« und »Sync«, bei dem der Loop zur Master-Clock synchronisiert wird.

Auf Time-Streching und Sample-Slicing muss man aber leider verzichten, hier ist man auf einen externen Computer angewiesen. Bei der Sample-Stretch-Funktion handelt es sich nicht um Time-Stretching, vielmehr wird ein Sample (ohne Multisampling) über die ganze Tastatur gelegt.

Das Bedienpanel ist Übersichtich gestaltet und bietet mehrere OLED-Displays. (Bild: Dieter Stork)

150 GB der 200 GB großen internen SSD-Festplatte wurden von der Sample-Library-Firma 8DIO mit Multisamples befüllt. Diese ist vor allem für ihre Kino-affinen Sounds bekannt. Die Library bietet eine gute Grundausstattung: Es gibt Orchester-Sounds, Pianos, Streicher, Gitarren etc. Die Multisamples wirken sehr hochwertig und wurden sorgfältig mit vielen Dynamikstufen und unterschiedlichen Mikrofon-Positionierungen produziert; das meiste klingt teuer und ist mit Effekten aufgenommen worden.

Will man es ein bisschen puristischer haben, kann man z. B. auf die klassischen Wellenformen des Prophet VS und des Prophet-5 zurückgreifen. Ansonsten ist aber Eigeninitiative gefragt. Zum Glück ist der Prophet X nach dem letzten großen Betriebssystem-Update in der Lage, externe Samples zu importieren, denn Sampeln kann der neue Prophet selbst nicht. Dazu formatiert man einen USB-Stick am Synth und befüllt ihn am Computer mit eigenem Material; dieses muss aber im Format 16 Bit/48 kHz vorliegen.

Die Effektsektion bietet eine zeitgemäße Ausstattung mit guter Klangqualität. Zwei Effekt-Engines lassen sich mit verschiedenen Reverb-Typen, Delays (darunter auch eine gelungene Simulation eines Eimerketten-Delays), Chorus, Flanger, Leslie, Distortion, Ringmodulator und Hochpass-Filter bestücken. Erfreulicherweise lassen sich viele Effekt-Parameter modulieren.

Der On-Board-Sequenzer arbeitet polyfon und kann Sequenzen mit maximal 64 Schritten abfeuern. Pro Step werden bis zu sechs Noten verarbeitet. Für jeden der beiden möglichen Layer der Klangerzeugung steht eine Sequenz zur Verfügung. Ein einfacher Arpeggiator mit diversen Betriebsarten (Up, Down, Alternate, Random, Assign) steht ebenfalls zur Verfügung. Hier hätte ich mir noch die Möglichkeit der Erstellung eigener Arpeggio-Muster gewünscht.

Auch die Effekt-Abteilung besitzt ein eigenes Display (Bild: Dieter Stork)

Man wird schnell warm mit dem Prophet X: Die Bedienoberfläche ist logisch konzipiert, und man findet sich sofort zurecht. Die Designer haben darauf geachtet, dass nervende Menü-Taucherei nach Möglichkeit auf ein Minimum reduziert wird. So geht z. B. die Zuweisung von Modulationsquellen schnell von der Hand: Man hält den Source-Taster gedrückt und wählt die Quelle durch Drehen am entsprechenden Regler aus; das Modulationsziel wird ähnlich einfach verknüpft. Mit den drei OLED-Displays lässt sich gut arbeiten. Leider hat man jedoch auf eine Wellenformdarstellung verzichtet, was beim Editieren längerer Samples ein bisschen zu oldschoolig ist. Auf der Wunschliste steht außerdem die Möglichkeit, Samples zu slicen und den internen SSD-Festplattenspeicher zu erweitern. Praktisch ist − vor allem auf der Bühne − die Möglichkeit, Sounds in Patch-Listen zu legen, auf die man in der Live-Situation bequem zugreifen kann. Dies mildert auch das Manko, dass Klänge nicht via Zahlenfeld numerisch angewählt werden können.

Darfs ein bisschen mehr sein?

Für alle, denen 61 Tasten zu wenig sind, hat Sequential noch eine Schippe draufgelegt und den Prophet XL herausgebracht. Dieser verfügt über eine leichtgewichtete Tastatur mit 76 Tasten und wird seinen Platz wohl hauptsächlich in Studios finden.

Beim Anspielen des Prophet X verspürt man schnell den Drang, sofort nach LA zu fliegen und den nächsten Hollywood-Blockbuster zu vertonen. Das liegt auch an dem mitgelieferten Samplematerial von 8DIO, das den Hans Zimmer in uns erweckt − hier wirkt alles groß, breit und mächtig, dabei aber immer warm und muskulös. Die Samples sind toll für cineastischen Sound, aber schon ziemlich ausproduziert und als Ausgangspunkt für eigene Schraubereien manchmal nicht so ideal. Gut, dass man hier eigene Sounds importieren kann. Für Soundtüftler bietet der Synth viel, auch dank der guten Modulationsabteilung, die z. B. auch den Einsatz der Samples oder der Oszillatoren als Modulationsquelle vorsieht.

Der Sound des SSM-inspirierten Filters ist wirklich sahnig. Es verfügt über ein sehr gutes Resonanzverhalten, greift kraftvoll ins Klanggeschehen ein und klingt dabei immer warm und organisch; zur Bearbeitung von Samples ist es eine wirklich gute Wahl. Schade, dass es keinen Eingang für externes Audiomaterial gibt. Eine große Palette klassischer Synth-Sounds stehen dem Prophet-X-User natürlich ebenfalls zur Verfügung, und die Oszillatoren machen hier eine gute Figur, auch wenn sie dem Puristen ihre digitale Herkunft nicht ganz verhehlen können.

Der Prophet XL ist mit 76 Tasten die SUV-Variante des Prophet X in der Tradition eines Prophet T8. (Bild: Jim Beckett)

Fazit

Mit dem Prophet X ist es Sequential gelungen, die zwei Traditionslinien der legendären Firma − Synthesizer und Sampler − zusammenzuführen und in einem einzigartigen Instrument zu bündeln. Kleinere Schwächen (keine Wellenformdarstellung, kein Time-Streching oder Sample-Slicing) verzeiht man angesichts des Gebotenen gerne. Der Prophet X klingt (nicht zuletzt wegen seiner Analog-Filter) großartig und ist sowohl für den Livemusiker, der neben den Synth-Sounds auch gerne mal ein paar Samples abfeuert, als auch für den Studiomusiker, der für alle Eventualitäten gerüstet sein will und gerne mal eigene Sounds schraubt, eine gute Wahl. So ein Gerät hat natürlich seinen Preis, der aber gleichwohl angemessen ist, denn hier hat man es vermutlich mit einem zukünftigen Klassiker zu tun, der einen viele Jahre begleiten wird.

Hersteller: Sequential
Internet: www.sequential.com

Preise:

Sequential Prophet X: ca. 3.900,− Euro
Sequential Prophet XL:ca. 4.400,− Euro

Unsere Meinung:

+ einzigartiges Konzept
+ eigene Samples lassen sich integrieren
+ große klangliche Flexibilität
+ Analog-Filter im Stil des SSM 2044

− kein Timestreching und Sample-Slicing
− keine Wellenformdarstellung der Samples

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