Hands-on SSL UC1 – Hardware-Controller im Test von Redaktion, 10. April 2022 teilen teilen Anzeige SSL UC1 Rechnerinternes Mischen ist heute Standard, selbst angesehene Star-Engineers wie Michael Brauer oder Andrew Scheps, die länger als viele andere an analogen Pulten festhielten, arbeiten inzwischen »in the box«. Trotzdem lebt der Traum von echten Reglern weiter: Den Sound anfassen zu können und mit eigenen Händen zu formen … aber mit der Bequemlichkeit und dem sofortigen Recall eines digitalen Systems! Der englische Mischpulthersteller SSL hat sich des Problems angenommen. Herausgekommen ist ein Hardware-Controller, speziell für den beliebten SSL Channel Strip und den nicht minder legendären SSL Bus Compressor in Plug-in-Form. Plug-ins zum Anfassen – dieses Konzept hat mich wie viele andere Anwender schon früh elektrisiert. Lange setzten die Hersteller jedoch auf Universal-Controller, die der Kunde dann erst mühsam »anlernen« musste. Und so richtig intuitiv wurde die Bedienung damit nie – allzu oft drehte man am falschen Knopf, weil man sich die Belegung nicht merken konnte. Anzeige Nun geht der britische Hersteller seinen eigenen Weg: Der UC1 ist ein Hardware-Controller, der ausschließlich für die hauseigenen Plug-in-Emulationen der legendären SSL-Pulte abgestimmt ist. Dabei wird nicht nur der Kanalzug mit EQ und Channel-Dynamics abgebildet, sondern auch der sagenumwobene Bus Compressor, der dem Mix den nötigen »Glue« verleiht. Die Hardware sieht schon mal eindeutig nach SSL-Pult aus! Und fühlt sich auch annähernd so an. Der UC1-Controller hat eine stattliche Größe von 300 × 266 × 61 mm und ein Gewicht von 2,1 kg. Das kantige Gehäuse besteht aus Metall und strahlt die Professionalität aus, die man mit dem Namen Solid State Logic verbindet. Auf der Unterseite lassen sich zwei mitgelieferte Metallfüße anbringen, um die Ergonomie zu verbessern. Der Neigungswinkel lässt sich durch verschiedene Montageoptionen verändern. Angeschlossen wird der Controller über USB. Die Buchse hat USB-C-Format, wobei der Port nur mit USB 2.0 Protokoll (High Speed) läuft, was für den Austausch von Controller-Daten locker ausreicht. Mitgeliefert werden zwei Kabel, eines mit USB-C-Gegenstück (z. B. für MacBooks) und eines mit dem immer noch weit verbreiteten USB-A-Steckverbinder. Die Stromversorgung erfolgt ausschließlich über ein mitgeliefertes Steckernetzteil. Die Netzteilbuchse besitzt keinen Locking-Mechanismus, der Stecker sitzt aber einigermaßen fest. Der Controller ist zudem dank seines Gewichts und der Gummifüßchen sehr standfest. Die Oberfläche aus gebürstetem Aluminium in Grau und Schwarz versprüht hochwertiges SSL-Flair. Die Potikappen haben die typischen SSL-Farben: Grau, Rot, Grün, Blau und Schwarz. Auch die Größe stimmt, einzig die Reglermarkierung fehlt, denn es handelt sich nicht um Potis sondern um Endlos-Drehencoder. Die Reglerposition wird durch einen Leuchtkranz aus jeweils elf LEDs markiert. Das Einschalten des UC1 ist denn auch eine spektakuläre Lightshow mit toller Choreographie. »Einschalten« ist eigentlich das falsche Wort: Der UC1 hat leider gar keinen Ein/Aus-Schalter. Wer bei Nichtbenutzung Strom sparen will, muss ihn vom Netzteil trennen oder noch besser das Netzteil vom Strom trennen. Die Anordnung der Bedienelemente entspricht praktisch 1:1 den mitgelieferten Plug-ins, sodass man sich sehr schnell zurechtfindet. Das Metering mit zwei hochauflösenden Stereo-LED-Ketten und einem analogen Zeigerinstrument ist exzellent. Die mitgelieferte Software besteht aus den beiden Plug-ins SSL Native Channel Strip 2 und SSL Native Bus Compressor 2. Um diese mit dem UC1 bedienen zu können, muss zusätzlich die SSL-360°-Software installiert sein, die im Übrigen auch das Bindeglied zu einem eventuell vorhandenen UF8-Controller zum Steuern der Channel-Fader bildet. So kann man sich aus UC1 und einem (oder mehreren) UF8 einen wirklich imposanten Mischpult-Controller zusammenstellen. Für den Test hatte ich allerdings nur den UC1 zur Verfügung – der auch ohne einen UF8 sinnvoll nutzbar ist und vermutlich die bessere Wahl wäre, wenn man sich nur einen von beiden leisten kann. Die Plug-ins sind per iLok kopiergeschützt und lassen sich auch ohne Hardware-Key rechnergebunden autorisieren. Die Installation aller Komponenten verlief auf dem Testrechner (Intel Core i9 9900k, 64 GB RAM, Windows 10 64 Bit) problemlos. Der mitgelieferte SSL Native Channel Strip 2 basiert auf SSLs legendären Analog-Konsolen. Die EQ-Kurven lassen sich umschalten zwischen G-Series und E-Series. Um in den vollen Genuss des Systems zu kommen, sollte in jedem Kanal des DAW-Mixers das SSL Native Channel Strip 2 Plug-in im ersten Slot insertiert sein. Nur so kann über das Channel Dial des UC1 Controllers jeder Kanal angefahren werden. Beim SSL Native Bus Compressor 2 Plug-in genügt es, es in denjenigen Kanälen einzusetzen, wo seine Dienste gebraucht werden, also beispielsweise in der Stereosumme und einzelnen Subgruppen. Clever: Für den Bus Compressor gibt es, unabhängig vom Channel Dial, einen separaten Drehencoder zur Anwahl der jeweiligen Plugin-Instanz. Wie lassen sich die vielen Instanzen nun in der Praxis bedienen? Man kann ja schlecht zig Plug-in-Fenster öffnen und nebeneinander platzieren. Hier kommt die 360°-Software ins Spiel. Mit Druck auf die 360°-Taste am Controller öffnet sich eine virtuelle Mischpultoberfläche. Diese entspricht weitgehend einem SSL-Pult mit Gain-Regler, Channel Dynamics, LP/HP-Filter, parametrischem 4-Band-EQ und Output-Fader. Hilfreich für eine bessere Lesbarkeit der Reglerpositionen ist die Zoom-Funktion. Zusätzlich lässt sich am rechten Rand der Bus Compressor mit allen anwählbaren Instanzen anzeigen. Ein entsprechend großer Bildschirm vorausgesetzt, kommt echtes Mischpult-Feeling auf! Das ebenfalls mitgelieferte Plug-in SSL Native Bus Compressor 2 emuliert den in SSL-Pulten eingebauten Bus Compressor, der auf unzähligen Aufnahmen seit den 1980ern für den magischen »Glue« gesorgt hat. Praxis In der Praxis überzeugt das Konzept, doch eine entscheidende Frage bleibt: Wie weit kommt man mit nur zwei Plug-ins? Heute sind wir gewohnt, für jede Task ein eigenes Plug-in aus der virtuellen Schublade zu ziehen. Andererseits wurden weltweit zig Tausende von Songs auf SSL-Konsolen gemischt, darunter Hunderte von Klassikern und Chart-Hits. Und die gesamte Funktionalität einer solchen SSL-Konsole ist ja in den beiden mitgelieferten Plug-ins versammelt – eigentlich sogar mehr, denn der ins Pult integrierte Bus Compressor lässt sich ja in multiplen Instanzen einsetzen, wovon Besitzer der entsprechenden Hardware nur träumen können. Außerdem kann man sich beim Channel EQ aussuchen, ob er mit der Filtercharakteristik der Goder E-Series arbeiten soll. Letztere bietet sich für schmalbandige Eingriffe an. Der G-Series EQ punktet mit einem etwas natürlicheren Klang und eignet sich sehr gut für übliche Mixing-Aufgaben, d. h. Sweetening und Rejustieren der Klangbalance. Tatsächlich gelingt es ohne Probleme, konkurrenzfähige Mixes nur mit den beiden Plug-ins zu erarbeiten, die der UC1-Controller steuern kann. Sehr gut gelöst ist das Metering. Eingangs- und Ausgangspegel werden zweikanalig über LED-Ketten mit je 16 Segmenten angezeigt. Kompressor und Gate/Expander der Channel Dynamics haben LED-Meter mit je sieben Segmenten. Besonders schön ist das Metering des Bus Compressors gelöst, denn hier gibt es – wie bei der Hardware – eine echtes analoges Drehspul-Zeigerinstrument, das man genauso im Takt tanzen lassen kann wie beim Original. Klasse! Laut Hersteller sollte der Controller auch in der DAW denjenigen Kanal selektieren, der per Channel Dial ausgewählt ist. Das hat auf meinem Testrechner unter Windows 10 mit Cubase Pro 11 nicht funktioniert. Ich vermute, es liegt daran, dass auf meinem Studiorechner Console 1 von Softube installiert ist, das genau diese Funktion bietet und bereits zuvor an sich gerissen hat. Wenn man sich aber an die Arbeit im SSL 360°-Mixer gewöhnt hat, wird die Kanalwahl im DAW-Mixer zur Nebensache. Insofern konnte ich auch so gut mit dem UC1 arbeiten. Grundsätzlich unterstützt werden laut Hersteller: Avid Pro Tools, Apple Logic, Cubase/Nuendo, Ableton Live, Presonus Studio One und Cockos Reaper. Andere DAWs wurden nicht getestet, können aber durchaus auch mit dem UC1 harmonieren. Bei Cubase/Nuendo, Live, Studio One und Reaper werden die Kanalreihenfolge und die Kanalnamen automatisch an die 360°-Software übertragen – vorausgesetzt man verwendet die VST3-Versionen der Plug-ins. Bei Logic funktioniert dies mit den AU-Versionen ebenfalls, aber erst ab Logic 10.6.1. Bei Pro Tools (und älteren Logic-Versionen) besteht derzeit die Einschränkung, dass die Kanalreihenfolge nicht übertragen wird. Die Kanäle des 360°-Mixers entsprechen stattdessen der Reihenfolge, in der das SSL-Plug-in insertiert wurde. Zwei Funktionen haben mir beim UC1 gefehlt: Drive und Pan. Derzeit bietet das SSL Native Channel Strip 2 keine Möglichkeit, Übersteuerungen bzw. Sättigung hervorzurufen. Das könnte der Hersteller beheben, denn es gibt ja Input Gain und Output Gain mit einem Regelbereich von jeweils ±20 dB, sodass man den Input überfahren und den Pegel am Output wieder angleichen könnte. Bislang wird jedoch das Übersteuerungsverhalten der Hardware im Plug-in nicht gemodelt. Das wäre m. E. zumindest als Option sehr wertvoll. Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass der UC1 keinen Pan-Regler hat. Das liegt einerseits daran, dass der UC1 kein klassischer DAW-Controller ist, sondern nur die mitgelieferten SSL-Plug-ins steuert. Somit hat er keinen Zugriff auf den Pan-Regler der DAW. Zum anderen liegt es wohl daran, dass SSL für Panning, Fades und andere DAW-Funktionen den UF8 anbietet, für den der fehlende Pan-Regler des UC1 somit ein Kaufargument liefert. Andererseits: Das, was das UC1 System bietet – und das ist eine Menge –, funktioniert hervorragend. Der EQ klingt transparent und deckt mit seinen beiden Modi so ziemlich alle Einsatzbereiche ab. Die Hoch- und Tiefpassfilter mit 18 dB/oct Flankensteilheit eignen sich sehr gut zum Aufräumen und zum Entfernen von Störfrequenzen. Der Channel Compressor packt ordentlich zu und lässt sich trotz der wenigen Bedienelemente sehr gut einstellen. Dass es keinen stufenlosen Attack-Regler gibt, sondern nur einen Fast-Attack-Schalter, macht sich selten bemerkbar; sehr hilfreich ist der Peak Detect Modus, insbesondere für perkussive Signale. Wirklich vielseitig ist auch die Gate/Expander-Sektion, mit der sich längst nicht nur Störgeräusche unterdrücken lassen. Das Routing der verschiedenen Sektionen lässt sich übrigens pro Kanal konfigurieren. Presets gibt es auch, aber die sind bei diesem Konzept m. E. unnötig. Die Grundidee ist ja, ohne jede Ablenkung alleine durch Hören und Schrauben ans Ziel zu kommen. Mit ein bisschen Übung funktioniert das sehr gut. Man verschmilzt mit dem Klang und greift intuitiv zum richtigen Regler. Die per Button aufrufbare 360 -Oberfläche zeigt eine Mischpultoberfläche mit allen insertierten »SSL Channel Strip 2«-Instanzen. Die Instanzen des »SSL Bus Compressor 2«-Plug-ins lassen sich am rechten Rand einblenden. Fazit Mit dem UC1 bringt Solid State Logic das klassische SSL-Mischpult-Feeling ins Projektstudio. Anders als übliche DAW-Controller widmet sich der UC1 ganz gezielt nur den beiden mitgelieferten Plug-ins, die einen SSL-Kanalzug und den legendären SSL Bus Compressor emulieren. Diese Beschränkung ist gleichzeitig ein Vorteil: Statt Hunderte von Plug-ins zu durchforsten und ein halbes Dutzend für jede Aufgabe auszuprobieren – immer im Zweifel, ob es nicht doch ein besseres gäbe –, greift man hier selbstbewusst zum Regler, schraubt und lauscht. Das Mixing wird weitaus weniger von den Augen geleitet. Dass man für den gesamten Mix stets die gleichen Tools verwendet, diszipliniert und schult den Anwender. Bald schon erledigen sich typische Aufgaben wie von selbst, was wiederum die kreative Seite des Gehirns entfesselt. Vermisst habe ich eine Sättigungsfunktion bzw. die Emulation des analogen Übersteuerungsverhaltens. Auch muss man damit leben, dass der UC1 keinerlei DAW-Steuerung bietet. Er kann weder den Pan-Regler noch den Channel-Fader bewegen oder gar Sends beschicken. Trotzdem: Die Kernarbeit des Mixings, d. h. die Abstimmung der verschiedenen Tracks aufeinander, gelingt mit dem UC1 ausgezeichnet. Besonders hervorzuheben sind die sehr hochwertige Verarbeitung und Haptik sowie die Möglichkeit, das UC1-System mit einem oder mehreren UF8 Fader-Controllern zu einem imposanten virtuellen Mischpult auszubauen. Gleichzeitig sind die mitgelieferten Plug-ins nicht an die Controller-Hardware gebunden, sodass man unterwegs weiter an Mixes arbeiten bzw. Korrekturen vornehmen kann. Ein durchdachtes, praxisgerechtes Konzept! SSL360-Mixer-Zoom Hersteller: Solid State Logic UvP/Straßenpreis: 795,– Euro / 719,– Euro Internet: www.solidstatelogic.com Unsere Meinung: +++ dedizierter Controller, bildet Plug-ins 1:1 ab +++ hochwertige Verarbeitung & Haptik +++ sehr gutes Metering mit LED-Ketten und analogem Zeigerinstrument +++ hochwertige, universell einsetzbare Plug-ins – kein Panning, keine Sättigung teilen teilen Schlagwörter: Sound & Recording - Content Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechenDeine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.Kommentar * Name * E-Mail * Datenschutzbestimmungen Das könnte dich auch interessieren Songwriting vs. Mixing: Wo liegt die Grenze? Weiterlesen Arturia veröffentlicht Synthx V Weiterlesen Angespielt: Osmosis von Wrontools Weiterlesen Exklusive Events in den HOME Studios zur Studioszene Weiterlesen Studio-Equipment im Wert von über 1.400€ gewinnen Weiterlesen 6 Tipps zur Ordnung im Studio Weiterlesen